Samstag, 19. November 2011
Von der Bruddelei - Eine Einführung
Hier in dieser Gegend wird viel gebruddeld. Bruddeln ist vor sich hinschimpfen und zwar so, dass es die Umwelt durchaus mitkriegen soll. In der Regel geschieht das in einer Form, dass Umstehende unmißverständlich bemerken, dass man den Bruddelnden, genannt Bruddler, nun besser bruddeln lässt, weil es ja die Vorstufe zur körperlichen Auseinandersetzung sein könnte, was jedoch so gut wie nie der Fall ist, eben weil die meisten wissen, wie man Bruddler behandeln muss. In jedem Fall ist es aber immer so, dass bruddeln heißt, dass nun Endegelände ist. Keine Diskussion mehr, ab nun tritt Aktion ein.

Ich bin auch so ein Bruddler. Ich mag es, hin und wieder vor mich hinzuschimpfen. Das befreit und ich glaube fest daran, dass Bruddler qua Energieabfuhr eine höhere Lebenserwartung haben.

Bruddeln hat auch viel mit der hiesigen Geschichte zu tun. Das stammt aus Zeiten, als Schwaben noch nicht der Hightechstandort war und es noch nicht Daimler und Bosch gab, dafür aber viel Steine auf dem Acker und einen Polizeistaat, der seinesgleichen suchte. Hier war der Unterschied zwischen Untertanen und Regierenden besonders ausgeprägt. Dies war einer der Landstriche, der am meisten Auswanderer produziert hat. Es hat dazu geführt, dass die damaligen Untertanen gebruddelt haben, was das Zeug hält. Hierzulande gibt es enorm viele Schimpfwörter, vergleichbar allenfalls noch mit den Bayern. Hier wird geflucht und geschimpft und das auch den lieben langen Tag lang.

Heutzutage wird immer noch gebruddelt. Das hat sich gehalten und wahrscheinlich hat es sich tief in die Genetik eingegraben. Heute bruddelt man beispielsweise dann, wenn die Obrigkeit eingreift und man nicht die Möglichkeit hat, daran etwas zu ändern. Wie etwa heute:

Junges Mädel Anfang 20 radelt durch die Fußgängerzone. Das sieht einer dieser Politeure, die sonst die Parkuhren abklappern und er schreit laut "Hallo". Sie hält an und er zückt sofort sein Strafblöckchen und das war sein Fehler. Das könnte eigentlich allen erstmal egal sein, weil man halt nicht mit dem Fahrrad durch die Fußgängerzone fährt und der Politeur rein ordnungsamtstechnisch im Recht sein mag. Könnte allen egal sein. Nicht hier. Hier sorgt das für Publikum weil die alte Geschichte von der Obrigkeit und den Untertanen aufgewärmt wird und deshalb bleiben drei Leute spontan stehen. Ein fahrradschiebender Rentner, der so alt ist, dass ihm überhaupt keiner mehr was kann. Ein mittelalter Anzugträger. Und ich.

Der Anzugträger versucht den Politeur zu überzeugen, Gnade vor Recht ergehen zu lassen und der Rentner fängt an, vor sich hinzubruddeln, was den Politeur mächtig stört, weil er den Satz "hätt der was g'scheits g'lernt, hätt er koi Uniform an" für ungeheuerlich befindet. Politeur findet, dass grade eine Amtshandlung gestört werde und findet dann noch meinen Einwurf, dass ihn überhaupt niemanden am Schreiben hindere ungehörig. Das arme Mädel steht mitten drin, sprachlos, aber sie signalisiert kopfnickend, dass sie mit unser aller Einwurf einverstanden ist.
Es endet dann damit, dass sich der Rentner unter den Worten "dann müssense mich jetzt auch aufschreiben" auf das zuvor geschobene Rad schwingt und wegradelt, ich dem Mädel den Rat gebe, künftig einfach weiterzuradeln, der Anzugträger von verlorenem Hopfen und Malz schwadroniert und der Politeur schon sichtlich entnervt ist, weil ihn gleich vier Unbotsame überfordern. Hätte das Mädel ein bißchen bessere Nerven gehabt: Wir hättens gemeinsam geschafft. So aber...

Zahlen wird sie wahrscheinlich müssen, aber ihre Lektion im Umgang mit vermeintlichen Obrigkeiten hat sie nun gelernt. Und der Politeur überlegt sich hoffentlich demnäxxt zwei Mal, wann er sein Blöckchen zückt.

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Das war sicher die gute Erziehung. Und ein Hoch auf Ihr Rittertum! *klatschklatsch*

Der Mamazwerg sagt auch ab und zu "und warum machst Du das/ läßt Du Dir das gefallen" und ich zuck nur mit den Schultern und sag: "Weil Ihr mich so erzogen habt." : )
Ja, manchmal kommt man der Kinderstube halt eben nicht aus. Und wenn doch, gibts Hausverbot vom Vertretungsarzt.

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Sagen wir es mal so: Mit zunehmendem Alter tendiert man dazu, unflexibel zu werden und dann lässt man sich nicht mehr alles gefallen.

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Als Fußgänger sollte man natürlich flink genug sein, um den Radlern mit einem beherzten Sprung ausweichen zu können.

