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Dienstag, 21. November 2006
Cold War Kids
gorillaschnitzel, 08:22h
In den 80ern kulminierte der Kalte Krieg seinem Höhepunkt entgegen. Das war die Zeit des NATO-Doppelbeschlusses, der Friedensbewegung mitsamt den Ostermärschen und dem Auftauchen von Michail Gorbatschow.
Damals war ich nicht mehr so jung, als dass ich nichts davon kapiert hätte, aber eben auch noch nicht alt genug, das en detail zu verstehen. Aber immerhin hatte meine Generation mit 10 oder 12 Jahren schon ein stattliches Repertoire an Schlagwörtern drauf, die sie in diesem jungen Alter besser nicht draufgehabt hätte: Pershing II, SS-20 oder auch Atomtod.
Es war die Zeit der Katastrophenstimmung. Irgendwie schien alles kaputtzugehen. Der Wald starb, in Tschernobyl gabs nen Super-GAU, es gab sauren Regen, das Ozonloch, auf der ganzen Welt zig Hungersnöte und dann noch der Kalte Krieg und sein Atomwaffenpotential.
Der Weltuntergang schien nur eine Frage der Zeit. Gudrun Pausewangs "letzte Kinder von Schewenborn" war Standardliteratur im Deutschunterricht. Gott, waren wir froh, dass das Buch in Frankfurt spielte und nicht hier....
Die größte Sorge aber die wir uns bei der ganzen Situation machten, war die, ob uns noch genug Zeit bis zum ersten Sex bleibt, ehe dann an Ammargeddon der Hobbessche Leviathan am Himmel erscheint und alles in seinem Sog hinabreißt. 1985 schien es ziemlich unwahrscheinlich, dass es überhaupt mit dem Jahr 2000 klappt.
Und so waren wir einiges gewohnt. Angesichts des Dilemmas war es ohnehin ziemlich wurschd, ob man nun verseuchte Pilze isst oder sein Brot mit viel zu viel Nutella bestrichen hatte.
Lange Zeit drückte sich die militärisch-politische Situation in der Kleidung aus: Die meisten trugen Bundeswehrparkas. Nicht weil die sonderlich komfortabel gewesen wären, sondern weil vermutlich die Bundeswehr in den 80ern alle Soldaten unter 160 cm aussortiert hatte und mittlerweile ein Riesensortiment alter Parkas entsorgt werden musste. Einige wenige trugen Barbourjacken. Das waren die Unternehmerkinder. Anfangs waren wir da ziemlich neidisch. Das legte sich dann aber, als alle feststellen mussten, dass die Jacken komplett wasserdicht sind und zwar nach innen und außen, was wiederum gewisse Gerüche nach sich zog. Nach und nach wechselten dann einige zu Bomber- und Fliegerjacken.
Im Alter von etwa 8 oder 9 endete meine Modellbaukarriere abrupt. Das war als mein Vater dezent darauf hingewiesen hat, doch nicht einen der F-16-Kampfjets zu bauen sondern lieber einen Mercedes 190. Das war der Punkt, an dem ein grundlegender Wandel bei uns deutlich wurde: Die Linke hatte sich endgültig mit dem Kapitalismus angefreundet, das Godesberger Programm war auch im allerletzten Haushalt angekommen und gleichzeitig distanziert man sich von der amerikanischen Schutzmacht und begibt sich in eine nonchalante Neutralität, die der gesamten Bundesrepublik teilweise gut zu Gesicht gestanden hätte.
Und so erfanden die friedliebenden Eltern alle möglichen Tricks, uns das Kriegsspielzeug aus den Händen zu reißen: Zum Beispiel Tauschbasare politisch korrekter Mütter, die dann Soldaten gegen Bücher tauschten.
Uns aber konnten sie damit nicht beeindrucken. Wir wussten phasenweise besser, wie der Hase läuft. Wir waren keine Wirtschaftswunderkinder, wir waren Cold War Kids. Und die waren "hard to kill", wie einmal Billy Joel sang. Wir waren nicht in den bescheidenen 50ern aufgewachsen, wo jede Errungenschaft zelebriert wurde. Nein. Wir waren es gewohnt, etwas geboten zu bekommen. Ein Teil von uns waren ohnehin verwöhnte Einzelkinder, der Pillenknick hatte zusätzlich nur die Allerbesten zu Tage gefördert, die Gesamtsituation stand insgesamt ziemlich beschissen und darum verdammt nochmal wollten wir was geboten kriegen.
Aus heutiger Sicht sind das alles ziemlich selige Zeiten. Damals wussten wir eben noch nicht, dass irgendwann mal der Ernst des Lebens losgeht, wir Mieten zahlen mussten, uns um Arbeit kümmern mussten und dringend eine Haftpflichtversicherung und eine Riesterrente brauchen. Das alles kam recht überraschend über uns und wir reagierten mit dem uns angeborenen Fatalismus. Aber das konsequent. Das können wir.
