Montag, 15. November 2010
Vorbei
Talkshows schaue ich mir eigentlich nur deshalb an, um mir selbst zu zeigen, weshalb ich mir keine Talkshows anschaue. Neulich war mal Anne Will. Und da saß der übliche FDP-Verdächtige. Martin Lindner. Ich weiß nur deshalb, dass es der übliche FDP-Verdächtige ist, weil ich Youtube intensiv recherchiert habe. Scheinbar hat die FDP einen Talkshowbeauftragten.

Früher war der Generalverdächtige der FDP der Westerwelle, aber der hat mittlerweile derart breite Bevölkerungsschichten mit Ausnahme der Hoteliers so sehr beleidigt, dass man den nicht mehr herzeigen kann. Deshalb muss wohl der Lindner ran und man fragt sich: Haben die keinen anderen oder hat der einen Direktvertrag? Oder: Hat der Lindner nix anderes zu tun oder kann er nix anderes? Vermutlich beides, äh, alles.

Vor allem aber fragt man sich: Weshalb darf der ungestoppt vor sich hinschwallern? Sagt dem keiner, dass er jetzt doch bitte besser die Fresse halten möge? Weshalb lässt man den die x-te Regierungserklärung erneut rekapitulieren, weshalb darf der für umme Wahlkampf machen und das im öffentlich-rechtlich finanzierten Fernsehen und völlig ungehemmt und unwidersprochen?

Da haben wir das Problem. Irgendwo im öffentlich-rechtlichen Medium (von den privaten reden wir gar nicht erst), ist man wohl der Meinung, man brauche zu einem Thema einen Politiker und -bitte- das muss ja wohl zwangsläufig ein Experte sein, kann ja gar nicht anders, weil sonst säße er ja nicht da.
Das ist der Fehler. Sloterdijk nannte es den Monolog von Authisten und er hat Recht. Es ist ein Politsprech, den der normal tickendende gar nicht mehr verstehen will. Nicht nicht kann.

Sie reden an allen vorbei. Sie reden an allen vorbei, wenn nach der Loveparade in Duisburg vier Leute auf einem Podium hocken und einzig erklären, weshalb sie nichts mit dem Thema zu tun haben. Sie reden an allen vorbei, wenn sie in Winnenden hocken und erstmal eine Stunde erklären, weshalb sie nicht verantwortlich sind. Und sie reden auch an allen vorbei, wenn sie erklären wollen, dass "Sprühregen" Augen ausgeschossen habe. Sie reden auch an allen vorbei, wenn sie erklären wollen, weshalb so eine Laufzeitverlängerung "alternativlos" sein soll. Sie reden an allen vorbei in Sachen Afghanistan, sie reden meist an allen vorbei.

Die Leute interessieren sich nicht für Regierungserklärungen. Nicht mehr seit sie an allen vorbeireden.

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Kurt und der Abfall
Kennen Sie Kurt Widmaier? Nein? Den müssen Sie auch nicht kennen. Der Mann ist Landrat des Landkreises Ravensburg, eine beschauliche Stadt mit zig Türmen in Südwürttemberg. Als solcher wäre er mir eigentlich kaum eine Zeile wert. Der Mann ist aber nicht nur Landrat eines eher ländlich-bäuerlich geprägten Kreises sondern einer der mächtigen Männer der Republik. Einer der mehr hinter den Kulissen die Strippen zieht. Aber keine kleinen Strippen. Strippen, die Auswirkungen bis nach Gorleben haben. Wie das ein kleiner Landrat kann?

So: Der Landrat von Ravensburg ist in Personalunion gleichzeitig auch Vorsitzender der OEW, der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke. Ein Zusammenschluss mehrerer Körperschaften aus insgesamt 9 Landkreisen, vornehmlich im südlichen Württemberg. Das klingt erstmal mächtig provinziell, ist es aber nicht. Weil die OEW einer der beiden großen Teilhaber der EnBW ist und die EnBW wiederum ist der drittgrößte Energiekonzern Deutschlands. Der andere Teilhaber (in gleichen Teilen) ist die EdF (Électricité de France).

Nun könnte man sich freuen, dass so ein Energieversorger zu 45% in mehr oder weniger Staatsbesitz ist. Könnte man. Man könnte sich aber auch fragen, wie die Energie gewonnen wird und weshalb alle baden-württembergischen Ministerpräsidenten allesamt, sonders und durchgängig ausnahmslos so große Anhänger der Kernenergie waren und sind.

Vielleicht weil die EnBW der Energieversorger ist, der bundesweit die höchste Atomstromquote hat? Der Mix sieht nämlich so aus:
Atom: 57% (Bundesdurchschnitt: 25%)
Erneuerbare Energie: 11% (Bund: 16%)
Fossil: 32% (Bund: 59%)

Zugegeben: Der hohe Anteil an Kernkraft kommt auch durch die EdF zustande, die eigentlich so gut wie nix anderes tut als AKWs zu betreiben, aber eben nicht nur: Selbst einzig auf Deutschland heruntergerechnet -und damit auf das, was einzig die OEW betreibt- steht eine doppelt so hohe Kernkraftquote wie in Restdeutschland.

Deshalb dürfen Sie bei den näxxten Bildern aus Gorleben sehr gerne mal an den Kurt in seinem beschaulichen Städtchen mit den zig Türmen denken. Was Sie nicht dürfen: Auf Änderung hoffen. Während bereits Schwaben an sich als eher konservativ gelten, trifft das in noch viel größerem Maße auf Oberschwaben zu und das Kurtle kommt aus dem allerallertiefsten Oberschwaben. Dort werden auch Rindviecher in entsprechende Positionen gewählt, solange sie nur das schwarze Parteibuch haben. In der Gegend gibt es nur zwei Institutionen von Relevanz: Gott aka die katholische Kirche und die CDU.

Und: Die Macht der Landräte darf man nicht unterschätzen. Wahlen werden in Baden-Württemberg in der Fläche gewonnen, nicht in Stuttgart, Freiburg, Heidelberg oder Tübingen. Der Einfluss dieser Lokalfürsten ist daher nicht klein. Raten Sie doch mal, wo die baden-württembergischen AKWs stehen. Ein kleiner Tipp: Nicht auf OEW-Gelände.

   ... Poly-Tikk
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