Sonntag, 17. Oktober 2010
my motivation
Disclaimer: Ich habe wahrlich nicht vor, dieses Blog zu einem Anti-S21-Blog zu machen. Da gibt es einerseits bessere und andererseits hab ich auch noch anderes zu tun als nur zu demonstrieren. Und ehrlich gesagt: The media overkill....der kriegt auch mich irgendwann. So ein bißchen bin ich Teil geworden und das nicht wirklich unfreiwillig. Eitel bin ich sowieso und große Teile meines Lebens nimmt es sowieso ein. Aber es gibt auch bei mir ein Leben jenseits von S21 und irgendwann mal ist auch jede Geschichte toterzählt und deshalb beenden wir jetzt mal die hochoffiziellen Anti-S21-Wochen mit einem Anti-S21-Beitrag, der mal halt so auf Halde lag, den ich aber nicht vorenthalten will. Ein Mal müssen Sie noch durch. Bald wieder normal. Versprochen.Es sei denn, Heribert gedenkt mal wieder Schüler verprügeln zu lassen

Vielleicht muss ich irgendwann mal meine Motivation erklären, weshalb ich eigentlich -mittlerweile sehr vehement- gegen ein superdupertolles Projekt bin, das reichen Segen und unendlichen Fortschritt über diese darbende, rückständige Region, verlassen am Rande Europas, bringen wird und das von allen Befürwortern selbstlos erdacht und geplant wurde.

Zuerst einmal muss ich gestehen: Ich bin furchtbar undankbar. Ich hätte nämlich durchaus einen Vorteil von einer Umsetzung des Projekts. Die Fahrzeit würde sich in meinem Fall um sensationelle drei Minuten verringern. Noch mal in Zahlen: 3. Minuten. Das macht bei einer Gesamtfahrzeit von so grob einer Dreiviertelstunde ja schon einiges aus, aber gleichzeitig fahre ich nicht so häufig Bahn, durchschnittlich so etwa ein Mal im Jahr. Heißt also: Von 525.600 Minuten die ich jährlich zur Verschwendung zur Verfügung habe, schenkt mir die Bahn exakt drei zur neuerlichen Verplemperung und ich undankbarer Depp weiß nichts damit anzufangen.

Okay, da gäbe es auch noch ein paar andere Umstände. Wie etwa die Kostenfrage. Ja, okay, es kostet nicht ganz so viel, wie eine durchschnittliche Landesbank mal an einem durchschnittlichen Vormittag an Subventionen durch den Steuerzahler benötigt. Dennoch hätte sich das ganze Projekt ziemlich schnell erledigt, wenn es rein nach Kategorien wie Wirtschaftlichkeit ginge. Die Grenze lag dabei laut Bahn bei 4,5 Milliarden an Baukosten.
Lag. Seit neuestem liegt sie bei 4,8 und das hat verdammt gute Gründe:
Die Kosten galoppieren davon. Die letzte Schätzung der Bahn (!) endete bei 4,9 (plus 0,4 Risikorücklagen) und das war gar nicht gut. Also wurde wieder runtergerechnet auf 4,1 (plus 0,4 Risikorücklagen). Möglich war das durch Einsparungen, zum Beispiel durch dünnere Tunnelwände und Grundwasserabsenkung (erinnert sich vielleicht jetzt jemand zufällig an das Kölner Stadtarchiv?) und das obwohl die Tunnelröhre genau neben einem Tunnel verlaufen soll, der heute schon permanent nachgebessert (ca. 4-5 Vollsperrungen pro Jahr/ über mehrere Tage/ Nächte hinweg) werden muss.
Der Bundesrechnungshof liegt bei 5,3 Milliarden und konstatiert gleichzeitig, dass 100% Kostensteigerung bei so nem Projekt locker fällig seien, ein renommiertes Institut, das bereits den Transrapid erlegte kommt auf 7,1, manche landen auch bei 9 oder 10. Wir reden hier übrigens immer noch von Milliarden.

Aber gut. Geht man wegen zig abstrakten Nullen auf die Straße? Da wären ja auch noch andere Themen mit ebensovielen Nullen. Schließlich ertragen wir die Spätzlemafia bereits seit 6 Jahrzehnten und mal ehrlich: Lange hatten wir alle was davon.

