Dienstag, 25. Oktober 2011
Hab w8 (Part I)
Stellen Sie sich doch mal vor, dass Sie eine Wohnung suchen. Sie schauen sich um. Schließlich haben Sie eine gefunden. Sie ist einigermaßen hübsch und Ihre Bekannten wohnen gleich ums Eck.

Die Wohnung hat nur einen kleinen Haken und das steht im Kleingedruckten des Mietvertrags:

Überall in der Wohnung hat der Vermieter Kameras aufgehängt, er liest Ihre Post, hört mit, wenn Sie telefonieren und fertigt über alles Protokolle an, von denen Sie nicht wissen, wo diese landen und wer das alles einsieht. Er beobachtet wohin Sie gehen und schaut genau, wer Sie besucht. Sollten Sie anderswo Essen gehen, teilt ihm das Restaurant umgehend mit, wie lange Sie da waren, was Sie gegessen haben und wieviel das gekostet hat. Der Vermieter fertigt ausführliche Bewegungsprotokolle an und verlangt auch zu wissen, was Sie essen, trinken und welches TV-Programm Sie schauen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er sein gesamtes Wissen an den Bundesnachrichtendienst weitergibt.
Wenn Sie in der Wohnung Bilder aufhängen oder eine Vase aufstellen, dann gehören die dem Vermieter und sollten Sie jemals auf die Idee kommen, den Mietvertrag kündigen zu wollen, behält sich der Vermieter über einen Monat vor, was er mit Ihnen und Ihrem Inventar und all den Telefon- und Briefprotokollen macht, während er sich aber das Recht herausnimmt, Sie jederzeit hinauszuwerfen, sollten Sie am Klingelschild Ihren Zweitnamen vergessen haben anzugeben.

Klingt nach Stasi und Big Brother, oder? Solch ein Vertragswerk würden Sie im realen Leben natürlich niemals unterschreiben. In der virtuellen Welt tun Sie das spätestens dann, wenn Sie Facebook beitreten. Und glauben Sie ja nicht, Sie könnten dort anonym bleiben. Auf die Frage, ob es denn nicht ein Recht auf Anonymität im Netz gäbe, antwortet ein Facebookmanager im aktuellen Spiegel: "Ja, aber nicht bei uns."

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Montag, 24. Oktober 2011
Erlesenes...
Ich komme grade mächtig zum Lesen. Wie sonst selten nie nicht. Dabei finden sich allerlei Nüsse. Unge- wie auch Ge-.

Sensationell etwa die Sarrazinsche Anmerkung zu Wowereits Integrationsgedanken, wonach die europäischen Staaten im Zuge der Industrialisierung "keine wesentliche Einwanderung" gehabt hätten, wodurch er wiederum seine grandiose Unkenntnis der deutschen Geschichte offenbart: Wo war denn der Motor der deutschen Industrialisierung gegen Ende des Jahrhunderts? Richtig. Ruhrgebiet. Nur: Dort wanderten damals im großen Stil Polen ein, deren Anzahl an der Gesamtbevölkerung betrug teils bis zu 40%.
Dazu Holländer oder Russen, ebenso im Tagebau. Die Bahn wurde zudem zu nicht unwesentlichen Teilen von Italienern erbaut und im damals deutschen Schlesien gab es eine satte polnischsprachige Bevölkerungsmehrheit.

Mindestens ebenso grandios ist die Recherche des SPIEGEL zum Oktoberfestattentat: 46.000 Seiten bisherige Geheimdokumente durften mussten irgendwelche nichtbezahlte Praktikantenknechte durchwühlen und dann stand fest, was schon immer feststand: Der Attentäter hatte Verbindungen ins rechte Milieu. Wow, wer hätte damit gerechnet? Diese erschütternde Erkenntnis muss man auch erstmal verkraften.

Dann wäre da ein Kommentar über die Fußballer im Allgemeinen. Verfasst von der Julia, die in der Regel leider eine fette Aufzählung liefern muss, um als Frau als fußballsachverständig durchzugehen. Ansonsten mag ich ihre Kolumnen. Darin beklagt die Julia die verkommenen Sitten im Profifußball: Spucken, Stinkefinger, versteckte Fouls, Schwalben undsoweiter. Womit Julia natürlich recht hat. Sie hat nur vergessen, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Schließlich ist Fußball ein Sport für Gentlemen, der aber von Hooligans gespielt wird. Wenn die Julia einen Sport sehen möchte, in dem Gentlemen spielen, dann hätte sie das Rugby-WM-Finale anschauen müssen, das Frankreich nur knapp gegen Neuseeland verloren hat.

