Sonntag, 9. Oktober 2011
Damals und heute
Im letzten halben Jahr hat sich durchaus einiges verändert in Baden-Württemberg. Vieles zum Besseren. Das neueste Beispiel ist, dass wenigstens hin und wieder die Justiz funktioniert, wie erst kürzlich der baden-württembergische Staatsgerichtshof als oberster Verfassungswächter demonstrierte: Der Kauf der EnBW -durchgeführt mittels Notstandsgesetzen durch Mappus und den damaligen Finanzminister Stächele- war verfassungswidrig. Will heißen: Die beiden haben die Verfassung gebrochen, was aber nicht bedeutet, dass die zwei Knallchargen dauerhaft in einer freiheitsentziehenden Anstalt entsorgt sind: Der eine darf die Auslandssparte eines Konzerns ruinieren, der andere ist amtierender Landtagspräsident.

Das heißt aber nicht, dass die alten Herrschaften nicht noch immer zu Schnapsideen tendieren. Dieses mal die ganz alten Herrschaften. Diejenigen, die klammheimlich bedauern, dass in Deutschland vor beinahe 100 Jahren die Monarchie abgeschafft wurde. Zwar war der letzte Monarch bei der Bevölkerung sehr beliebt, was aber nicht zwangsläufig die Nachfahren einschließt. Die residieren mittlerweile in einer Gegend, in der die Kühe schöner sind als die Mädchen und meistens auch schlauer als die dortigen Wähler.

Konkret geht es um dieses Gelände:



Eine Lichtung inmitten eines riesigen Waldgebiets. Ein Naherholungsgebiet, teilweise unter Naturschutz. Bisher wird das Gelände hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt, es gibt aber auch Spazierwege, Lehrpfade, ein Ferienheim und im angrenzenden Wald lebt allerlei Viechzeugs. Der Ausblick von dort gen Hügel ist sensationell. In jeglicher Hinsicht ein Filetstück. Es ist aber auch das letzte Stückchen unbebautes Gelände inmitten eines ansonsten eng besiedelten Gebiets.



Nun kam die Württembergerfamilie auf eine grandiose Idee, die noch nicht mal Daimler selbst eingefallen wäre: Sie boten dem Autokonzern das Gelände zum Kauf an, damit die dort eine Teststrecke mitsamt Entwicklungszentrum hinbauen. Mitten rein ins Naturschutzgebiet. Es ist, als würde man das Ding mitten in den Grunewald oder den Englischen Garten bauen wollen. Weshalb sie ein Grundstück verkaufen wollen, das allein historisch schon tief mit der Familie verbunden ist, weiß niemand so recht.



Das schlug zwangsläufig Wellen. Zuerst mal in den Gemeinderäten der Anwohnergemeinden, aber auch bis hinauf in die Landesregierung. Besonders in dem Gemeinderat auf dessen Gemarkung die Fläche liegt polarisierte die Stimmung sehr schnell. Der Bürgermeister, höheren Weihen nicht abhold, äußerte sich als begeisterter Anhänger der Idee und wusste einen Teil des Gemeindesrats hinter sich. Begründung: 300 Arbeitsplätze. Was sie aber besser nicht sagten ist, dass kein einziger neuer Arbeitsplatz entsteht, sondern lediglich aus dem Großwerk her verlagert wird. Der andere Teil des Gemeinderats plus dem überwältigenden Teil der Bevölkerung nannte es was es ist: Eine saudumme Idee, zumal Daimler selbst ganz andere Flächen favorisierte.



Wäre die Geschichte vor einem Jahr aufs Tableau gekommen: Die damalige Verkehrsministerin hätte ganz gönnerhaft von der großartigen Chance für die Region geschwärmt. Nun sind aber die Zeiten anders. Heute geht das nicht mehr und wenigstens Daimler als -auch regional verwurzeltes und aus der Gegend stammendes- Unternehmen hat verstanden, dass es sich nicht wie die Deutsche Bahn gebärden kann und wahrscheinlich sahen sie dort schon die Kohorten marschieren und befürchteten sowas wie S21 reloaded. Oder sie wollten kein zweites Boxberg.

Und dementierten umgehend, dort etwas bauen zu wollen. Schon der Filbinger wollte sich an diesem Wald vergreifen und ist jämmerlich gescheitert. Heute geht das -gottseidank- noch viel weniger.

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Zu den weniger alten Herrschaften: bedeutet die Verfassungswidrigkeit nicht wenigstens, daß man den Mist noch rückgängig machen kann?

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....da bin ich nicht sicher. Wahrscheinlich schon. Allerdings will mindestens die SPD das gar nicht rückgängig machen. Es wird jetzt aber geprüft, in wie weit man die beiden Herren zwecks Regress in Anspruch nehmen kann.

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So viel Geld, wie das gekostet hat dadurch, daß EnBW nach Fukushima rapide an Wert verloren hat & man die Dividende vergessen kann, haben die beiden Herren doch gar nicht, zumindest nicht legal, offiziell, und so, daß man drankommt!

Und wieso sollte die SPD ein grottenschlechtes Geschäft nicht wieder rückgängig machen wollen?

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....bisher gehts um grob eine Milliarde. Mir ist auch klar, dass man das nicht von denen eintreiben kann, würde mich aber sehr drüber freuen, wenn man denen alles wegpfändet bis runter aufs Existenzminimum (nein, ich glaube kaum, dass das passieren wird, aber rein symbolisch würde ich mich zumindest mal über eine Anklage freuen).

Weder SPD noch Grüne waren unzufrieden mit dem Geschäft und das liegt vor allem daran, dass sie den Konzern umbauen können. Nach ihren Vorstellungen. Dass dies eine Menge Geld kostet war klar und die Vorstellung, dass die Grünen direkte Kontrolle über AKWs kriegen, war auch irgendwie seltsam.
Aber der Schmid (der mit den Zähnen) sagte bereits, dass man das Geschäft nicht rückgängig machen wolle. Ich muss mal nachschauen, was die Grünen dazu sagen.

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@sethos, das sind aber auch Fragen: Warum sollte die SPD? Warum sollte die CDUFDPSPDGrüne einem EU-Rettungschirm über 400 Milliarden zustimmen?

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In Ostdeutschland (oder auch in NRW) würde man so was ratzfatz für einen Tagebau wegbaggern. Oder ein Kieswerk. Oder Tongruben.

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...das wäre hier vor einem Jahr auch noch gegangen. Seit S21 hat sich das aber geändert. Zumindest vorübergehend. Wobei: Den Widerstand gegen sinnlose Unternehmungen gabs auch bereits zuvor:

http://finkployd.blogger.de/stories/1215678/

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Don´t worry!

Und heute stand es schon wieder in der Badischen: Die in Immendingen sind ja so was von rattenscharf auf die Teststrecke.

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....hier bauen die das wohl tatsächlich nicht. Da fehlt der gewünschte Autobahnanschluss und Daimler hätte auch gern ein Gelände, das schon ein bißchen Infrastruktur hat und da kann dann Immendingen wirklich punkten.

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