Irgendwann kamen dann noch ein paar grausige Details raus. Beispielsweise ein Gutachten einer Schweizer Firma namens sma. Die sind Weltmarktführer in Sachen Eisenbahnkonzeptionsentwurf und Fahrpläne. Das Gutachten wurde von der Landesregierung in Auftrag gegeben und umgehend weggeschlossen. Weil es konstatierte, dass dieses Projekt mitnichten der große Schritt in die Zukunft sei sondern quasi schon per Planung es zu Verspätungen und Engpässen kommen muss und die ICEs hinter S-Bahn herzuckelten. Schnell erklärte die Landesregierung das Gutachten für veraltet, vergaß dabei aber, ein aktuelleres Gutachten zu präsentieren.

Was aber am schwersten wiegt: Die Mär von dem völlig demokratisch legitimierten Projekt, das durch alle Institutionen gegangen sei und gegen das sich erst mit Baubeginn Protest geregt habe, welcher viel zu spät komme.
Erstens entstand der Protest zeitgleich mit der ersten Präsentation. Die Bürgerinitiative gründete sich bereits 1994. Zweitens stand bereits die OB-Wahl von 1996 unter dem Zeichen von S21 und es ist der SPD zu verdanken, dass der CDU-Kandidat Schuster die Wahl gewann und nicht der Grüne Schlauch. Über die Jahre hinweg gab es etwa 10.000 Einsprüche, zig Forderungen nach mehr Teilnahme und ein Bürgerbegehren, das man mal schnell unter den Tisch hat fallen lassen.

Meine Motivation ist schon lange kein Bahnhof mehr. Meine Motivation ist, in was für einem Land wir eigentlich leben wollen und wie einige denken, wie sie mit anderen umgehen können.

Über dieses Projekt wie es sich heute darstellt und das immer teurer wurde, mittlerweile mehr als das Doppelte kostet als im Rahmenplan vereinbart -und das ist noch die schönste aller Rechnungen- sowie wichtige Gesichtspunkte und Gutachten unterschlagen hat, darüber hat nie ein Parlament und nie ein Volksvertreter abgestimmt. Und mal ehrlich: Über die demokratische Legitimation eines Projekts braucht man sich spätestens dann nicht mehr zu unterhalten, wenn man weiß, dass die Protagonisten es als rechtmäßig und angemessen empfinden, Großmütter und Schüler zu verprügeln und das, um etwas durchzusetzen, das gar nicht legal gewesen ist.

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Donnerstag, 14. Oktober 2010
Die Spätzle-Mafia
Wenn über längere Zeit hinweg immer dieselbe Partei regieren darf, dann entsteht irgendwie zwangsläufig Filz. Ein politisches Naturgesetz, ganz gleich welche Couleur die Partei haben mag.
Wenn eine Partei aber Jahrzehnte ohne Unterbrechung regieren darf.....

Wie eben hier in Baden-Württemberg, wo vor 20 Jahren eine "Jahrhundertidee" geboren wurde. Weil hier Politik und Wirtschaft sich schon immer etwas näher waren als anderswo und nicht ganz zu unrecht der Verdacht besteht, dass nicht selten Firmen mittels Steuergeldern gepusht wurden. Das wurde lange hingenommen, nicht zuletzt deshalb, weil auch die kleinen Leute etwas davon hatten. Irgendwann aber läuft jedes Fass über.

Erst mal vorab: Es wird jetzt kompliziert, aber das liegt nicht an mir sondern am Filz und den komprimiert zu beschreiben ist recht schwer. Gehen wir´s an.

Als da an Beteiligten wären:

Die üblichen Verdächtigen aus der Landes- und Bundespolitik. Teufel, Oettinger, Wissmann, Cleverle Späth, Mappus. Garniert mit Vertretern der SPD, idiotischtreu bis heute.

Aus der Wirtschaft dabei:
Heinz Dürr, ehemals Daimler, damals AEG-Sanierer, später Chef der Deutschen Bahn,
Hartmut Mehdorn, ehemals Daimler, damals Heidelbergdruck, später Chef der Deutschen Bahn und
Rüdiger Grube, Ex-Büroleiter Mehdorn, damals Daimler, derselbe der die supertolle Idee mit der Welt-AG hatte und für die Chryslerkrise verantwortlich zeichnet, heute Chef der Deutschen Bahn.