Meine persönliche Sonntagskrönung aber war der Adrian. Der Adrian konstatierte einmal, ohne das freundliche Zutun der gleichgeschalteten Presse sei S21 nie möglich gewesen, womit er erstens wahrscheinlich recht hat und zweitens so eine Art Eingeständnis in eigener Sache führte, was ihn aber nicht anficht, weiter zu Felde zu ziehen. Nun braucht es aber einen kleinen Exkurs:

Normalerweise neigt der gemeine Schwabe nicht zu Höhenflügen. Man ist "hälenga" ("heimlich") reich und hat eher selten Ambitionen größer werden zu wollen als man ist. Hin und wieder aber schlägt dann doch die Großmannssucht zu, wie damals in den 80ern, als Daimler sei dank, hier die reichste Kommune der Republik siedelte. Die leistete sich kostenlose Schwimmbäder, Kindergärten, Parkplätze, Bibliotheken, Zebrastreifen aus Carraramarmor und einen Vorhang fürs Theaterhaus, den sich sonst nur noch New York und Paris leisteten. Nochmals die Reihenfolge: New York, Paris, Sindelfingen. Kurz: Man stieg quasi in einem Rutsch von der Landesliga in die Champions League auf. Heute ist diese Kommune in der Realität der Landesliga wieder angekommen und würde sich am liebsten mit der schmuddeligen, aber finanziell gesünderen Schwesterstadt zur Doppelstadt vereinigen. Exkurs Ende.

Der Adrian ist auch einer derjenigen, der dazu neigt, immer alles noch besser machen zu wollen und der festen Überzeugung ist, dass er äußerst hilfreiche Tipps abgeben kann. Kennt man ja auch als gesamtdeutsches Phänomen: Da steht man irgendwo am Fuße des Kilimandscharo, friert trotz Thermounterwäsche, sieht dann diese armen Bergbauern mit ein paar Ziegen und Schafen und umgehend laufen dann diese Bessermacher los, um dem dann doppelt armen Bergbauern zu erklären, dass mit selbst gestrickten Pullovern wesentlich mehr Geld zu machen sei, vor allem bei Touristen und gleichzeitig glitzert in den eigenen Augen bereits das Wort "Umsatzbeteiligung". Umso enttäuschter die Reaktion, wenn der doppelt arme Bergbauer nicht umgehend die Schafe schert.
Nun aber zu Adrian. Der findet, dass S21 eine ganz wunderbare Möglichkeit ist, der Welt zu beweisen, dass es möglich ist, eine grüne Ökomodellstadt zu bauen, wo das doch bei ähnlichen Brachen in (!) Shanghai, New York und Berlin gescheitert sei. Dieses Mal steht Stuttgart nicht auf einer Stufe mit den Weltstädten Shanghai, New York und Berlin, nein, es steht noch drüber. Wie das künftig übrigens aussieht -so eine Ökotraumstadt- lässt sich anhand des bereits fertigen Bücherknasts Stammmheim Zwo auch schon besichtigen.

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Samstag, 22. Oktober 2011
Die Römer sin do

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Samstag, 22. Oktober 2011
Es ist gefährlich zum Arzt zu gehen*
....man kann beispielsweise zur Abwexxlung mal gesund zum Arzt gehen und krank wieder rauskommen.

Mitleid brauchen Sie nicht wirklich zu haben. Na gut, für eine ganze Weile nun doch etwas eingeschränkt, wenig mobil, reichlich langsam unterwegs -man überlegt sich jeden Gang zweimal- und wandern ist grade auch nicht drin, was aber ohnehin nicht auf den oberen Rängen der liebsten Hobbys steht. Aber andererseits ist das schon ein paar Monate geplant gewesen und irgendwann musste es halt mal sein, weil die Alternative dazu auch Schmerzen sind.



Man kann dem Ganzen auch positive Seiten abgewinnen. Zuerst einmal sieht es momentan so aus, als sei das Arbeitsjahr rum und das heißt, ich darf mir Tagesbeschäftigungen wie Bücher lesen und Internet surfen suchen, was sicherlich auch dem Blogauswurf gut tun könnte. Oder ich fange an, eine Sprache zu lernen. Oder sowas.
Zweitens hat sich das jetzt erstmal weitestgehend mit Haushalt und ähnlichen unnötigen Dingen, mit denen man sich sonst so den Tag versaut.

