Montag, 22. Januar 2007
Halbdackel des Monats
Herr Scheer hat eine tolle Idee. Es ist so was wie eine Vision: Er möchte die erneuerbaren Energien hierzulande noch stärker fördern, weil er findet, dass Atom- und Fossilenergie Käse sind. Find ich -als Sonnenkraftjunkie mit den Kollektoren aufm Dach, der grade eben Zigtausende in Wärmedemmung und das optimale Energieprinzip investiert hat- prinzipiell auch und der Herr Scheer hat da wirklich ehrenwerte Absichten. Es gibt da aber ein aber:

Der Windsäer





Nun macht Herr Scheer auch einen Vorschlag, wie das aussehen soll. Herr Scheer findet, dass es möglich ist, 50% (in Worten: Fünfzig Prozent!) der benötigten Energie durch Windkraftanlagen herzustellen.

Aha, dacht ich mir da...interessant....und schaute mir Herrn Scheers Rechnung genauer an.

Herr Scheer hat errechnet, dass 30.000 Anlagen in Deutschland reichen würden und behauptet, dass eine einzige Anlage auf 12 km² genug ist. Das fand ich schon mal interessant. Ich bin zwar beim Nachrechnen nicht ganz auf seine Zahlen gekommen, aber ich dacht mir, dass der Mann das nicht einfach so aus dem Hut zaubert. Drum hab ich aber trotzdem näher hingeschaut. Dann sah die Rechnung auf einmal schon anders aus:

Um eine 50%-Quote zu erreichen brauchts also 30.000 von den Dingern, also eins auf 12 km² (zumindest lt. Scheer). Gut. 12 km² bedeuten ein Quadrat mit einer Kantenlänge von grob 3,5 km. Nun wirds schon eng, dacht ich mir. Weil ja die bebaute Fläche in der Bundesrepublik Deutschland (inklusive nicht nutzbarer Fläche) nicht soooo wenig ist und so manche Gemeinde diese Größe locker übertrifft. Da wurde ich dann stutzig und fand die Rechnung des Herrn Scheer nur noch absurd:


Die Grundbedingung damit das funktioniert (also, dass die Anlage genügend Strom liefert), wäre eine konstante Windstärke 6 bis 7 und das mindestens 6 Stunden am Tag überall in Deutschland und das täglich. Windstärke 6 bis 7 bläst schon ganz ordentlich. Was, wenn das mal nicht der Fall sein sollte? Wenns drunter geht oder über Windstärke 9 hat (dann wird aus Sicherheitsgründen abgeschaltet)? Dann gehen eben der Fernseher und der Kühlschrank aus. Zumindest sagt Herr Scheer nicht, wie das sonst zu bewältigen wäre.

Es müssten auch, damit Herrn Scheers Rechnung aufgeht und der Energiebedarf gedeckt ist, 5-Megawattanlagen sein. Die Berechnungsgrundlagen fußen auf Anlagen, die 5 MW leisten.
Nun konnt ich mir überhaupt nix drunter vorstellen, was das überhaupt heißen mag und hab mal nachgeschaut. Ich war -gelinde gesagt- entsetzt. Der Mann spricht nicht von herkömmlichen Windanlagen, wie sie überall rumstehen. Er redet von einem Rotordurchmesser von 100 (!) und mehr Metern und von Anlagen, die eine gesamte Bauhöhe von 180 (!) Metern haben.

Nun ist mir nicht bekannt, was die Berliner dazu sagen würden, wenn wir anfangen, den Tiergarten und den Grunewald mit insgesamt 75 Anlagen zuzupflanzen, die jede für sich mindestens 180 Meter hoch ist, aber ich stell mir das für das Gesamtlandschaftsbild nur kurz vor: Das gesamte Land übersäht mit hochhausähnlichen Kolossen. Manhattan wär ein Scheißdreck gegen das.....grob alle 7-8 km kommt dann deutschlandweit (!) ein 180 Meter hohes Geschoss....
Wer grade aus dem Fenster blickt und am Horizont einen Fernsehturm erspähen sollte: Ginge es nach Herrn Scheer, würden Sie jetzt nicht einen Fernsehturm sehen sondern einen Fernsehtum und locker über 150 Windkraftanlagen....(und dann gibts ja tatsächlich Kommunalpolitiker, die so eine Satellitenschüssel auf einem Balkon für Landschaftsverschandelung halten.)

