Freitag, 25. Februar 2011
Hanoi
Das ist Asien! Quirrlig, bunt, lebhaft, pulsierend. Es sind die Farben, das Leben, die Gerüche. Es ist faszinierend. Okay, es ist auch sehr stressig, weil es extrem laut ist, aber sogar daran gewöhnt man sich recht schnell. Kurz: Es ist Asien pur.

Hanoi ist einzigartig. Es ist ein Chaos. Und keiner weiß so recht, wie es funktioniert. Aber es funktioniert. So hat es zumindest mal den Anschein. Ein bißchen ist es wie mit dem Verkehr dort. Da weiß auch keiner so recht, wie das gutgehen kann, aber meistens klappt es dann doch einigermaßen.
Wenn Sie aber mal wissen wollen, wie das alltägliche Chaos aussieht: Es gibt dort den Job des Motorrollerparkers. Das ist sehr anspruchsvoll, weil die Parkplätze erstens recht groß sind, zweitens immer überfüllt, drittens ein Haufen Rollerfahrer zwecks Parken anstehen, viertens ein Haufen Rollerfahrer ihre Roller abholen möchten und fünftens die parkenden Roller permanent hin und her verfrachtet werden um Platz für kommende und gehende zu verschaffen. Als Rollerfahrer hilft es also überhaupt nicht, sich zu merken, wo man das Ding abgestellt hat. Dort wird es schon 10 Minuten später nicht mehr stehen. Es braucht also einen Einparker der wirklich den Überblick über mehrere Hundert Roller hat.



Wie ich später herausfinden werde ist Hanoi im Vergleich zu anderen vietnamesischen Städten eher traditionell. Nicht unbedingt rückständig, aber Hanoi ist keine "Businessmetropole" wie andere asiatische Großstädte (Singapur, Bangkok etc). Ich kann es nicht erklären, aber Hanoi fasziniert mich sehr. Vor allem die Altstadt. Hier ist jede Straße nach dem passenden Gewerk aufgeteilt. In der Hang Bac sind es die Juweliere und wenn Sie weiter nach Norden gehen kommen die Lebensmittel, ein Schwenk nach Osten und Sie finden Spielsachen, danach dann Schlosser, Eisenwaren und irgendwann mal Maler. Es ist, als ob man ständig neue Quartiere erkundet. Es ist eine sehr faszinierende Stadt. Sie begeistert.



Sehr faszinierend ist beispielsweise die Fähigkeit unheimliche Mengen an Waren auf kleinen Gefährten zu transportieren. 3 Schweine auf einem Moped sind möglich. Ein Strauß von etwa 40 Hühnern auch.





Irgendwie scheinen alle und dauerhaft mit Handel beschäftigt. Getränke, mobile Garküchen, gefälschte und schlecht kopierte Bücher. Es gibt beinahe nichts, was es nicht gibt und wenn es um Essen geht: Es ist immer lecker. Von Pho, der allgegenwärtigen Nudelsuppe, bis Reis mit Scheiß. Nur an Kühlketten sollten Sie besser nicht denken.







Vietnam ist Bierland. Es gibt unzählige Marken und einige davon sind durchaus trinkbar. Speziell in Hanoi aber gibt es noch Bia Hoi: Frisch gebraut aus Fässern direkt auf der Straße ausgeschenkt in einer Art vietnamesischer Ausgabe eines Biergartens nur ohne Garten. Sie sitzen auf Kinderstühlchen die für die sozialistische Einheitsgrößen von Vietnamesen ausgelegt sind, aber definitiv nicht für Mitteleuropäer. Dafür aber kriegen Sie ein Glas sehr leckeres Bier für 3000 bis 4000 Dong, was wiederum so etwa 20 Cent sind. US-Cent, nicht Euro-Cent. Ganz ehrlich: Die Frage, ob man noch eins trinkt, die stellt sich da gar nicht erst.



Jetzt müssen wir noch ein bißchen was übers Wasserpuppentheater verlieren. Das sollten Sie sich wirklich anschauen, wenn Sie mal in Hanoi sein sollten. Das gibt es zwar auch im Süden Vietnams, aber es stammt ursprünglich aus dem Norden und wenn, schaut man sich schon das Original an.



Erstmal haben Sie da eine nette Combo, die musiziert. Was die Dame im Vordergrund spielt nennt sich Dan Bau, hat nur eine Saite und ist wirklich abartig schwer zu spielen, ich habs mal versucht.
Mindestens genauso schwierig ist dann die Sache mit den Wasserpuppen. Zumindest wenn man weiß, wie es funktioniert: Die Akteure stehen hüfthoch im Wasser, sehen nicht, was sie machen und müssen ihre Puppen anhand langer Stangen durchs Wasser bewegen. Dabei sind teilweise auch Arme, Köpfe und Beine der Puppen voll beweglich. Sie sagen, es sei eine mehrjährige Ausbildung nötig, bis man es drauf hat.





Der Hoan Kiem-See bei Nacht. Kitschige Beleuchtung beherrschen sie wirklich perfekt.



In der vietnamesischen Sagenwelt hat der See eine große Bedeutung. Angeblich hat eine im See lebende Schildkröte den Vietnamesen zum Sieg über die chinesischen Okkupatoren verholfen, weshalb in vielen Tempeln Vietnams immer wieder Schildkröten gehalten werden und auch sonst immer wieder etwa als Skulpturen auftauchen. Schildkröten lebten dort tatsächlich mal, nur ob sie das immer noch tun, darüber streiten die Vietnamesen: Die Traditionalisten sagen ja, etwas aufgeschlossenere Menschen behaupten, dass der vietnamesische Staat dort regelmäßig Jungtiere aussetze, die aber von der Bevölkerung immer wieder rausgefischt und als Haustiere gehalten werden. Gesichert ist nur die letzte Sichtung vor ein paar Jahren und ein uraltes Riesenexemplar, das man vor 40 Jahren gefunden hat.