....nur dass die Narkoseärztin partout keine Ketaminparty veranstalten wollte....das war nicht nett.

*) Originalzitat aus dem Bekanntenverwandtenkreis. Beruf: Arzt. In der Regel folgt der Nachsatz: "Ich kenne meine Kollegen..."

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Donnerstag, 20. Oktober 2011
Verstaatlichen
Es soll keiner sagen, dass hier ein völlig durchgedrehter Raubtierkapitalismus herrscht. Ganz und gar nicht. Es geht eher ins Gegenteil. Es gab eine Zeit, da ging man schlicht bankrott, wenn man zu viel Verluste hatte und man weder rentabel noch liquide war. Heute ist das nicht mehr so. Bankenverluste etwa werden schön sozialistisch gerecht auf alle verteilt.

Aber auch anderswo übt sich der Staat in Verstaatlichung und Staatsmonopolismus.

Früher, da war alles einfacher. Da nannnte man Nerds noch Hacker und die sahen meist recht erschreckend unterernährt und bleich aus, litten unter einem chronischen Schlafdefizit, konsumierten literweise Cola und stangenweise Zigaretten. Meist hatten sie schmierige, ungewaschene Haare und eine dicke Hornbrille mit 8 Dioptrien.
Ersatzweise waren es 15jährige Schulbuben mit Gesichtern direkt aus der Clearasilwerbung, die sich dann ein Mal quer durch das Verteidigungsministerium klickten.
Und heute? Heute wird das alles vom Staat erledigt.

Früher beispielsweise, da war das alles auch viel einfacher. Da gab es den schwarzen Block, der Steine gegen Polizisten schmiss. Dann aber tauchte der schwarze Block auf einmal auf der anderen Seite auf und nun geht die Entwicklung gar noch weiter: Wenn Polizisten dann erstmal Straftaten begehen sollendürfen, um unter Linken als authentisch zu gelten, dann dürfen Sie mal raten, wer die ersten Steine auf Demos schmeißen wird. Dann hätten wir schon zwei schwarze Blöcke.

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Dienstag, 18. Oktober 2011
Untiefen unendlich
Wenn Sie hier hin und wieder mitlesen, dann ahnen Sie vermutlich, dass ich ein Nachrichtenjunkie bin und Sie wissen, dass ich hin und wieder hinabtauche in verschwörungstheoretische Sphären. Nicht weil ich daran glaubte, es ist eher eine Affinität aus dem Gegenteil heraus. Hinzu kommt, dass mich das Weltgeschehen allgemein interessiert, mit Betonung auf Welt.

Das sind glänzende Voraussetzungen für ausführliche Studien betreffs Diktatorenliebhaber vor allem derjenigen in der arabischen Welt. Sie ahnen ja gar nicht, wieviele Freunde Gaddafi in der westlichen Welt hat. Sehr wahrscheinlich sehr viel mehr als in Libyen selbst. Einem guten Teil der neuen Freunde Gaddafis war selbiger vermutlich bis vor ein paar Monaten ziemlich egal und die Motivation sich einem blutrünstigen Diktatoren anzubiedern, beschränkt sich in erster Linie auf eine Anti-NATO-Haltung. Dazu dann ein diffuses Gemisch aus Antisemitismus, Antiamerikanismus und Verschwörungstheorien.

Nun kann man von dem NATO-Einsatz dort halten was man möchte und man kann durchaus sehr skeptisch sein, nicht nur der NATO gegenüber sondern auch denjenigen gegenüber die dort scheint's für das "Gute" kämpfen. Auch darf man sich fragen, was dort eigentlich grade so passiert, wenn man von grob geschätzt 30.000 Toten in einem halben Jahr hört und man solche Bilder sieht. Aber da draußen kreieren ein paar Gaddafifans unablässig Meldungen, die angeblich direkt aus Libyen stammen, immer unverifiziert und nie belegbar sind, während die eigentlichen Verfasser mutmaßlich den eigenen Schreibtischstuhl in der sozialstaatlich finanzierten Wohnung vollfurzen. Das ist nicht mal mehr Propaganda und läuft auch nicht mehr unter Lügen, das ist pure Fantasiererei, bei der man sich ernsthaft fragt, ob die Verfasser noch ganz zurechnungsfähig sind. Sowas wie eines sektenartige Szene für sich selbst. Allein es hilft der Glaube.

