Freitag, 12. Mai 2006
China
Sommer 2003, die Bahnfahrt von Wuhan nach Shanghai.
Wir haben Schlafwagen gebucht, weil die Fahrt an die 20 Stunden dauert. Viererabteil. Gegenüber eine Chinesin mit ihrer Enkelin. Sehr nett, sehr freundlich, sehr neugierig, sehr aufgeschlossen.
Radebrechend und mit Händen und Füßen kommunizieren wir ein bißchen. Aber irgendwann ist eben Schluss. Und so geht es eher in Lächeln über...

Die etwa 70 Jahre alte Frau fährt zum ersten Mal in ihrem Leben nach Shanghai. Und zum allerersten Mal in ihrem Leben hat sie sich von der Teenagerenkelin überreden lassen, Pepsi zu kaufen. Erst will sie das nicht trinken und den gesamten Vorrat (immerhin ein Sixpack) der Enkelin überlassen. Aber die kennt keine Gnade. Oma muss mittrinken. Pepsi ist cool. Und wenn Oma Pepsi trinkt, ist auch Oma cool. Und der coole Pepsi-Teen kann dann den Repräsentanten der westlichen Kultur (in dem Fall uns) zeigen, dass auch coole Pepsi-Teens coole Omis haben können. Auch und gerade in China.

So fängt die arme Frau ihrer Enkelin zuliebe an, Pepsi zu trinken. Aus der Dose. Schon das war für sie irgendwie gewöhnungsbedürftig. Tapfer trinkt sie ein paar Schlucke. Vermutlich wäre ihr ein Tee jetzt lieber. Aber sie trinkt weiter. Nix anmerken lassen...


Wir hatten bis dahin schon gut 3 Wochen in China verbracht, und waren nach mehrtägiger Fahrt auf dem Yangtse (Wir beide, 3 Engländer, etwa 150 Chinesen) einiges gewohnt: Abstriche in den hygienischen Standard von v.a. Toiletten hatten wir hingenommen, wir hatten gelernt, dass chinesische Betten u.U. verdammt kurz sein können (1,80m) und wir hatten gelernt, dass einige (nicht alle) Chinesen mit Vorliebe exakt das machen, was ein gewöhnlicher Mitteleuropäer seinen Kindern als allererstes "austreibt": Beim Essen schlürfen und schmatzen. Rülpsen. Rotzen. Und das allerschlimmste: Kotzen. Das war am übelsten: Diese ganz tief aus den hintersten Bronchienwinkeln -mühsam und unter Kraftanstrengung mit entsprechend lauten Begleitgeräuschen- hervorgeholten, wiederkäuartigen Elemente, die selbst in Hotelhallen, Restaurants und in Zügen allgegenwärtig waren. Es war -v.a. in den Hutongs, den traditionellen rein chinesischen "Stadtdörfern"- phasenweise ein Slalomlaufen. Vor einem, hinter einem und überhaupt überall: Immer wieder ein langes und gezogenes "Cccchhhhhhhhhrrrrrhhccchhhh", gefolgt von dem kurzen -den Verursacher augenscheinlich glückseligmachenden- "Tttuuuu".
Irgendwann gewöhnt man sich an alles.


So saßen wir mit der Oma und der Enkelin gemeinsam im Abteil. Wir teilten uns mittlerweile alles mögliche: Wir hatten Tütensuppen, sie hatten Wackelpudding, wir hatten Wasser, sie hatten Kekse. Alles in allem sehr fröhlich und unterhaltsam. Natürlich mussten wir wieder mal mit allen gemeinsam aufs Foto (mich würde wirklich interessieren, in wievielen chinesischen Familienalben ich als Exot herumgereicht werde).
Omi nuckelt noch immer an ihrer ersten Pepsi. Mittlerweile bekommt ihr selbige nicht mehr: Es stößt ihr auf. Vermutlich die Kohlensäure. Also fängt sie an, kontinuierlich zu rülpsen. Fast wie ein Uhrwerk.

Es hört sich extrem witzig an, wenn so eine 70jährige permanent vor sich hin Töne absondert, die man eigentlich sonst eher selten hört.
Dann verzieht sich die Enkelin in den Speisewagen. Das ist die Gelegenheit für die Alte: Sie schenkt uns ihren Anteil Pepsi (2 Dosen) und gibt uns zu verstehen, dass sie das Zeug nicht mag. Wir verstehen: Pepsi trinken bis die Enkelin wiederkommt. Kein Problem.