Nun hätten wir noch ein paar zerstreute Allerleifotos:


Hells Angels Hanoi are riding again


Preparing for Tet (rot steht für Glück, goldgelb symbolisiert Reichtum)


Mobile shop


Nice tree


Lamp


Colours


Pet semetary


Notre Dame, Vietnam edition


Mittendrin statt nur dabei

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Mittwoch, 23. Februar 2011
Halong
Ehe wir uns in Richtung erste Etappe aufmachen, könnte ich Ihnen mal schnell meinen allerallerersten Eindruck von Vietnam schildern. Die ersten zwei Stunden. Dazu müssen Sie sich kurz vorstellen, dass Sie erstmal 11 Stunden nach Seoul fliegen, dort dann 8 Stunden Aufenthalt haben und sich mal kurz Incheon anschauen, danach der Anschlussflug so grob eineinhalb Stunden Verspätung hat und Sie dann nochmal 5 Stunden nach Hanoi fliegen. Ankommen tun Sie Schlag Mitternacht und da haben Sie schon einen gewaltigen Jetlag weg.
Nun geht es an die Verhandlungen mit der örtlichen Taximafia. Sie handeln den Kerl dann runter von 30 Dollar auf 15, was noch so einigermaßen angemessen ist, vor allem angesichts dessen, dass der letzte Dollar runterhandeln nochmal so grob 10 Minuten gedauert hätte und 1 Dollar war mir 10 Minuten Schlaf wert.
Danach fahren Sie eine Dreiviertelstunde durch eine nächtliche Stadt und am Ende findet der Taxifahrer das Hotel erst nach längerer Suche.
Dann springt die Hotelnachtwache raus, reißt die Tür auf und drückt Sie über die Schwelle mitsamt dem Rucksack, den Sie geschultert haben. Vor Ihnen stehen nun drei Motorräder und er bedeutet Ihnen, dass Sie da jetzt drüberklettern müssen, was grade so möglich ist ohne größeren Lärm oder Schaden anzurichten.
Sie stehen nun in der eher eng bemessenen Hotellobby und gleichzeitig vor einem schlafenden Bündel Mensch, das sich direkt vor der Rezeption auf dem Fußboden breitgelegt hat. Darüber müssen Sie auch noch steigen.

Es war halb zwei in der Nacht als ich dann auf dem Bett gesessen bin, ein Bier in der Hand und mich gefragt habe, wo ich eigentlich gelandet bin.



So. Nun müssen wir aber endlich mal loslegen. Mit der Halongbucht. Wenn Sie mal die Googlebildersuche bemühen, werden Sie sehen, was für eine sensationelle Region das ist. Bei Sonnenschein. Ganz ungeschminkt müssen wir hier nun einräumen: Das Wetter war bescheiden. Ziemlich bescheiden. Es nieselte immer wieder, es war kalt und sehr windig. Daher deutliche Punktabzüge bei der Foto-B-Note.



Aber selbst bei schlechtem Wetter und nicht ganz idealer Sicht hat die Gegend noch was. Mysthisch sieht das aus mit den nebelverhangenen Hügeln, die da zu Hunderten und Tausenden aus dem Wasser ragen.





Funktionieren tut die Rumsegelei so: Sie buchen sich 1, 2, 3 oder mehr Tage auf einer Dschunke und haben dann die Auswahl zwischen Superluxus und völlig dubiosen Dumpinganbietern. Letzteres sollten Sie unbedingt bleiben lassen. Einerseits weil bei denen die Besatzung miserabel bezahlt wird, andererseits leidet die Sicherheit und so endete vor ein paar Tagen eine Reise in einer Katastrophe.



Ich bemerke übrigens bei mir mittlerweile eine ziemliche Abneigung gegenüber einem gewissen Teil der Backpackerszene und zwar denen gegenüber, die sich ein Flugticket von -sagen wir mal- 800 oder 900 Dollar kaufen um herzufliegen, dann eine Tour für 200 Dollar buchen, anschließend aber nur Wasser trinken, weil das nämlich umsonst ist, permanent davon sprechen, dass man "on a budget" sei und hinterher noch nicht mal 5 Dollar für die Besatzung (mit der sie 3 Tage unterwegs waren) rausrücken wollen, weil im Lonely Planet stünde, dass Trinkgeld in Vietnam völlig unüblich sei.



Jetzt wird es aber noch Zeit für einen kleinen Exkurs dahin, was in Vietnam mit am meisten genossen werden kann: Essen. Die Küche ist außerordentlich vielfältig und ich habe während meiner Zeit in Vietnam nicht ein einziges mal etwas hingestellt bekommen, das ich nicht für lecker befunden hätte.
Richtig durchgeknallt sind die Vietnamesen aber dann, wenn es um Kunstwerke aus Essen geht. Da wird geschnitzt und gewerkelt und das Ergebnis dessen sieht dann mitunter so aus (eine detailgetreue Nachbildung der Dschunke, komplett aus Karotten, Papaya, Ananas und anderem Gemüse gefertigt):



In der Halongbucht leben seit zig Zeiten Fischer und sie lebten jahrhundertelang das immer selbe Leben auf schwimmenden Dörfern oder in den Höhlen der Inseln. Bis die Zivilisation kam. Das brachte vieles durcheinander. Abfallentsorgung übers Meer funktioniert mit organischen Resten bestens. Fischfutter. Nicht aber mit Plastik. Weil aber der Titel "UNESCO-Weltkulturerbe" für den vietnamesischen Staat aus Tourismusgründen hoch interessant ist, kümmert sich der Staat um die Fischer. Da mag man nun zwiegespalten sein, weil sich die Fischerfamilien mindestens teilweise vom traditionellen Leben verabschieden müssen weil nun täglich Boote mit Touristen umherschippern, andererseits fließen viele Entwicklungshilfegelder -auch aus Deutschland- hier her und kommen durchaus auch an: Schulen, Gemeinschaftshäuser, kleine Krankenstationen und eine bescheidene Fischzucht haben das Leben dort verbessert und ermöglichen zumindest mal Alternativen. Zudem kaufen halbwegs seriöse Dschunkenbetreiber ihren Proviant bei den Fischern.