Sie wollen endlich Beispiele? Gerne! Glauben Sie mir: Besser waren die Wasserstandsmeldungen aus dem Führerbunker damals auch nicht. Hier die schönsten Behauptungen:

- Nur der kleinste Teil Libyens -genaugenommen nur Bengazi osttwärts und das auch nur eingeschränkt- ist unter Kontrolle der Ehemalsrebellen/ Jetztneuregierung

- In Tripolis gibt es seit Wochen einen massiven Aufstand. Ebenso in unendlich vielen anderen Städten. Der Beweis dessen sind Videos von Progaddafipropagandademonstrationen der letzten 6 Monate, die man flux auf neu datiert, dabei aber die Orte durcheinanderbringt.

- Aus Tschad, Niger und einigen anderen afrikanischen Ländern ist eine Tuaregarmee unterwegs, um Gaddafi zu unterstützen.

-Auch wenn der Gaddafikanal selbst negatives berichtet, wird dies umgehend dementiert. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

- Die Botschafter der USA und Frankreichs in Libyen wurden entführt oder sind untergetaucht. Auf jeden Fall verschwunden.

- täglich werden Verlustzahlen der Antigaddafikämpfer gemeldet. Diese bewegen sich so etwa zwischen 200 und über 1000 je Tag. Addiere ich nun alle Zahlen zusammen über den gesamten Zeitraum, seit ich mich für die Thematik interessiere, lande ich bei so grob 100.000 Anti-Gaddafikämpfer, die da angeblich gefallen sein sollen. Pro Front, je umkämpfter Stadt wohlgemerkt.

Das ließe sich noch sehr weit so fortsetzen.

Den tollsten Vollpfosten aber habe ich Ihnen bisher vorenthalten. Das ist ein echtes Highlight in Sachen Realitätsverweigerung und wäre ein klares Argument gegen das aktive wie passive Wahlrecht, zumal der Kerl auch schon mal für "Die Linke" als Kandidat zu Wahlen antreten durfte. Weil wir hier aber Demokraten sind, ist er nur ein echt gutes Argument nicht die Linke zu wählen, weil aus Stalinisten schnell Nazis werden und umgekehrt. Es hat durchaus was zentralkomiteehaftes und ich sagen Ihnen: Der Schwarze Kanal von von Schnitzler ist gar nicht tot, von Schnitzler schon, den Kanal gibt es aber noch oder eher wieder und zwar bei Youtube. Da helfen keine Pillen mehr, Argumente sowieso nicht, das müssen Sie als Teil des Kuriosenkabinetts betrachten, das ist so, die sind so....und manchmal bleibt einem dann doch das Lachen im Hals stecken. Unfreiwillige Comedy meets mental problem.

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Donnerstag, 13. Oktober 2011
Biennale
Ich mag Kunst. Vor allem moderne Kunst. Deshalb schaue ich mir an was ich mir anschauen kann und manchmal verreise ich auch für die Kunst, so wie dieses Mal.

Es gibt Leute die meinen, dass Kunst nur was für Leute sei, die etwas höher gebildet seien und ich sage Ihnen nun: Dem ist nicht mal entfernt so. Kunst können Sie auch mit Halbwüxxigen gucken. Oder mit Kindern. Oder auch mit Haupt- und Förderschülern. Das wunderbare an Kunst ist, dass das jeder verstehen kann. Ganz egal vom Bildungsstand. Ich mag Kunst, die in der Lage ist, generationen- und schichtübergreifend verstanden zu werden. Das ist für mich so richtig gut. Und genial. Kunst, die ein Hauptschüler nicht kapiert, die kapiere ich auch nicht, auch wenn es bei Kunst nicht unbedingt nur um das Verständnis geht.

Kurz und sehr gewagt und wahrscheinlich steinigen mich demnäxxt alle Künstler: Kunst ist dann gut, wenn das Kinder kapieren. Und meine These ist: Kinder können das sehr wohl verstehen. Deshalb schauen wir uns jetzt mal die Biennale unter dem Aspekt der Kindertauglichkeit an. Auch deshalb, weil die Biennale auch sowas wie eine Familienveranstaltung ist und neben den üblichen Kunstverdächtigen wie Studienräten auch Eltern mit Kindern zu finden sind.