Damals war ich nicht mehr so jung, als dass ich nichts davon kapiert hätte, aber eben auch noch nicht alt genug, das en detail zu verstehen. Aber immerhin hatte meine Generation mit 10 oder 12 Jahren schon ein stattliches Repertoire an Schlagwörtern drauf, die sie in diesem jungen Alter besser nicht draufgehabt hätte: Pershing II, SS-20 oder auch Atomtod.
Es war die Zeit der Katastrophenstimmung. Irgendwie schien alles kaputtzugehen. Der Wald starb, in Tschernobyl gabs nen Super-GAU, es gab sauren Regen, das Ozonloch, auf der ganzen Welt zig Hungersnöte und dann noch der Kalte Krieg und sein Atomwaffenpotential.
Der Weltuntergang schien nur eine Frage der Zeit. Gudrun Pausewangs "letzte Kinder von Schewenborn" war Standardliteratur im Deutschunterricht. Gott, waren wir froh, dass das Buch in Frankfurt spielte und nicht hier....
Die größte Sorge aber die wir uns bei der ganzen Situation machten, war die, ob uns noch genug Zeit bis zum ersten Sex bleibt, ehe dann an Ammargeddon der Hobbessche Leviathan am Himmel erscheint und alles in seinem Sog hinabreißt. 1985 schien es ziemlich unwahrscheinlich, dass es überhaupt mit dem Jahr 2000 klappt.
Und so waren wir einiges gewohnt. Angesichts des Dilemmas war es ohnehin ziemlich wurschd, ob man nun verseuchte Pilze isst oder sein Brot mit viel zu viel Nutella bestrichen hatte.
Lange Zeit drückte sich die militärisch-politische Situation in der Kleidung aus: Die meisten trugen Bundeswehrparkas. Nicht weil die sonderlich komfortabel gewesen wären, sondern weil vermutlich die Bundeswehr in den 80ern alle Soldaten unter 160 cm aussortiert hatte und mittlerweile ein Riesensortiment alter Parkas entsorgt werden musste. Einige wenige trugen Barbourjacken. Das waren die Unternehmerkinder. Anfangs waren wir da ziemlich neidisch. Das legte sich dann aber, als alle feststellen mussten, dass die Jacken komplett wasserdicht sind und zwar nach innen und außen, was wiederum gewisse Gerüche nach sich zog. Nach und nach wechselten dann einige zu Bomber- und Fliegerjacken.
Im Alter von etwa 8 oder 9 endete meine Modellbaukarriere abrupt. Das war als mein Vater dezent darauf hingewiesen hat, doch nicht einen der F-16-Kampfjets zu bauen sondern lieber einen Mercedes 190. Das war der Punkt, an dem ein grundlegender Wandel bei uns deutlich wurde: Die Linke hatte sich endgültig mit dem Kapitalismus angefreundet, das Godesberger Programm war auch im allerletzten Haushalt angekommen und gleichzeitig distanziert man sich von der amerikanischen Schutzmacht und begibt sich in eine nonchalante Neutralität, die der gesamten Bundesrepublik teilweise gut zu Gesicht gestanden hätte.
Und so erfanden die friedliebenden Eltern alle möglichen Tricks, uns das Kriegsspielzeug aus den Händen zu reißen: Zum Beispiel Tauschbasare politisch korrekter Mütter, die dann Soldaten gegen Bücher tauschten.
Uns aber konnten sie damit nicht beeindrucken. Wir wussten phasenweise besser, wie der Hase läuft. Wir waren keine Wirtschaftswunderkinder, wir waren Cold War Kids. Und die waren "hard to kill", wie einmal Billy Joel sang. Wir waren nicht in den bescheidenen 50ern aufgewachsen, wo jede Errungenschaft zelebriert wurde. Nein. Wir waren es gewohnt, etwas geboten zu bekommen. Ein Teil von uns waren ohnehin verwöhnte Einzelkinder, der Pillenknick hatte zusätzlich nur die Allerbesten zu Tage gefördert, die Gesamtsituation stand insgesamt ziemlich beschissen und darum verdammt nochmal wollten wir was geboten kriegen.
Aus heutiger Sicht sind das alles ziemlich selige Zeiten. Damals wussten wir eben noch nicht, dass irgendwann mal der Ernst des Lebens losgeht, wir Mieten zahlen mussten, uns um Arbeit kümmern mussten und dringend eine Haftpflichtversicherung und eine Riesterrente brauchen. Das alles kam recht überraschend über uns und wir reagierten mit dem uns angeborenen Fatalismus. Aber das konsequent. Das können wir.
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