Aber noch immer unterscheiden sich die Menschen hier von "Durchschnittsvietnam". Schulbildung gibt es nun zwar, aber die endet spätestens mit dem 12. Lebensjahr. Andererseits sind es sehr herzliche Menschen und weit zurückhaltender, ruhiger und entspannter als die Vietnamesen in den Städten.

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Montag, 21. Februar 2011
Good morning Vietnam Germany
Dieser vollkommen gelungen misslungenen Überschrift dürfen Sie entnehmen, dass ich wieder in heimischen Längen- und Breitengraden weile.
Ehe wir nun gemeinsam an allerlei Fotos gehen, muss so ein etwas verquerer Metabeitrag her. Meta ist toll, Meta kommt immer super ehe man dann medial in res geht und ob Sie es nun glauben oder nicht, ich kannte da mal eine die mit Nachnamen auch noch Würstle hieß. Oder auf Deutsch: Sie müssen sich jetzt durch allerlei Kuddelmuddel quälen, weil das hier jetzt ganz viel Durcheinander werden wird. Schließlich war ich unterwegs. Lange. Aber wie es sich gehört, habe ich natürlich auch was mitgebracht. Hoffentlich allen.

Fangen wir aber mal von vorne an:

Ich hatte das Oderauchnichtvergnügen, mit der besten Fluglinie der Welt zu fliegen, was ich aber auch erst herausgefunden habe als ich im Flieger saß, weil man als beste Airline der Welt mit sowas schließlich ja auch mächtig Werbung machen kann muss. Davor hielt ich es für eine fragwürdige asiatische Billigairline, die mit geknechtetem Personal arbeitet und Flieger in der Flotte hat, bei denen die Passagiere noch selbst mitstrampeln müssen.
Mit der angeblich besten Airline der Welt gings dann gen angeblich zweitbesten Flughafen der Welt, der auch mal Nummer eins war, wie die Jacken der Flughafenmitarbeiter ganz fett auf dem Rücken anzeigen.

Theoretisch klingt das ja ganz gut, aber so ein Flug ist halt auch nur ein Flug, auch wenn das Entertainmentprogramm nicht ganz schlecht, das Essen für Flugzeugverhältnisse recht passabel, die Kundenfreundlichkeit dank Einheitsnamen (Mrs. Kim) enorm und der ausgeschenkte Whiskey immerhin ein 18jähriger Chivas Regal ist.

Ich hatte damit anlässlich von insgesamt etwa 35 Stunden Hin- und Rückflug ausreichend Gelegenheit, diverse Studien anzustellen und komme zu folgenden Schlüssen:

1.) Die Koreaner haben nen Schuss und zwar so richtig gewaltig. Arbeiten tun die erst nachdem sie zusammen so eine Art gemeinsames Motivationsgebet gesprochen haben und sich dann nochmal gemeinsam vor der Kundschaft verbeugt haben. Davor sind sie überhaupt nicht empfänglich für Ansprachen oder Rückfragen der Kundschaft.

2.) Die Koreaner haben nen Schuss und zwar so richtig gewaltig. Da servieren die futtermäßig Bibimbap, was sich ja erstmal lustig anhört und auch sehr schön anzusehen ist. Wunderschön hat man da Gemüse und Fleisch arrangiert. Es sieht aus wie ein Gemälde.
Und dann kommt das: Man haut Reis rein, schmiert tonnenweise Chilipaste drüber und vermischt das alles zu einem einzigen Riesenmatsch, der in etwa so aussieht wie widergekäutes Gulasch.

3.) Ich weiß nun, weshalb mein Spielfilmkonsum auf Null gesunken ist. Hollywood produziert nur noch Käse. Wenn schon Langeweiler wie "Social Network" und "Inception" auf der Oscarnominierungsliste stehen: Gutnacht.

Ich könnte Ihnen jetzt noch kurz vor der Souvenirübergabe ganz auf die Schnelle noch meine Überlegungen hinsichtlich Essen in Fliegern darlegen und darum mache ich das. Ich kam damals während eines Flugs nach New York drauf. Weil nämlich die Amis alles von mir wissen wollten und wirklich alles schon vorneweg und jetzt auch fast alles von mir haben und wissen: Sie haben meine Fingerabdrücke, mein Foto, insgesamt drei Anmeldungen, sie wissen wann ich kam und ging, sie wissen in welchem Flieger ich wo saß und wahrscheinlich wissen sie auch, was ich gegessen habe und genau beim Ausfüllen der kleinen grünen Einreisekarte und dem Nachgrübeln über der Frage, ob ich während des Zweiten Weltkriegs an Kriegsverbrechen oder dem Holocaust beteiligt war, genau da kam die Überlegung, möglichst terrorunverdächtig zu wirken und daher habe ich mir damals vorgenommen, im Flieger Schwein zu bestellen obwohl ich das gar nicht recht mag. Aber soll ich Ihnen was sagen? Es gibt gar kein Schwein im Flieger. Nie. Stattdessen fast immer Hühnchen. Ich gelangte dann zum Ergebnis, dass es so viele Hühner gar nicht geben kann, wie an einem durchschnittlichen Flugtag in den Fliegern so verspeist wird. Leider dauerte der Flug dann doch nicht so lange, als dass ich meine Überlegungen hätte näher verifizieren können.

Nun aber zurück zum eigentlichen Thema, wobei dieser Beitrag ja gar nix thematisches hat außer keinerlei Thema. Aber wenn Sie jetzt schon so weit gedrungen sind ohne wegzuklicken und ohne ein einziges Foto gesehen zu haben: Glückwunsch. Es kann wird nun besser werden. Versprochen.