Die Dimensionen in China sind -was die Lebensräume angeht- oft bescheiden: Die Häuser sind oft klein, eng und niedrig. Betten sind generell zu kurz.
Toilette, Waschbecken und Dusche können durchaus auf 0,6 m² untergebracht sein.
Und so sind auch die Abteile in Zügen recht klein: Höhe: Vielleicht 2,10m. Länge: 2m. Breite: 2m. Und da sind dann 4 Pritschen untergebracht.


Irgendwann steht die Omi auf, dreht sich um und beginnt in dem Gepäck auf der oberen Pritsche herumzukramen. Wir müssen etwas Platz machen, damit sie überhaupt richtig stehen kann. Sie ist keinen halben Meter vom Kopf meiner Reisebegleitung entfernt.
Mitten in das gemächliche Rattern des Zugs ein lautes Geräusch. Richtig laut.

Reisebegleitung: "Ich glaub, die hat mir ins Gesicht gefurzt."

Ein paar Sekunden später riechen wir es....

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*lach*
Wunderbar! Sehr gute Geschichte!
Die passt so gut zu meinen Themen, die werd ich mal verlinken, wenns genehm ist. *grins*
Das mit den Exotenfotos hab ich mich auch schon einmal gefragt. Ich frag mich immer, wie sie mich dann beschreiben würden, wenn sie die Fotos rumzeigen. ;-)

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@zampano: Wenns gut zu deinen Themen passt, es gibt noch ein paar davon....

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Hehe - solche Erlebnisse sind es, die einen Urlaub erinnerungswert machen - was hat man schon von all den Sehenswürdigkeiten, an denen man die Standardfotos gemacht hat, die aber eh jeder schon kennt, dem man davon erzählt? Aber solche Storys sind doch das Salz in der Erinnerungssuppe :)

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Schön. Sehr schön.
Von Menschen, die ganze drei jahre in China verbracht haben, habe ich gelernt, dass Rülpsen, Schmatzen, Furzen und extremes Tischdeckenbeschmutzen dort Sitte sind, geradezu ein Ausdruck des Wohlbefindes, frei nach Luther: Warum rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmecket? Diese haben mir aber auch Geschichten von Affen, deren Kopf in Vorrichtungen in der Mitte eines Tisches eingespannt wurden, na ja, der Rest ist wohl unappetitilich und würde nur der Bestätigung der Veganer-Front dienen. Ein schönes Geschichtchen.

PS: Ich wurde außerdem mal drauf hingewiesen, dass der extrem lang gewachsene Fingernagel an einem Finger eines Chinesen auch eine ganz bestimmte Funktion im Bereich der Nase erfüllt.

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PPS: ...nicht nur im Bereich der Nase. Auch für die Ohren...(die Ohrenreinigung via Fingernagel gehört praktisch zum Standardprogramm einer Haarwäsche beim Friseur)

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boah. bitte in die rubrik männercontent verschieben. *schüttel

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Furzen
ist nicht nur Männersache. Manche Männer übertreibens damit nur manchmal. Ich kannte da mal einen, ich lass es. Hihihi.

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recht haste,. allerdings kenne ich nur männer, die sich darüber so wunderbar auslassen, sich daran erfreuen und sich gegenseitig anstacheln können.

fehlen nach furzen, popeln und langen fingernägeln nur noch die berichte über euren stuhlgang, die wolle im bauchnabel und den klempnerpfirsich.

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Bei Wolle im Bauchnabel fällt mir ein, dass mir immer nachgesagt wird, dass mein Bauchnabel auch wunderbar als Eierbecher zu gebrauchen ist.

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Sehr schöne Geschichte. Wahrlich.

Ich hab übrigens seit Jahren auch so einen Fingernagel. Bin ich jetzt Chinese?
Und was ist ein Klempnerpfirsich?

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ich hab da so eine ganz dunkle Vorahnung, was den Klempnerpfirsich angeht. Liebe Bona, das du solche Sachen weisst - ich bin schockiert!

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Das hilf mir jetzt nicht unbedingt weiter. Gibt´s da keine´n Fachbegriff aus dem Klempnerlehrbandbuch. Oder was Lateinische aus dem "Kleinen Pathologen".

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na stellt doch mal vermutungen an, was wohl mit klempnerpfirsich bezeichnet wird *zwinker

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Sehr schön, gibt es auch ein Bild von der Oma?

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Ja, es gibt eins. Leider aber nicht digital.

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Schade.

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göttlich. *lol*

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Ja, hier werden sämtliche Körperöffnungen noch genutzt... ,-)

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....und sämtliche Körperflüssigkeiten verteilt...

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