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...es ging weniger darum, ob es erlaubt ist oder nicht. Es ging eher darum, ob nicht eine Ermahnung reicht...

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Nun hat es die Obrigkeit aber auch nicht immer einfach. Soll für Ruhe und Ordnung sorgen und erntet – Rudelbildung.
Gefragt wäre hier das berühmte Fingerspitzengefühl. Den Fahrrad schiebenden Rentner zum Vorbild erklären. Die junge Dame auf die Laufwege aufmerksam machen. Den Anzugträger zu Mäßigung ermahnen und Sie zum 4. Offiziellen ernennen.
Nächstes Mal kann er immer noch die Blutgrätsche auspacken.

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@wilson: Könnte man meinen. Es sieht aber so aus, als gliche das Nervenkostüm der Obrigkeitsgehilfen dem von Wolfgang Stark nach 88 Minuten vergeblichen Versuchens, Fußballer aus Barcelona und Madrid davon abzuhalten, sich den Kragen umzudrehen. Da gibt es eben nur noch rot.

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Ich finde, Fingerspitzengefühl wäre gewesen, wenn der Uniformierte das Mädel mit dem Hinweis hätte laufen lassen, dass sie beim näxxten Mal dran ist. Die wäre die näxxten zwei Jahre da nicht mehr gefahren.

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"Auf die Fresse, Politesse!"
Tut mir leid, mir kommen da immer so unhöfliche Gedanken, seit sie mich mal an einer abgelaufenen Parkuhr abgeschleppt haben. Und das Gericht meinte, das sei so in Ordnung. Weil ich den Verkehr behindert habe. Von der Parkbucht aus. Die sei nämlich durch mich unrechtmäßig belegt worden, wodurch dem parkplatzsuchenden Verkehr weniger Parkraum zu Verfügung gestanden habe, worauf eben jener Verkehr mehr und länger habe suchen müssen, wodurch es in der Gesamtschau zu einer Verkehrsbehinderung gekommen sei.

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@kreuzbube: das wär ja das erstemal daß die Staatlichkeit so durchdacht urteilt.

Ich freue mich über das neue Wort. Bruddeln. Ja, das kann ich nachfühlen. Hat vielleicht auch was mit Brodeln und Bruzeln gemein? Fleissig bruddeln heißt also doch nichts getan, oder? Immerhin.

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@kreuzbube: Ist das echt wahr? Also DIESE Urteilbegründung würde ich -anonymisiert- ins Internet stellen...

@einemaria: Mit Bruddeln hat man zumindest mal deutlich seiner Abneigung kundgetan. :-)

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Yep, hat sich so zugetragen. In Frankfurt am Main, Nähe Eschersheimer Turm, vor einigen Jahren. Ich habe das aber nicht aufgehoben bis heute. Wohlgemerkt, es ging nicht um das Bußgeld für die abgelaufene Parkuhr, sondern um die Abschleppkosten. Darauf muss man erst einmal kommen, dass der Verkehr behindert wird, weil er (der Verkehr) länger nach Parkplätzen suchen muss.

*edit: Gefunden in einer Anfrage eines Hamburger Abgeordneten an den Senat:

"Das Abschleppen von Fahrzeugen aus Parkflächen mit begrenzter Parkzeitvorgabe, zum Beispiel an Parkuhren oder bei Parkschein- beziehungsweise Parkscheibenpflicht, ist gemäß einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung rechtmäßig, wenn die erlaubte Parkzeit erheblich überschritten ist.

Übermäßig lang geparkte Fahrzeuge stellen dort eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, weil durch die lang andauernde Blockierung der Kurzzeitparkfläche deren verkehrsregelnde Funktion, durch Anordnung des zeitlich begrenzten Parkens knappen Parkraum möglichst vielen Kraftfahrern zur Verfügung zu stellen, beeinträchtigt wird (BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 1983, Aktenzeichen 7 B 182/82). Zudem führt das Besetzen des Parkraumes über die zulässige Parkzeit hinaus zu vermehrter Parkplatzsuche anderer Kraftfahrzeugführer und beeinträchtigt damit auch den fließenden Verkehr."


http://www.autoknast.de/infos/downloads/SKA_AutoknastIV.pdf

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..unglaublich...wirklich unglaublich...

(na gut...die Kroaten schleppen auch sofort ab bei Parkverstößen, aber die immerhin kündigen dies per Schild ganz groß an

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In Belgrad habe sie mich nachts mal verhaftet, weil ich im Auto geschlafen habe. Vor irgendeinem Ministerium (was ich nicht wusste).

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...Sie haben ja mal Geschichten beinander...:-)

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Ja, ich wurde dort nachts, in der Unterhose auf der Strasse stehend, durchsucht. Das Auto wurde auch ausgeräumt.

Dafür hatten sie bei der Reise an der Grenze das Schmuggelgut nicht entdeckt, mit dem wir die Benzinkosten des Urlaubs gedeckt haben. Von daher will ich nicht meckern, ein gerechtes Unentschieden war's.

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Ja....das ist wie damals bei mir als der Zoll zwar eine geschmuggelte Stange Zigaretten entdeckt, zwei aber übersehen hat. Unentschieden.

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Der Schwarzumtausch der Devisen hat mich dann wieder in Führung gebracht.

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