Hakenkreuzostereier gehen als Kunst durch. Naja. Italien.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit nun erstmal schnell auf den deutschen Pavillon lenken und da muss ich ehrlicherweise zugeben, dass der dieses Jahr nur bedingt kinderfreundlich ist. Er hat aber Preise gekriegt und das nicht umsonst. Sagen wir es mal so: Es ist eine Kathedrale für Christoph Schlingensief und es zeigt einfach alles über Schlingensief. Höhen und Tiefen. Erfolg und Scheitern. Einmal quer durchs Leben. Und Sterben. Zuerst mal gab es die Preise nicht umsonst. Es ist schlicht überwältigend. Und bedrückend. Aber auch lustig. Und lebensbejahend. Ein breiter Querschnitt über Leben und Wirken mitsamt Ausblick über das geplante Projekt eines Operndorfs in Burkina Faso und das filmische Gesamtwerk Schlingensiefs. Man hätte allein in diesem Pavillon Tage zubringen können.

Sagen wir es mal so: Christoph Schlingensief hätte sein eigener Nachruf zweifellos sehr gefallen.





Schwenken wir nun mal über nach Südkorea. Die zeigten bei meinem letzten Besuch schon ziemlich interessante Dinge. Dieses Mal auch wieder. Lustige Klamotten, gewidmet Beuys, John Cale und Nam Jun Paek und diese tollen Scheinbarspiegel, die nur auf den ersten Blick wie Spiegel aussahen und für Kinder total faszinierend waren, weil es immer aussah, als als würden Schüsse von den Spiegeln ausgehen.



Dänemark! Die Dänen waren hochpolitisch und sehr vielfältig. Ein richtig unterhaltsamer Pavillon. Sie haben nette Filmchen und eine ausführliche Dokumentation darüber, wie im maoistischen China Fotos retouschiert wurden, sowie Mao als Ikone. Und sehr lustig fand ich zumindest den Playboy in der Braille-Edition für Sehbehinderte. Da wäre ich gerne selbst drauf gekommen.





Die Amerikaner ließen sich ihren Pavillon von Hugo Boss sponsern und wissen vermutlich gar nicht, dass diese Schneiderei früher mal Zwangsarbeiter Wehrmachtuniformen nähen ließ. Aber angesichts langer Jahre Afghanistaneinsatz ist so ein umgekippter Panzer auch irgendwie ein Statement.



Die Amerikaner haben aber auch lustige Sachen. Letztes Mal verteilten sie zigtausende Bonbons auf dem Boden und jeder durfte sich beteiligen, dieses Mal hatten sie einen Geldautomaten in eine Orgel gebaut und das Ding spielte immer dann eine Melodie ab, wenn so ein paar Gören ihre Eltern wieder überredet hatten, ein paar Euros zu ziehen.



Und spätestens nun sind wir im Kinderparadies der Biennale. In diesem Raum des italienischen Pavillon dürfen sich die Kinder austoben. Und diejenigen, die zwar erwaxxen sind, aber Kinder geblieben sind. Ein grandioser Raum. Das Ursprungsprodukt war mal ein Quader Knete in den arabischen Farben rot, weiß und schwarz, auch als Reminiszenz an die arabischen Revolutionen zu verstehen. Daraus konnte und sollte man allerlei fabrizieren und an die Wand pinnen. Sie ahnen ja gar nicht, wie begeistert Kinder über diese Art von Kunst sein können!





Die absolute Krönung aber sind die Griechen. Deren Pavillon demonstriert ihre momentane Lage allerbestens. Drinnen nämlich findet sich lediglich 10 cm Wasser und drüber führt ein Holzsteg. Kein Bild, keine Skulptur, kein Film. Nix. Nur ein Steg über eine Wasserpfütze. Und während man sich noch fragt, was das nun soll, kommt man umgehend drauf. Mehr ham sie nimmer. Aber reichlich Wasser, das ihnen auch noch bis zum Hals steht und sie deshalb ganz froh sind, wenn sie ein bißchen davon gen Italien entsorgen können. Blöde nur, dass Venedig ebenso regelmäßig überflutet wird.



Die Griechen betonten ausdrücklich, dass die Graffiti NICHT Teil der Ausstellung seien, sondern von anonymen Sprayern hinzugefügt wurden. Aber weil das dann doch irgendwie passt, haben sie es wohl drangelassen. Oder sie haben kein Geld das zu entfernen.



