Freitag, 18. März 2011
Würden
die Maßstäbe der Bundesregierung hinsichtlich Libyen auch für Afghanistan gelten, man müsste dort umgehend abziehen.

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Kambodscha
Kambodscha ist so ganz anders als Vietnam. Das hatte ich ein bißchen auch erwartet, aber dass es so anders sein würde dann vielleicht doch nicht. Es beginnt schon mit den visuellen Eindrücken gleich hinter der Grenze: Während Vietnam sowas wie ein riesiges Reisfeld in grellgrün ist, ist Kambodscha zuerst mal eine weite braune Fläche mit sporadischen Palmen. Es sieht schön aus, erklärt aber gleichzeitig auch ein bißchen, weshalb Kambodscha deutlich ärmer ist als Vietnam.



Kambodscha leidet noch immer unter der Geschichte der letzten 50 Jahre und das merkt man. Einst galt Kambodscha als die Schweiz Südostasiens mit wenigstens einigermaßen prosperierender Wirtschaft, danach kamen erst die Amerikaner mit ihrem Flächenbombardement, danach die Roten Khmer mit einem der grausigsten Genozide aller Zeiten und anschließend die Vietnamesen, die zwar die Roten Khmer hinwegfegten, aber gleichzeitig noch mehr Landminen legten in einem Land, das bereits zuvor ohnehin schon einen der dichtesten Minengürtel der Welt auswies. Da drauf dann nochmal 10 Jahre Bürgerkrieg und danach haben Sie dann ein Land, das am internationalen Tropf hängt. Hängen muss. Armut, Minen, zig Kriege, ein Völkermord, grassierende Korruption ohne Ende, damit kann ein Land allein nicht fertig werden.

Heute ist deutlich sichtbar, dass Kambodscha nicht nur eine Generation fehlt. Kambodscha fehlen gleich mehrere Generationen und das liegt zuallererst an den Verbrechen der Roten Khmer, die es innerhalb von grade mal vier Jahren schafften, ein Viertel der Bevölkerung zu ermorden, darunter so ziemlich die gesamte Elite und alle die moralisch (Mönche) oder intellektuell (Brillenträger) hätten den Roten Khmer entfernt hätten gefährlich werden können. Am Ende gab es in ganz Kambodscha grade noch mal 50 Ärzte im ganzen Land und von 85.000 Mönchen überlebten 3.000.

Es ist teilweise eine erdrückende Armut. Ich habe schon vielerlei Armut gesehen, aber Kambodscha ist phasenweise pures Elend. Es gibt Armut in Würde und es gibt Armut, in der es trotz allem Hoffnung gibt und es gibt die kambodschanische Armut. Das sieht man nicht nur. Man kann es auch riechen und die kambodschanische Armut riecht nach Abfall, Müll, Verwesung und Tod. Die Müllsammler, die nackten Kinder. Hier fehlt bisher jede Zivilgesellschaft und ein funktionierendes Sozialsystem ohnehin. Es gibt noch nicht mal ein NICHT funktionierendes Sozialsystem. Es gibt überhaupt gar keines. Das einzige Prinzip ist: Help yourself.

Wenn Sie nun -wie ich- mit dem Bus von Saigon nach Phnom Penh fahren, dann hält der Bus zwei Mal: Einmal an der vietnamesisch-kambodschanischen Grenze und dann in Neak Loeung, um mit der Fähre über den Mekong überzusetzen. Landesgrenzen sind wie überall steril: Touristen, Grenzgänger, Beamte unter sich. Die Fähre über den Mekong dagegen ist das pure Leben. Wenn Sie Vietnam gewohnt sind, kriegen Sie jetzt zum ersten Mal einen kleinen Kulturschock, weil Sie von nun an betatscht werden und sich dreckige Kinder an Ihre Hosenbeine heften, ebenso wie verstümmelte Bettler. Bei viel Mitgefühl hasse ich es aber, ungefragt betatscht zu werden, vor allem in Regionen meines Körpers, in denen sich Pass und Geld befinden.



Kambodscha ist aber nicht nur arm. Es bietet auch sehr viel: Zuerst einmal Menschen. Viele der positivsten Erlebnisse von mir in Kambodscha hatten mit Menschen zu tun und ihrem Willen, sich zu bilden und ein bißchen die soziale Leiter hinaufzusteigen. Man könnte meinen, dass das Land von Auswegslosigkeit geprägt ist, aber dem ist nicht so: Hoffnung hat hier fast jeder und das ist wirklich beachtlich. Eigentlich hätten die Khmer viele Gründe zu verzweifeln, aber das tun sie nicht. Sie haben sich ihre Würde bewahrt und ihren Stolz.

Mit dem Einfall von Ausländern -Touristen wie Helfern- tun sich zweierlei Dinge: Positiv ist, dass viele Khmer profitieren. Sei es als Angestellte im Tourismuswesen, als Fahrer, in NGOs etc, sei es als Profiteure des Helfersystems in gemeinnützigen Restaurants, Werkstätten und anderen Einrichtungen. Negativer dagegen die Kinderarbeit etwa. Das gibt es zwar in Vietnam auch, aber dort läuft das etwas versteckter. In Kambodscha nicht. Da bemüht man sich nicht mal, das zu verstecken. Dort kommt die fette Matrone mit 5 oder 6 Kindern, setzt sich auf eine Bank im Schatten und wartet bis die Kleinen mit erbetteltem Geld zurückkommen.
Neben der Kinderarbeit auch die Prostitution: Als alleinreisender männlicher Ausländer kenne ich jetzt auch die Preise, da sie mir dauernd genannt werden. Ohne Verlangen. 10 Dollar.

Kotzen könnte ich übrigens über Leute, die einem erzählen wollen, dass das mit der Müllsammelei und den Straßenkindern noch gar nicht Armut sei, man solle sich doch erstmal in die Dörfer bewegen, da sei es noch viel schlimmer. Das kommt nie von Kambodschanern sondern ausschließlich von Ausländern, die in 4Sterne-Hotels wohnen, definitiv eine gesicherte Existenz haben und wahrscheinlich twittern, wie billig die Huren in Kambodscha sind.

Insgesamt aber geht es in Kambodscha aufwärts. Trotz vieler Hindernisse wie Armut oder Korruption. Die Situation vieler Khmer verbessert sich. Das hat auch u.a. mit Tourismus und der internationalen Aufmerksamkeit (z.B. Minen räumen) zu tun.

Und dann die Kultur! Noch nicht mal die Roten Khmer mit ihrem Terrorregime haben es geschafft, die kambodschanische Kultur endgültig zu zerstören.

Sie haben Angkor und viele weitere Tempel und sind zurecht stolz darauf und das ist schlicht DER Bezugspunkt Kambodschas. Das kriegen Sie aber später zu sehen.

Sie haben aber auch Amok. Anderswo klingt das sehr gefährlich, in Kambodscha ist es eine Gewürzmischung und hallo, sie machen Amok-Fisch mal richtig gut. Herrlich.

Nichts aber über diese Menschen...

Welch großartiges Land....

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