Natürlich war Südkorea nur Zwischenstation. Danach ging es dann in das Land der Motorroller. DAS Land der Motorroller. Daher widme ich die grade zu lesende Passage den Herren prieditis und monopixel. Ich würde behaupten wollen, dass sehr viele Motorrollerfirmen längst pleite wären, gäbe es nicht dieses Land. Vietnam. Genauer: Hanoi. Hanoi hat so etwa 3 oder 4 Millionen Einwohner, 8 Millionen Motorroller, von denen etwa 12 Millionen funktionieren und 15 Millionen funktionsunfähig auf den Gehwegen dauerabgestellt sind und Hanoi hat den verrücktesten Verkehr, den ich je gesehen habe. Es ist Anarchie pur. Regeln gibt es keine und ich habe auch keine einzige davon verstanden. Anfangs erinnerte mich das an einen Ameisenhaufen, bis ich dann feststellte, dass in einem Ameisenhaufen die eine Ameise genau weiß, was die andere Ameise tut, was man von den vietnamesischen Rollerfahrern nicht unbedingt sagen kann, auch nicht mit viel gutem Willen. Man fährt kreuz und quer und hin und her. Sollte es mal eine Ampel geben, so hat diese die Funktion eines Tempohundertschilds für dunkler lackierte BMWs auf deutschen Autobahnen. Es gilt die Macht der Hupe. Gehupt wird immer, überall und dauernd und vor allem prophylaktisch. Wo andere einen Knopf haben um mal kurz zu hupen, haben die Vietnamesen einen, um die Hupe mal kurz zu unterbrechen, sollte die jemals mal kurz nicht benötigt werden, was aber ohnehin nie der Fall ist.
Aussehen tut das in etwa so:



Oder auch so:



Und weil Standfotos das nur mäßig widergeben, habe ich Ihnen sogar ein Video mitgebracht. Keine spezielle Verkehrssituation, eher langweilig sogar weil keine Rush-Hour und es nur das durchaus normale Verkehrsaufkommen ist.



Das lustige ist: Wenn Sie mal in Hanoi sein sollten, werden Sie sehr schnell Teilnehmer hiervon, selbst als Fußgänger und zwar nicht erst dann, wenn Sie eine Straße überqueren wollen sondern bereits beim Spaziergang auf dem Gehweg: Weil nämlich einerseits Roller den Gehweg zuparken und die nicht zugeparkten Stellen von futternden Vietnamesen belagert sind, die auf viel zu kleinen Kindergartenstühlchen dauerhaft Mahlzeiten in sich aufnehmen und Sie damit ohnehin die meiste Zeit auf der Straße werden laufen müssen.
Aber richtig toll ist erst eine Straßenüberquerung. Dabei sollten Sie sich an drei Grundregeln halten:

a) Gehen Sie sehr langsam, wirklich langsam, -aber bestimmt- geradeaus. Die wollen Sie nicht überfahren und werden versuchen, um Sie rumzukurven. Das geschieht weniger aus Rücksichtnahme als eher aus Angst um den Roller.

b) Schauen Sie nie, wirklich nie, einem Rollerfahrer ins Gesicht. Sie bringen damit das System durcheinander.

c) Treten Sie um Gottes Willen niemals einen Schritt zurück. Damit rechnen Vietnamesen nicht.

Sollten Sie sich fragen, wieviele Menschen auf so einem Roller transportiert werden können: 4 Erwachsene sind problemlos möglich, eine 5köpfige Familie ohnehin.

Falls Sie nie die Gelegenheit bekommen sollten, in vietnamsischen Bussen mitzufahren und mal schnell durch die Windschutzscheibe zu spähen: Es ist wie ein Videospiel. Die Vespenschwärme (dieses überaus gelungene Wortspiel widme ich auch den Herren monopixel und prieditis) fahren links vorbei und rechts vorbei und es macht wusch, es hupt, ein Bus kommt Ihnen entgegen und Sie wünschen sich ganz ehrlich, dass nicht dieses "Game Over"-Schild auftaucht, das man sonst bei derartigen Beschäftigungen so sieht.

Aber lassen Sie uns zu anderen Dingen kommen. Vietnamesische Musik etwa. Kennen Sie nicht? Kannte ich davor auch nicht. So bedeutend scheint das auch nicht zu sein. Aber es gibt immerhin derben vietnamesischen Metal. Mitgebracht für die dunkleren Seiten des Lebens.

track011 (mp3, 8,192 KB)

Das stammt von Herrn Quan, den man aber Kwin ausspricht, und ich kann Ihnen wirklich versichern, dass Herr Quan einer der umgänglichsten, freundlichsten, gebildesten und reflektiertesten Mensch ist, die mir je begegnet sind, auch wenn sich seine Musik nicht ganz danach anhört.

Okay, zugegeben, das war jetzt eher Männermusi und wo wir schon mal dabei sind, den Ladiesfirstgrundsatz komplett machismohaft über Bord zu werfen, könnte ich auch gleich mal eines der sehr raren Fotos von mir einstellen. Um es kurz zu machen: Jungs, ich war ballern.



Sie können dem obigen Foto nun entnehmen, dass ich Linkshänder bin, dem rechts, das 12 von 15 Schuss auf 30 Meter zu meiner eigenen Überraschung tatsächlich auf der Scheibe gelandet sind und wirkliche Kenner der Materie erkennen ein M16, ein Teil mit dem die Amis in Vietnam mächtig rumgeballert haben. Ich möchte an dieser Stelle nur nochmals erwähnen, dass ich Kriegsdienstverweigerer bin und trotz passabler Schießergebnisse: Dr. Karl-Theodor, für die Landesverteidigung stehe ich nach wie vor nicht zur Verfügung.

Genug der männerlastigen Laster. Ehe die Damen gleich wegklicken muss jetzt was netteres her als schnödes Kriegsgerät.

Ein Einkaufsparadies etwa. Wie beispielsweise hier:



Ersatzweise hätten wir noch ein Foto aus der Kategorie "Ohistdersüüüüß"



Und wo ich schon mal dabei bin, kann ich Ihnen auch gleich das näxxte Tierkindfoto bringen. Das ist ja schließlich ein Blog und was wäre schon ein Blog ohne Katzenbilder...
Dabei musste ich an Herrn sethos denken. Die Katz´ war eine von mehreren wilden Waisen, denen es aber sehr gut geht, weil sie im Tempelgelände leben und daher allerbestens versorgt werden.