Und dann schauen Sie sich mal die Venezolaner an, die mich schon beim letzten Mal mit tollen Fotos begeisterten. Dieses Mal auch. Die Kinder fanden das toll. Comicfiguren, die sie teilweise auch kannten (den nackigen Obama)





Ausdrücklich keine Fotos gibt es von den Schweizern. Erstens weil der Pavillon Grütze ist und zweitens die dumme Schweizer-Ische extrem unfreundlich zu Kindern war und nun einen guten Grund hat, Deutsche unsympathisch zu finden, weil ich und andere sie wegen ihrer unmöglichen Art mit Kindern umzugehen blöd von der Seite angemacht habe.

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Dienstag, 11. Oktober 2011
Sie kommen direkt nach Hause
Das überrascht mich nun nicht wirklich. Mich würde es eher überraschen, wenn Baden-Württemberg da nicht auch mitgemacht hätte. Will jemand dagegen halten?

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Wenn die Sonne niedrig steht, werfen auch Zwerge lange Schatten
(frei nach dem von mir sehr verehrten Karl Kraus)

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Sonntag, 9. Oktober 2011
Damals und heute
Im letzten halben Jahr hat sich durchaus einiges verändert in Baden-Württemberg. Vieles zum Besseren. Das neueste Beispiel ist, dass wenigstens hin und wieder die Justiz funktioniert, wie erst kürzlich der baden-württembergische Staatsgerichtshof als oberster Verfassungswächter demonstrierte: Der Kauf der EnBW -durchgeführt mittels Notstandsgesetzen durch Mappus und den damaligen Finanzminister Stächele- war verfassungswidrig. Will heißen: Die beiden haben die Verfassung gebrochen, was aber nicht bedeutet, dass die zwei Knallchargen dauerhaft in einer freiheitsentziehenden Anstalt entsorgt sind: Der eine darf die Auslandssparte eines Konzerns ruinieren, der andere ist amtierender Landtagspräsident.

Das heißt aber nicht, dass die alten Herrschaften nicht noch immer zu Schnapsideen tendieren. Dieses mal die ganz alten Herrschaften. Diejenigen, die klammheimlich bedauern, dass in Deutschland vor beinahe 100 Jahren die Monarchie abgeschafft wurde. Zwar war der letzte Monarch bei der Bevölkerung sehr beliebt, was aber nicht zwangsläufig die Nachfahren einschließt. Die residieren mittlerweile in einer Gegend, in der die Kühe schöner sind als die Mädchen und meistens auch schlauer als die dortigen Wähler.

Konkret geht es um dieses Gelände:



Eine Lichtung inmitten eines riesigen Waldgebiets. Ein Naherholungsgebiet, teilweise unter Naturschutz. Bisher wird das Gelände hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt, es gibt aber auch Spazierwege, Lehrpfade, ein Ferienheim und im angrenzenden Wald lebt allerlei Viechzeugs. Der Ausblick von dort gen Hügel ist sensationell. In jeglicher Hinsicht ein Filetstück. Es ist aber auch das letzte Stückchen unbebautes Gelände inmitten eines ansonsten eng besiedelten Gebiets.



Nun kam die Württembergerfamilie auf eine grandiose Idee, die noch nicht mal Daimler selbst eingefallen wäre: Sie boten dem Autokonzern das Gelände zum Kauf an, damit die dort eine Teststrecke mitsamt Entwicklungszentrum hinbauen. Mitten rein ins Naturschutzgebiet. Es ist, als würde man das Ding mitten in den Grunewald oder den Englischen Garten bauen wollen. Weshalb sie ein Grundstück verkaufen wollen, das allein historisch schon tief mit der Familie verbunden ist, weiß niemand so recht.



Das schlug zwangsläufig Wellen. Zuerst mal in den Gemeinderäten der Anwohnergemeinden, aber auch bis hinauf in die Landesregierung. Besonders in dem Gemeinderat auf dessen Gemarkung die Fläche liegt polarisierte die Stimmung sehr schnell. Der Bürgermeister, höheren Weihen nicht abhold, äußerte sich als begeisterter Anhänger der Idee und wusste einen Teil des Gemeindesrats hinter sich. Begründung: 300 Arbeitsplätze. Was sie aber besser nicht sagten ist, dass kein einziger neuer Arbeitsplatz entsteht, sondern lediglich aus dem Großwerk her verlagert wird. Der andere Teil des Gemeinderats plus dem überwältigenden Teil der Bevölkerung nannte es was es ist: Eine saudumme Idee, zumal Daimler selbst ganz andere Flächen favorisierte.



