Freitag, 13. Oktober 2006
Frühwarnsystem
Der kleine Kevin ist tot. Ein schrecklicher Fall. Ein tragischer Fall. Wieder einer zu viel.

Eigentlich könnte man meinen, dass so etwas sprachlos machen muss. Tut es nicht. Sofort springen die Geier aus Politik und (Boulevard-)Journaille wie die räudigen Köter auf den Fall.
Das arme Kind ist noch nicht unter der Erde, da wird schon von der Bestrafung der Schuldigen (das ist ausgemacht: Das Jugendamt) schwadroniert und von Frühwarnsystem dahergefaselt und davon geplappert, dass man die Kinder nie wieder außer Aug´ lasse.

Ich möchte an dieser Stelle nicht viel Worte verlieren -der Anlass ist schlimm genug-, aber wer so dermaßen blöd daherschwätzt wie eine gewisse Mutterkreuzministerin, der verdient durchaus eine Antwort:
- Es ist leicht über Mittel zu sprechen, die man weder hat, noch bewilligen muss. Das alles kostet Geld und niemand sagt, wo das beim momentanen Sparkurs herkommen soll. Im Gegenteil: Es wird noch heftiger gespart werden.
- Wer seine Mitarbeiter bei den kommunalen Jugendämtern mit 100 und deutlich mehr Fällen pro Stelle eindeckt, sollte vielleicht wissen, wieviel Zeit dem Mitarbeiter effektiv nach Abzug diverser Termine für das jeweilige Kind in etwa bleibt: Geschätzte 10 Stunden maximal (meine Schätzung).
Pro Jahr wohlgemerkt! Da sind Krankheiten und Urlaubsvertretungen noch nicht drin.


Und so werden sich die Unherren und die Dämlichkeiten aus den eigentlich verantwortlichen Stellen dennoch weiter echauffieren und mit toten Kindern Wahlkampf machen. Man mag das Gehabe und Getue widerlich finden. Kevin war nicht der Letzte.

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Aber ist nicht das Problem, das Gesetze und Verordnungen zwar auf dem Papier schön aussehen, aber letztendlich niemand wirklich Verantwortung übernehmen will? Unsere Gesetzeswut dient doch auch dazu, den einzelnen und seinen gesunden Menschenverstand aus der Verantwortung zu entlassen.

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Einerseits vielleicht ja....

...andererseits hat man mit der Wiedervereinigung (neeeeiiiin, die Wiedervereinigung kann da nix für, es war zufällig nur der etwaige Zeitpunkt der Gesetzesnovelle) das sog. SGB VIII (KJHG) (Kinder- und Jugendhilfegesetz) eingeführt. Dieses sieht eine Abkehr von der Praxis der 70er- (und 80er-) Jahre vor, als es damals "relativ einfach" -zumindest im Vergleich zu heute- war, ein Kind aus der Familie zu nehmen. Mit dem neuen KJHG hat man letztlich den eventuellen Widerspruch aus dem elterlichen Recht auf Erziehung (Grundgesetz) und dem Recht des Kindes auf körperliche (und psychische) Unversehrtheit neu geregelt. Mit der Stärkung der elterlichen Rechte.

Die Stimmung damals war nämlich noch etwas anders: Man könne doch nicht dem Staat erlauben, sich in die elterlichen Angelegenheiten einzumischen etc...


In der justiziellen Praxis sieht das heute so aus (zumindest da wo ich herkomme): Es ist relativ schwer (und u.U. langwierig), die elterliche Sorge (gem. §1666BGB; Kindeswohlgefährdung) zu entziehen. Zudem ist es leicht möglich, mittels Umzug schlicht den Landkreis und damit das Jugendamt zu wechseln. Und dann: Alles neu.

Ich kann da gern noch etwas drauf eingehen, aber sonst wirds hier jetzt etwas zu lang....

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Ja,
ich bin auch nicht in der Verfassung zu diskutieren ;-), aber ich stelle generell fest, dass wir (= der Deutsche an sich) uns gerne in Gesetze bis in die feinste Verästelung retten, bloß um nicht selber eine Meinung und Verantwortung haben zu müssen.

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Es gibt unfähige Sozialarbeiter beim Jugendamt und fähige. Es gibt unfähige Lehrer und fähige. Es gibt unfähige Politiker und fähige. Und es gibt unfähige Eltern und fähige.

Pauschalisierungen sind immer unzutreffend.

Details zum Fall Kevin kenne ich nicht (die stehen ja in der Zeitung nie), deshalb will ich mir auch keinen Kommentar zu diesem Fall erlauben.

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Heile Welt?
Dein Kommentar vom 13. 10. 2006 zeigt die Welt so, wie sie sein sollte und vielleicht mancherorts auch ist.
"Da, wo ich herkomme", und bei vielen Anderen auch, sieht es anders aus: Es gibt (1) Gesetze, es gibt (2) Gerichtsbeschlüsse und es gibt (3) das Jugendamt. (3) setzt sich über (1) und (2) hinweg. Wenn das einem Richter nicht gefällt, wird mit dem Direktor des Gerichts telefoniert, und schon kommt der Richter wieder in die Spur.

Dass das so nicht im Gesetz steht, ist mir klar. Aber es ist nun einmal Fakt. Und wenn das Jugendamt sich rechtswidrig verhält, gibt es nichts und niemanden, der ihm Einhalt gebietet. Deshalb beschäftigt sich nun die Europäische Kommission mit der Sache (s. Artikel im Presseblog, den Du ja kommentiert hast).

Ich war in Brüssel und kann bestätigen, dass der Artikel von gefra exakt den Verlauf der Sitzung wiedergibt. Einzelheiten können wir gerne diskutieren, aber das wäre (glaube ich) in diesem Blog nicht von Interesse.

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