Puh. Grade nochmal so die Kurve gekriegt. Hoffentlich. Deshalb mal eher allgemeine Dinge. Sie werden die nächsten Wochen vollgefrachtet werden mit allerlei Fotos. Die gute Nachricht für Sie ist: Der Neidfaktor wird anfangs eher gering sein, weil es bei so einer Reise immer zweierlei Faktoren gibt. Reisebeschleuniger und Reiseentschleuniger. Beschleunigend wirkt sich das Wetter aus und das war in Nordvietnam doch ziemlich bescheiden, selbst die Vietnamesen waren über das kühle Wetter überrascht. Entschleunigend sind Feiertage zum Beispiel, aber das thematisieren wir dann etwas später. Die schlechte Nachricht für Ihren Neidfaktor ist: Die Bilder werden wettertechnisch kontinuierlich besser.
Bis es so weit ist, können wir aber auch mal schnell Bildung bloggen: Sehr lustig ist immer wieder, dass die Vietnamesen während der französischen Kolonialzeit Lehnworte übernommen haben. Cà Phê etwa. Oder schlicht Ga. Bahnhof. Und weil sich Vietnamesen mit dem r in Gare schwer tun, haben sie es einfach angepasst. Bia hingegen stammt meiner Überzeugung nach ganz deutlich aus Deutschland. Kann gar nicht anders sein. Nicht allein deshalb, weil Franzosen alles mögliche können, aber definitiv kein Bier brauen.



Jetzt müssen wir aber noch ganz kurz auf das kommen, was eine Reise nach Südostasien reisenswert macht und was man dort sehr genießen kann:
Die Menschen und das Essen. Erstere können sehr ehrlich sein. So sagte mir eine nette Dame einmal: "You remind me of a Hollywoodfilm. You look like a film star."
Die Freude darüber, mit George Clooney verwexxelt zu werden hielt allerdings nur wenige Stunden. Und zwar so lange bis ich an einem dieser Straßenfriseure vorbeilief, dieser mich ums Verrecken rasieren wollte und mir entgegenrief "Sir, you look like a hairy monkey".

Mein Rückschluss aus diesen beiden Sätzen war: Filmstar + haariger Affe. Will heißen: Sie müssen sich mich als Mischung aus Godzilla und Alf vorstellen.



Wie ich teilweise erst im Nachhinein bemerkt habe: Ich habe beinahe sowas wie Welterbehopping betrieben. So ratzfatz wie man das in kurzer Zeit abklappern kann kommt die UNESCO gar nicht mehr hinterher neue zu ernennen. Gut. Nach so viel kreuz und quer und durcheinander und viel Wust sollte ich jetzt mal besser enden, weil das sonst ohnehin keiner mehr liest. Ich geh jetzt Fotos aussuchen.

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Montag, 3. Januar 2011
....einfach mal was anderes...
Wenn Sie schon alles gesehen haben und Ihnen Dschungeltouren in Kambodscha, Safaris in Afrika und Wildwasserrafting in Arizona zu langweilig sind: Versuchen Sie doch mal Afghanistan, Somalia oder den Irak...

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Montag, 13. Dezember 2010
Me and my Frankreich
Ich gebs zu: Ich kann mit Franzosen nichts anfangen. Es ist nicht so, dass ich Frankreich nicht mag und ich mag auch Baguette, den französischen Wein sehr besonders und auch die französische Küche. Creme Brulee ist eine Sensation, Gänsestopfleber eher gewöhnungsbedürftig. Dennoch: Eigentlich mag ich auch Frankreich, ein tolles Land. Frankreich könnte ein echt tolles Land sein. Ohne Franzosen. Mal ehrlich: Die Franzosen sind reichlich seltsam. Und ich weiß für mich auch warum.



Wann immer ich in fremden Ländern war, rotteten sich alle zusammen: Die Australier, die Deutschen, die Holländer, die Neuseeländer, die Briten, die Iren, die Amis, selbst die Italiener. Eine Ausnahme: Die Franzosen blieben immer außen vor, die waren stets unter sich, mit denen kommt man nie in Kontakt. Egal ob in Peking, auf Fidschi, oder in der Karibik.
Okay, es mag vielleicht dem sehr miserablen Restrudimentärenglisch geschuldet sein ("wü clöm lö montän"), das Franzosen so allgemein sprechen, aber wirklich nicht nur. Deutsche und Italiener können auch nicht besser Englisch. Obwohl....



Es ist schlicht "le grande Nation" mitsamt der sprachlichen Arroganz und genau das kann ich nicht ab. Nein, man kann nicht erwarten, dass alle automatisch Französisch sprechen und nein, ich persönlich halte Frankreich nicht für den Nabel der Welt und ja, es gibt bessere Lebensentwürfe als den klassisch französischen Lebensentwurf.



Allenfalls über die erotischen Qualitäten der Französinnen ranken sich Legenden. Was stellt man sich da alles vor! Und dann findet man tatsächlich Sophie. Bemühen Sie jetzt mal kurz Ihre Phantasie, zumindest als Mann. Les secrets de Sophie. Sophies Geheimnisse. Na, was stellt man sich da drunter vor? Ganz genau. Einen leergeräumten Laden.



Wahrscheinlich sind wir spätestens jetzt bei Sarrazin, weil es ja um genetische Determination geht. Ich bin sehr wahrscheinlich genetisch zum völligen Franzosenhasser geboren, quasi per Franzosenhassergen, schließlich hat noch mein Urgroßvater völlig überzeugt gegen die Franzosen vor Verdun gekämpft. So weit würde ich ja noch nicht mal gehen. Nicht entfernt. Aber anders ist es ja auch nicht erklärbar, sonst läge ja Sarrazin aber sowas von daneben. Anders erklärbar scheint das also nicht.



