Donnerstag, 6. September 2007
Biennale 1.0

Biennale Nummero 52 zu Venedig. Mit dem schönen Motto. Zumindest ist es plastischer als das in Kassel und auch die Stadt selbst ist doch ein klein wenig sehenswerter als die nordhessische Provinz...

Die Schweiz. Was wäre die Schweiz für ein wundervolles Land. Ohne einen guten Teil seiner Bevölkerung zumindest. Der Teil nämlich, der kleinkariert und spießig ist und in allerschlechtester Zwinglitradition vor sich hinprotestantiert. In der Kunst aber sind sie gut. Eine gute Installation ist der eine Teil, schöne, bunte Malereien der andere Teil. Und damit nähern wir uns den besseren Momenten der Schweiz: Schoki, Berge und die immerwährende Neutralität.


Venezuela. Wunderschöne Fotos im Großformat von Antonio Briceño. Die Farben, die Weite, das Motiv, die Natur, die Menschen...
Herrliche Statements in Richtung Indios.
Einfach nur schön. So einfach und schön und relativ unspektakulär kann Kunst sein.


Deutscher Pavillon. Titel: Oil. Gut, es ist Kunst und bei Kunst muss sich einem nicht immer unbedingt erschließen, in welchem Zusammenhang die Objekte zum Titel der Ausstellung stehen und warum Isa Genzken Koffer im Raum plaziert oder Galgenstricke von der Decke hängen. Aber dieser verzierte Totenschädel ist zwar irgendwie ganz nett, gleichzeitig aber doch etwas inkonsequent. Dann doch lieber das Original von Damien Hirst.
Immerhin die Idee, den pseudoneohellenistischen Pavillon aus der Mussolini-Zeit mit Planen zuzuhängen, war hervorragend. Spätestens dann, wenn man den etwas überdimensionierten und mindestens ebenso wüsten italienischen Pavillon sieht.

Dänemark und all die skandinavischen Nachbarn sind recht unterhaltsam. Das beginnt schon mit dem Namen des Künstlers: Troels Wörsel. Mal ehrlich: Da ist der Name schon pure Kunst. Wie überhaupt all diese Sprachen herrlich viele ö aufweisen. Vielleicht ist Tröööls Wöööörsel in Ööööslööö geboren. Oder wenigstens in Kööööbnhöööövn oder Malmöööö.
Wer Troels Wörsel heißt, ist schon per Taufe ein großer Künstler. Ganz sicher. Und seine Bilder sind einfach gut.
Und auch sonst hängen lustige Dinge herum. Eine 20 x 5 Meter große Wand voller Dartscheiben beispielsweise. Leider durfte man die grade nicht bewerfen.

Der komplette Gegenentwurf zu den totalitären und übermonumentalen Pavillons aus der Mussolinizeit ist der Pavillon, der von Alvar Aalto entworfen wurde. Nordisch by Architecture. Und irgendwie schaffen es diese Skandinavier immer wieder, mich designerisch zu überzeugen. Sogar bei IKEA.
In Herrn Aaltos nettem Häuschen steht ein Boot auf Glasscherben. Und nu weiß ich auch, wo all meine Olivenöl- und Weinflaschen gelandet sind, die ich im Altglascontainer entsorgt glaubte.
Schön anzusehen ist es trotzdem.

Die ganz großen Größen sind gottseidank auch vertreten: Baselitz und Gerhard Richter. Würde ich glatt mitnehmen, wenn sie nicht so großformatig wären.



Russland. Ein paar nette Installationen, bei denen man den Eindruck hat, dass sie in der Endlosigkeit verschwinden, dazu schön zu sehende Filmchen inklusive einer Reminiszenz an den guten, alten Richard Wagner (der es ja immerhin geschafft hat, zu Venedig seinen letzten Odem auszuhauchen und dahinzuscheiden; wo sonst sollte man auch sterben, als Komponist Richard Wagner?). AES+F: Last Riot (Ausschnitt).

Insgesamt provokant, aber auf eine Weise, die Putin daheim nicht weh tut.

Die schönste, weil auch irgendwie bescheidenste Idee, kommt von Julia Milner: Auf Großleinwand flimmert in zig Sprachen die Phrase "Ich hoffe" durch und kann dann geklickt werden. Und im Internet wird auch gleich mitgezählt (und flimmert dann direkt in Venedig). Sehr schöne Idee. Click I hope

Immer wieder tauchen dann auch politische Beiträge auf. Deutlich mehr und viel präsenter als auf der documenta in Kassel beispielsweise. Nur: Vieles ist künstlerisch so absehbar und wirkt daher -im Kunstsinne- einfach nur platt. Obduktionsberichte aus Afghanistan und Angriffspläne der NATO finde ich auch im SPIEGEL (und dieses Blatt würde ich nun nicht gleich zur Kunst erklären wollen). Auch sind bei weitem nicht alle Aspekte abgedeckt. Konzentrieren tut sich das meist auf Irak oder Afghanistan und wirkt dann auch eher plump und konstruiert. Bedauerlich. Wie man es aber richtig macht und dann doch etwas recht beeindruckendes hinstellt, zeigen wieder die Skandinavier. Dort hat Adel Abidin, gebürtig aus Baghdad, ein Reisebüro eingerichtet, das Reisen nach Baghdad anbietet. Inklusive Werbeposter, Reiseführer und Terminal.

Internet: abidintravels.com

....und weil die Biennale so umfangreich ist, wird das demnächst fortgesetzt....

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