Wäre die Geschichte vor einem Jahr aufs Tableau gekommen: Die damalige Verkehrsministerin hätte ganz gönnerhaft von der großartigen Chance für die Region geschwärmt. Nun sind aber die Zeiten anders. Heute geht das nicht mehr und wenigstens Daimler als -auch regional verwurzeltes und aus der Gegend stammendes- Unternehmen hat verstanden, dass es sich nicht wie die Deutsche Bahn gebärden kann und wahrscheinlich sahen sie dort schon die Kohorten marschieren und befürchteten sowas wie S21 reloaded. Oder sie wollten kein zweites Boxberg.

Und dementierten umgehend, dort etwas bauen zu wollen. Schon der Filbinger wollte sich an diesem Wald vergreifen und ist jämmerlich gescheitert. Heute geht das -gottseidank- noch viel weniger.

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Freitag, 7. Oktober 2011
Querbeetreste
Man kann ja auch mal Reste verwursten. Das ist wie in der Küche, da muss auch manchmal der Kühlschrank entrestet werden. So auch hier. Es liegen ein paar Fotos rum und ein paar halbgare Geschichten, die aber auch nicht mehr ganz aktuell sind. Darum kriegen Sie nun einmal querbeet serviert.

Wir könnten mal mit etwas für mich erfreulichem beginnen. Etwa folgendem Dialog:

Ich: "Wir könnten uns doch duzen. Ich bin ohnehin der ältere und darf das anbieten."

Sie: "Gerne. Ich bin mir aber nicht sicher, ob du der ältere bist."

Ich: "Nicht? Wie alt bist du denn?"

Sie: "32"

Ich: "Danke"

Sie sehen also: Ich komme nun langsam in ein Alter in dem sich freut, wenn man so grob ein halbes Jahrzehnt jünger gemacht wird.



Übrig ist auch noch einiges von der zweiteiligen Mittelmeertour vom August, aber das ist so lange her, dass wir das im Crashverfahren abhandeln können. Da wäre erstmal die völlig planlose Losfahrerei gen Süden. Die ging dann über Venedig, Triest, Slowenien nach Kroatien, Bosnien, wieder Kroatien, nochmal kurz Bosnien, erneut Kroatien bis Montenegro, wo mir dann eingefallen ist, dass ich die gesamte Strecke auch wieder zurückfahren muss und dass dies doch ziemlich weit ist und der kroatische Grenzbeamte nach der 5. Wiedereinreise nach Kroatien nur noch den Kopf geschüttelt hat, weil er im Pass immer weiter nach hinten blättern musste, dabei kann ich nix für diese balkanische Kleinstaaterei. Immerhin gefiel ihm das chinesische Visum.



Aber meine kleinen Highlights bringe ich nun doch auf die Schnelle. Da wäre erstmal die Biennale in Venedig, der einzige Grund überhaupt, Anfang August Venedig aufsuchen zu wollen. Aber wo ich den Text ganz spontan runterschreibe, habe ich mich soeben umentschieden und das in einem extra Beitrag zu bringen. Wäre schade, wenn das völlig unterginge.



Und dann wäre da Split. Eine ziemlich schöne Stadt mit römischem Palast und der ältesten Ultravereinigung, die der Fußball kennt. Die Torcida hat einen enormen Einfluss auf den Verein, ihre Graffiti ziehen sich entlang der gesamten kroatischen Adriaküste und deren Mitglieder sind -freundlich gesagt- reichlich fanatisch und nationalistisch. Da werden Spiele gegen Roter Stern Belgrad zu Kriegseinsätzen Sicherheitskräftegroßeinsätzen und man darf froh sein, dass die beiden Vereine nicht mehr in derselben Liga spielen.



Jetzt sind wir in Dubrovnik. Dubrovnik ist wow. Sehr wow. Genauso überlaufen wie Venedig, aber trotzdem wow. So schaut es von oben aus:



Wenn Sie mal in Dubrovnik sein sollten, dann müssen Sie unbedingt zu War Photo Ltd., einer richtig guten Ausstellung über Photographie in Kriegsgebieten. Das ist beeindruckend, überwältigend und ich könnte da phototechnisch meistens eher nicht draufhalten, ich habe da eine natürliche Hemmschwelle was das angeht. Ich konnte noch nicht mal Pfeffersprayopfer des 30.09.2010 im Stuttgarter Schloßpark ablichten.