Aber gut, selbst ich bin hin und wieder mal versöhnlich und begebe mich deshalb mal mitten in die Kampflinie. Am Col de la Schlucht etwa war früher mal die Grenze zwischen Deutschem Reich und Frankreich, heute strampeln sich da dopingverseuchte Radler hoch und weder denkt da einer an Doping noch an ehemalige Grenzen.



Dafür bin ich echt dankbar. Das mit den Grenzen jetzt. Weil ich persönlich der Meinung bin, dass die deutsch-französische Aussöhnung das beste ist, das Europa passieren konnte. Historisch gesehen. Auch wenn ich die Franzosen nicht so wirklich mag. Frankreich schon.

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Mittwoch, 3. November 2010
Hallo Österreich!
Guten Kaffee bietet man mittlerweile auch in Sibirien an und zwar in Irkutsk und mitten auf der Karl-Marx-Straße....

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Samstag, 23. Oktober 2010
Es gibt schlimmere Ziele für Dienstreisen


Gut, Oktober ist nicht die allerbeste Reisezeit da hin, weil man da schon mächtig Pech haben kann und in der allertiefsten Novembernebelsuppe steht, was zwar dieses Mal nicht der Fall war, aber das diffuse tiefstehende Licht mitsamt dem sehr spät auflösenden Frühnebel plus Wolken macht die Fotografiererei auch nicht wirklich einfacher. Und den Sensationsblick quer übern See gibts leider erst gar nicht. Gottseidank funktioniert das menschliche Auge noch immer besser als jede Linse und jeder Spiegel. Deshalb kriegen Sie nicht, was ich gesehen hab. Weil´s nicht geht. Ich mach das trotzdem gern öfter.



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Freitag, 24. September 2010
Der See II (Bolschoje Koty)
Ort: Bolschoje Koty
Lage: 51.90 N, 105.07 E
Einwohner: 22
Mood: Slow
How to get there: Boot (Sommer), per Auto über´s Eis (Winter)



Der Baikal ist nahezu überall bewohnt, wenn auch manchmal von nicht allzu vielen Lebewesen. Selbst in den tiefsten Tiefen lebt noch Schwimmzeugs. Das liegt daran, dass sich der See langsam vergrößert hat und ebenso langsam tiefer wurde. Deshalb konnten sich die Tiere an die Tiefe gewöhnen. Ein Fettfisch mit 40prozentigem Fettanteil etwa, der sich nur vertikal fortbewegen kann und der vermutlich so schmackhaft ist, als wenn Sie gleich direkt aus der Schweineschmalzpackung löffeln.





Überhaupt ist alles am und im See langsam -so kommt es einem zumindest vor-, was vielleicht am Wetter liegen könnte. Das ist so ziemlich das Einzige, das nicht langsam ist. Umschwünge können stündlich vonstatten gehen und wenn der Wind umschlägt wird aus einem Sonnentag plötzlich ein Sturmtag mit drei Meter hohen Wellen.





Bolschoje Koty ist so ein langsamer Ort am Baikalsee. Hierher führt keine Straße, beziehungsweise nur eine im Winter, wenn der See zugefroren ist, weshalb beispielsweise nur im Winter Baumaterial geliefert werden kann. Sonst geht es nur mit dem Schnellboot und manchmal überhaupt nicht. Dann nicht, wenn der See noch nicht oder nicht mehr zugefroren ist, das Boot aber auch noch nicht durchkommt.



Wahrscheinlich war es nicht immer so gemütlich langsam. Der Ort wurde gegründet, weil man hier Gold gefunden hatte. Das aber ist schon lange weg und übriggeblieben sind nur noch einige wenige, die nicht mehr weg können oder nicht mehr weg wollen. 22 sind es genaugenommen, die ganzjährig hier ausharren. Dazu noch ein paar Russen, die da eine Datscha gebaut haben, aber die kommen nur im Sommer.



Hoppala. Ich stelle ja grade mit Entsetzen fest, dass der Beitrag fürchterlich lang werden wird. Wahrscheinlich müssen Sie am Ende durch gefühlte 3 Meter Beitrag scrollen. Aber da müssen wir jetzt gemeinsam durch. Sie zwecks Leserei, ich mit Bilderhochladerei. Das kommt davon, wenn man sich nicht so recht entscheiden kann, welche man nun weglässt und welche nicht.



Man kann sagen, dass bei 22 Einwohnern mitsamt von mir selbst handgezählten je 0 Kinos, Kneipen, Restaurants und Asiashops (obwohl im tiefsten Asien) nicht gerade der Bär steppt, zumindest trauen die sich für gewöhnlich eher selten in menschliche Siedlungen, wenigstens nicht in der Gegend. Sie haben keine Kirche und keine Schule, schulpflichtige Kinder gibt es ohnehin keine. Gut, der Fairness halber muss man sagen, dass es ein "Internetcafé" (exakter: Ein Bretterverschlag mit Tisch und Plastikgartenstuhl) gibt, aber das macht nur auf, wenn das Internet funktioniert. Also nie Während meines Aufenthalts war das nicht der Fall. Ein Museum gibt es auch noch. Offen zwei Stunden am Tag, aber wenn das Wetter einigermaßen passt, lässt man das links rechts liegen.





Bleibt also nur die Entschleunigung. Hier können Sie wandern und in der Sonne sitzen und ein Buch lesen, das sie zuhause nie lesen würden wollen. Ruhe pur.



Listvjanka ist noch sowas wie eine Touristenhochburg. Dort landen all die Tagestouristen aus Irkutsk, weil es von dort sehr einfach in einer Stunde erreichbar ist. Über den Eisenhowerhighway, wie die Irkutsker sagen. Die Straße heißt deshalb so, weil sie für ein Gipfeltreffen zwischen Eisenhower und Chrustschow gebaut wurde, das dann nie stattgefunden hat.
Bolschoje Koty dagegen wird ein Mal am Tag von einem Boot angelaufen, weshalb dort eher die landen, die mehr Zeit am Baikal verbringen. Da sitzt man dann nun.