Aber Herr Scheer wäre nicht Realpolitiker, wenn er nicht um dieses Problem wüsste. Und drum hat er sich auch Gedanken gemacht:
Die "Idee", das doch in Offshoreparks zu stellen: Ähem, mal von Naturschutzgebiet und Biosphärengebiet Wattenmeer gehört?
Scheinbar hat er das. Weil sein Vorschlag war, das doch entlang der Bundesautobahnen aufzustellen. Dumm nur, dass die Gesamtlänge der Bundesautobahnen ca. 12.000 km und ein paar Zerquetschte beträgt (inkl. Raststätten, Ausfahrten, Kreuze, mitten durch bebautes Gebiet, Brücken und Tunnel) und er aber 30.000 Dinger verpflanzen muss. Das spricht wirklich für einen massiven Ausbau der Autobahnen...


Merke: Nicht alles, was toll klingt und in guter Absicht menschlichen Hirnsynapsen entspringt, ist auch wirklich sinnvoll und gut.

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So ein Arbeitstag ist lang und eine Woche noch viel länger. Und manchmal da hat man einfach nicht so richtig was zu tun. Oder keine Ahnung. Aber man will ja für sein vieles, vieles Geld auch was tun. Also denkt man nach. Und denkt nach. Und denkt, oder denkt, man denkt. Ähm. Na, egal.

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Ich glaub das ist jemand, der unheimlich viele tolle Ideen hat, aber nicht in der Lage ist, sich die Folgen dessen zu visualisieren...
Ich geh jetzt denken...

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Der Mann ist übrigens auch der Ansicht, dass wer dies für nicht vertret- oder machbar halte, die falschen Maßstäbe habe.

Stimmt. Hat er Recht. Ich habe andere Maßstäbe.

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Ach komm, vielleicht stellt er es sich ja ganz anders vor als wir.

Glückliche tanzende Kinder die mit bunter Kreide die Windräder bemahlen,
Feiernde Familien die diese Kolosse als Maibaum missbrauchen,
Künststudenten die es als moderne kunst empfinden, mit der Aussage "Seht nur wie klein der Mensch ist".

Oder er denkt wie die Leute die unbedingt Atomtest machen wollten.
Im zweifelsfalle unterirdisch! (in der Unterweld soll ja ein rauher Wind wehen ;) :D )

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Du vergißt die Geräuchkulisse von den Dingern. Da können die Brummtongeschädigten gleich auswandern. Ein Mast an exponierter Stelle oder auf freien Feldflächen wie z. B. in der Eifel oder im Hundsrück, wo sich Fuchs und Has' gute Nacht sagen ist ok aber so einen Maibaum möchte ich auch nicht im Garten. Vielleicht stellt Herr Scheer ja seinen zur Verfügung. Er kann ja mal mit gutem Beispiel voran gehen....

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@sockenhoernchen: Deshalb hält man i.d.R. auch einen Mindestabstand von 500 Metern zu bebautem Gebiet.
Eben auch diese Tatsache machts wenig wahrscheinlich, dass dies überhaupt möglich ist. Zumindest nicht in Ballungsgebieten...

@almet: hehehehe...

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Scheer war schon immer für Unsinn gut...
....aber der Scheer der kann´s. Warum? Auf die Frage wieviel 19 % von 100 € seien, wußte jüngst über die Hälfte der Befragten nicht die richtige Antwort. (Ich verrate sie auch nicht). Aber darauf baut er. Das ist erfolgreich und deshalb machen es ihm erfolgreiche Minister wie Gabriel nach. Mit Abschalten der Standby-Geräte für Funk und Fernsehen will er zwei KKW einsparen. Und jeder Pressehansel schreibt´s nach. Beim Nachrechnen sind es dann nur noch 0,2 KKW, aber statt der KKW könnte man richtige 1.600 WKA (die bestehenden haben eine Ø-Leistung/WKA von ca. 1.500.000 kWh, das haben sie jedenfalls 2005 eingespeist) einsparen. Und dann kommt Scheer und will wieder 30.000 neue bauen. Das nennt man dann eine Erfolgsstory der deutschen Wirtschaft.

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Sensationell! Ein Vorbild für alle Studenten: wie kann ich meine falschen Rechenergebnisse doch noch sinnvoll verkaufen? Ha. Der Dozent hat einfach die falschen Maßstäbe. Ich bin begeistert!

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Na keine sorge, diese "tolle" Wind-Idee wird sich auch wieder totlaufen.

Dann ist wieder das "Sahara mit Solarzellen vollstellen, zur Wasserstoff aus Wasseraufspaltung zum Brennstoffzellenbetreieb" Projekt aktuell.

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