Kuriositäten finden sich natürlich auch überall. Beispielsweise äußerst kuriose Autokennzeichen. Wenn Sie bitte mal etwas näher an den Bildschirm rücken würden:





Im Kleingedruckten dort steht "California", so das Ihre Sehnerven nicht mitmachen.

Wir könnten auch mal die Friedhöfe berücksichtigen. In welchem Land ich auch bin, schaue ich mir wenn möglich Friedhöfe an. Wahrscheinlich ein Hauch von Nekrophilie. Oder so. Balkanfriedhöfe sind wirklich kurios. Einerseits gibt es da die Praxis, ausgehobene Gräber einfach leer und offen zu lassen, weshalb ich Ihnen dringend davon abrate, sich auf dem Balkan nachts auf Friedhöfen rumzutreiben und wenn doch, sollten Sie dringend für eine ordentliche Beleuchtung sorgen.



Und dann hätten wir da noch einen Grabstein, den Sie sich auch mal etwas genauer anschauen könnten. Wenn Sie das tun, dann wird Ihnen auffallen, dass die Eheleute Obradovic noch gar nicht verstorben sind, sondern noch quietschfidel und munter sich des Lebens erfreuen. Das künftige Grab mitsamt Fotos von Bogdan und Dragica gibts aber schon.



Wo ich das grade so runterschreibe, bemerke ich, dass das nun doch etwas länger wird, aber Sie kennen das sicher, dieses Sich-nicht-bremsen-können-und-alles-reinpacken-müssen und wenn Sie es nicht von sich selbst kennen, dann kennen Sie das von mir und dann wissen Sie auch, dass wir da nun beide durch müssen, Sie lesenderweise, ich schreibenderweise und ich weiß nun ehrlich gesagt auch nicht, wen von uns beiden ich nun mehr bedauern soll, wenngleich ich anfügen möchte, nicht unbedingt zu Selbstmitleid neigen zu wollen und ich daher eher dazu tendiere, Mitgefühl mit Ihnen haben zu wollen.



Wir machen es nun kurz. Rückfahrtstopp war dann am Chiemsee, einer wundervollen Gegend, die ich bis dahin eher im Vorbeifahren kennengelernt hatte und die mich dann aber zu einem ungeplanten Zwangsaufenthalt infolge akuter Intoxikation zwang. Schuld daran waren verwandtschaftliche Bande, dem es noch viel schlimmer erging als mir, weil er im Gegensatz zu mir arbeiten musste. So siehts am Chiemsee aus:



Die zweite Augusthälfte war dann Ligurien und die Mittelmeerküste bis Monaco, aber das wissen Sie ja schon. Das ist eine ebenso schöne Gegend, aber etwas anders als die Adriaküste, weil Ligurien im Grunde nur ein sehr schmaler Küstenstreifen ist und dann gleich die Täler und die Berge losgehen. Manchmal ist der Streifen grade mal ein paar Dutzend Meter breit.



Ich mag diese Kombination allerdings sehr. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass meine Affinität Meer gegenüber extrem groß ist, weil ich so grob 8 Autostunden vom Meer entfernt wohne, ganz egal, in welche Richtung ich mich bewege, ich aber auch Berge mag, weil ich zwischen den Bergen aufgewaxxen bin. Beides zu haben. Schön.



Ganz freiwillig war diese Reise zwar nicht, aber es gibt wirklich schlechtere Arbeitsplätze als zwischen Olivenhainen und Weinbergen mit Meerblick. Zudem beinahe schon entspannend.



Und dann musste ich mich neulich schwer beherrschen. Sie ahnen ja gar nicht, wieviel Anstrengung es bedarf nicht in schallendes Gelächter auszubrechen, wenn Sie vor Indios stehen, die mitten aus den allertiefsten Tiefen des peruanischen Urwalds kommen und Ihnen erklären, dass sie Heinz und Helga heißen und sich dies auch noch als wahr herausstellt.



Und wo ich mit einem Dialog begonnen habe, ende ich steigernderweise mit einem "Trialog" zweier Kinder mit mir und der ging so:

Kind A zu Kind B: "Ich bin aus der Türkei und du?"

Kind B, immer etwas langsamer in allem, guckt nur. Ich will helfen:

"Er stammt aus dem Libanon"

Kind B schaut mich fragend an und sagt dann: "Nö. Ick bin ein Berlina"

Und dann erklärense ihm mal, weshalb Sie sich scheckig lachen, wenn er keine Ahnung von Kennedy hat.

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