Immerhin gibt es hier 2 Supermärkte. Oder das, was sie in Bolschoje Koty unter Supermarkt subsummieren. Wir würden es Kiosk nennen. Dafür aber mit sehr flexiblen Öffnungszeiten: Offen ist, wenn Bedarf besteht. Bedarf kann auch sehr flexibel sein.



Wenn Sie mal dort sind und beispielsweise nachts um 1 noch dringend Wodkanachschub benötigen, dann ist es gut, Mauro zu kennen. Mauro kommt aus Mailand und Mauro hat tatsächlich nachts um 1 noch eine bedauernswerte Babuschka geweckt, die im Nachthemd und mit Schluppen ihm noch Wodka verkauft hat, wofür Mauro alle dankbar waren mit Ausnahme derer, die schlafen wollten, aber dazu gehörte ich nicht. Das persönliche Fazit lautet deshalb: Sie kriegen in einem 22-Seelendorf am Baikal nachts um 1 einfacher einen Wodka als in Baden-Württemberg 5 nach 10 ein Bier.



Ich frage mich ja bis heute, was an Bolschoje Koty "bolschoy" (=groß) sein mag. Mal abgesehen vom nächtlichen Sternenhimmel. Der ist einfach sensationell, weil es einfach nahezu keinen Lichtmüll gibt, der da auch nur entfernt stören könnte. Ganz groß ist auch was Sie hören. Nämlich nix. Überhaupt nix. Hin und wieder mal den See plätschern und gelegentlich mal einen Vogel piepen. Na gut, da war dieser Idiot, der mit seinem Dreirradmotorrad inklusive Ladefläche -wohl so eine Art Baikal-Pickup- aus lauter Langeweile mal eine Stunde orientierungslos durchs Dorf gebrettert ist. Aber selbst da übt man Nachsicht, weil Aufregung an diesem Ort völlig deplatziert ist.





...und weil die Transportwege oft schwierig und umständlich sind sammelt man noch mehr Reste an. Mehr noch als andernorts in Russland. Das will was heißen, weil man in Russland nicht so einfach alles entsorgt wie hierzulande. Alles was man irgendwann mal noch gebrauchen könnte: Aufheben. Und als ergänzender Nachsatz: Man kann alles nochmal gebrauchen. Irgendwann:







Die Russen schaffen es aber auch immer wieder, mich zu überraschen. Etwa mit diesem Ding:



Für die Kyrillischnichtganzkundigen sei übersetzt: Da steht wirklich "Taksofon". Sie können da mal ein Taxi rufen. Machen Sie das ruhig mal im Juni. Es wird wohl so etwa gegen Weihnachten eintreffen.

Sie überraschen auch durch die Bekleidung. Weniger bei sich selbst als eher bei ihren Kindern. Den Militärlook am Baikal kannte ich schon. Unsereins kriegte für den Aufzug umgehend das Sorgerecht entzogen, aber mir wurde beim Anblick des Kleinen schlagartig klar, weshalb russische Männer am Baikal nahezu ausnahmslos Camouflagetarnkleidung tragen: Es bildet sich quasi von innen heraus und wächst dann fest. Wie zweite Zähne. Beim Kleinen ist das Militärkäppi schon vorhanden, während sie noch auf die Hose warten.



So. Nun sind wir beinahe durch. Jetzt müssen Sie nur noch durch den letzten textlosen Bilderwust scrollen.



















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Montag, 20. September 2010
Der See I (Listvjanka)
Für das jetzt folgende muss ich einen kleinen Disclaimer vorausschicken: Ich bin themabetreffenderweise nicht objektiv. Eigentlich sogar sehr subjektiv seit ich das vor zwei Jahren gesehen habe. Damals hatte mir Sergej prophezeit, dass man wiederkommen würde, wenn man erstmal dort gewesen sei, das gesehen, gerochen und gefühlt hätte und Sergej hatte Recht.



Manchmal sieht man sich eben zwei Mal im Leben und in dem Fall war das so. Nicht nur mit Sergej. Auch mit dem Gewässer. Und ich kann nicht garantieren, dass ich nicht noch ein drittes oder viertes Mal komme, weil die Faszination immer noch da ist und es noch enorm viel zu sehen gibt. Olchon, Swiaty Nos. Mehr. Eigentlich bin ich mir jetzt schon sicher, dass ich nochmal kommen werde.



Dabei geht es nur um einen See. Wobei: Nicht um irgendeinen See. Um DEN See. Für mich zumindest. In jeglicher Dimension einmalig, einzigartig, gigantisch. Allein in naturwissenschaftlichen Kategorien. Drüber hinaus eventuell auch.



Nachdem ich beim letzten Mal im tiefsten Winter hier war und einen sehr großen Fehler gemacht habe -zu kurz dort gewesen zu sein- sollte es mal Sommer sein und der Aufenthalt dramatisch verlängert. Es war immer noch deutlich zu kurz.



Es ist was es ist: Eine der schönsten Gegenden der Welt und die Russen sind sehr zurecht ziemlich stolz auf den Baikalsee. Weil er eben einzigartig, einmalig und gigangisch ist.

Wenn Sie nun den Eindruck bekommen haben, ich würde hier Werbung machen: Sie haben Recht. Es ist ungeschminkt Werbung bis zum abwinken. Aber unbezahlt. Eher im Gegenteil, ich bin jetzt monetär betrachtet etwas ärmer, dafür aber reicher an Bildern auf der Festplatte im Schädel und der Festplatte im Laptop.



Ich hatte das schon mal vor zwei Jahren alles aufgezählt, aber ich hab Sie ja grade eben gewarnt, dass Sie hier an einer Werbeveranstaltung teilhaben und großes Versprechen: Es wird nicht so schlimm wie beim Herrn von Vorwerk oder den telefonischen Belästigungen dubioser Umfrageschwachmaten. Sie werden nix kaufen müssen, hochheilig versprochen. Außerdem dürfen Sie die Veranstaltung ja jederzeit verlassen wenn Sie um´s Verrecken was verpassen wollen...



Es gibt so etwa 1500 verschiedenes Viechzeugs hier, vom Fisch bis zum Moskito und 1000 davon gibt es ausschließlich im und am Baikalsee. Es ist aber eine Legende, dass es sich bei den 1500 verschiedenen Viechern um 1490 Mücken- und 10 Fischsorten handele. Wilde Köter gibt es auch noch. Sowie Bären. Und Nerpas, die einzigen Süßwasserrobben des Planeten. Unbesehenerweise.
Dazu gibt es 1000 verschiedene Pflanzen und auch davon sind zwei Drittel endemisch.



Es ist der tiefste See der Welt, es ist der älteste See der Welt, der wasserreichste See der Welt. Jeder fünfte Liter nicht gebundene Süßwasser des Planeten schwimmt hier. Mehr Wasser als in der Ostssee. Mehr Wasser als in den Great Lakes Nordamerikas. Er wird größer. Er verbreitert sich jedes Jahr und sie vermuten, dass hier ein neuer Ozean entstünde. Und es ist ein sehr sauberer See. So sauber, dass man 20, 30 Meter tief runterschauen könnte, wenn es nicht an vielen Stellen gleich mal 1000 Meter steil nach unten ginge. Fast durchgängig Trinkwasserqualität, weshalb die Russen das auch gleich als Wasser abfüllen und ein Bier mit Baikalwasser brauen.

Das alles dann eingerahmt von 1000 oder 2000 Meter hohen Bergen.



Rund um den See gibt es nur wenige Dörfer und Städte. Große Teile des Sees sind unendliche und nicht erreichbare Wildnis. Das ist gut so. Auch wird das Wohnen nur an wenigen Stellen attraktiver, weshalb viele von dort wegziehen. Ganze Dörfer sterben hier aus und häufig leben nur noch Rentner dauerhaft in den Dörfern. Heute gibt es wieder mehr Baikalrobben im Baikal als Menschen direkt am Baikal. Das ist auch gut so.



Aber nicht alles wendet sich zum besseren und auch das hat mit Menschen zu tun und mit Tourismus sowie mit der irrigen Annahme, dass man permanent modernisieren müsse. Das verschlimmbessert hier eher. Vor zwei Jahren noch sah ein halbwegs gemütliches Café so aus:



Dann ging ein unfähiger Architekt nach zuviel Wodkakonsum drüber und befand, dass man großzügig umbauen müsse, irgendwas spannendes davorbauen und idealerweise etwas, wodurch man noch den Charakter des Alten erhält und nun sieht es so aus:



Diesem See schreiben die Burjaten mysthische Kräfte zu und nennen ihn ein heiliges Meer. Sie müssen es wissen, sie leben hier schließlich schon ein paar Generationen. Recht haben sie ohnehin, der See ist Mystik pur, aber das ist vielleicht etwas, das man erleben muss und das sich nicht allein durch Fotos oder Berichte erschließt.



Irgendwo hier -berichten die Russen- liegt angeblich Belowodje, das "weiße Wasser", das wir Shangri-La nennen und das Westler für gewöhnlich im Himalaya/ Tibet verorten. Wenn man aber die Tibeter fragt, dann liegt es jenseits des Tianshan, irgendwo bei den Mongolen. Und die Mongolen wiederum sagen, dass es nicht bei ihnen sein kann, da muss man schon mal noch weiter nördlich über Sajan und Chamar Daban hinweg und hat dann die Wahl zwischen Tuva, Tunkatal und Baikal. Sagen die Russen. Weder in Tuva, noch im Tunkatal, noch am Baikal regt sich Widerspruch. So gibt es gleich mehrere Stellen am See, die für den Schamanismus eine wichtige Rolle gespielt haben und es noch immer tun.

Egal all die Mythen, den Baikal erlebt man für sich selbst und auch wenn es vielleicht nicht der ultimative Hort der Glückseligkeit ist, viel fehlt aber dennoch nicht.

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Mittwoch, 15. September 2010
Eremitage


Oder auch: Winterpalast. Hier hat mal der Zar residiert. Ich hätte das nicht wollen. Ich war schließlich mal im Winter hier und weiß, wie kalt es hier werden kann und wenn man dann an diese riesigen Räume denkt und mal kurz die Deckenhöhe schätzt, dann weiß man: Hier wurde es erst warm als der Frühling kam. Dazu dann die Frage, wer das alles wohl geputzt haben mag. Und dann erst die verschlungenen langen Wege auf die Toiletten.



Von den Dimensionen her in etwa wie der Louvre, von der Bedeutung als Kunstmuseum her wohl auch, aber man weiß häufig nicht, was man nun lieber anschaut: Die alten Schinken oder die Räume. Aber ich bin ohnehin mehr der Moderne-Kunst-Fan.



Wenn Sie mal in der Nähe sein sollten: Gehen Sie hin. Gehen Sie früh hin, besser im Winter als im Sommer. Am besten ehe die Busladungen kommen. Busladungen gehören ohnehin generell abgeschafft. Die sind eine Riesenplage. Ich glaube ja, dass man Leute, die so viehisch wie gelangweilt in solchen Trupps mitmarschieren ebensogut durch ein beliebiges Industriegebiet von Lüdenscheid führen könnte.



Wenn Sie kommen, kaufen Sie die Karten online und spazieren dann an der langen Schlange vorbei.

Dann gibt es da noch die Jordantreppe. Die nennen sie "Prunkstück des russischen Barock". Das war eins der Dinge, die ich sehen wollte. Die ist sehr beeindruckend. Normalerweise.

Dieses mal etwas bescheidener als sonst: Eine große Baustelle an der überhaupt nicht gebaut wird und rundumverkleidet mit Planen und Platten, womit ich jetzt auch weiß, dass es auch in Russland OSB-Platten gibt. Wahrscheinlich direkt von Obi entlang des Moskovskiy Prospekt.

Wenn Sie wissen wollen, wie die Treppe im Originalzustand aussieht, müssen Sie bei ihm nachschauen.

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