Spätestens jetzt frage ich mich, ob Teilnahme am elitären Zirkel Bedingung dafür ist, später Chef der Deutschen Bahn zu werden. Dem ist natürlich nicht so. Aber es gilt auch: Entsprechend ist der einzige NichtPro21er, der gleichzeitig dennoch Bahnchef war und das alles schon absagen wollte (Ludewig) natürlich auch nicht Mitglied des Spätzle-Clubs. Unter uns gesagt: Man könnte auch den Eindruck gewinnen, dass der erlesene Herrenclub seinen Einfluß hätte geltend gemacht haben können, wenn es um die Besetzung des DB-Chefs geht...
...man könnte auch auf böse Gedanken kommen, wenn man weiß, dass Ludewig nur wenige Wochen nach dem Vorabaus für S21 abberufen wurde, der Nachfolger Mehdorn hieß und die Stadt Stuttgart gleichzeitig in vorauseilendem Gehorsam der Bahn für eine halbe Milliarde Euro großzügig Gelände abgekauft hat, auf dem irgendwann einmal ein total tolles Neureichenviertel entstehen soll, für das es zu diesem Zeitpunkt aber weder Pläne noch Genehmigungen gab.

Dabei natürlich auch Martin Herrenknecht (Parteizugehörigkeit dürfen Sie raten), Tunnelbaufirma. Sie dürfen nun mal kurz zusätzlich raten, wer die Tunnel für S21 bauen wird. Ohne Ausschreibung, wie Oetti bereits versicherte. Sogar via Regierungserklärung. Wenig später kam dann eine "kleinere Summe" auf einem Parteikonto an. Dem Aufsichtsrat der Firma sitzt übrigens Lothar Späth vor.

Oder Rudi Häussler, Großprojekteerbauer, dank Oettingers Betreiben nun versorgt mit dem Bundesverdienstkreuz, dessen ehemaliger Firmenbeteiligter Rüdiger Grube, jetzt Bahnchef, heißt. Wer wettet dagegen, dass Häussler nicht irgendwas in Stuttgart bauen möchte? Irgendwie muss man ja aus der Insolvenz kommen.

Gut, es mag ein Zufall sein, dass 5 von 6 Bilfinger Berger-Vorständen aus der Region kommen und/oder mindestens hier studiert haben, aber die Frage, ob es nicht auch andere Bauunternehmen gibt und weshalb ausgerechnet der Bilfinger Berger-Vorstand im Unterstützerkreis S21 hockt, die ist erlaubt. Erneut dürfen Sie raten, an wen die Bauaufträge vergeben wurden.

Zufall mag auch sein, dass der stellvertretende Stuttgarter OB ausgerechnet die Firma berät, die den Nordflügel abgerissen hat. Die Tatsache, dass er das verschwiegen hat, mag seiner Vergesslichkeit geschuldet sein.

Profitieren wird auch mächtig die ECE. Die bauen gigantische Einkaufszentren in Überdimensionen. Das wollen sie auch in Stuttgart tun. Im Stiftungsrat und damit direkt zuständig für das Stuttgarter Einkaufszentrum: Die Lebensgefährtin von Oettinger, bis vor wenigen Tagen die Verkehrsministerin Gönner, bis vor kurzem auch OB Schuster und noch immer der S21-Architekt Ingenhoven.

Es braucht aber auch eine gute Presse. Da kommt dann ein klammer Großverlag der dringend Geld braucht grade recht. Vor allem dann, wenn der Großverlag einige der allerwichtigsten Zeitungen herausgibt. Da kann man schon mal einen Kredit über die LBBW vergeben, in deren Verwaltungsrat der Finanzminister, der Europaminister, wiederum Dürr, der Stuttgarter OB und der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag sitzen. Der Vorsitzende der Trägerversammlung? Mappus.
Da ist es dann wenig verwunderlich wie seltsam einseitig positiv die Presse in der Folge berichtet. Einer der Redakteure konstatiert, dass ohne das freundliche Zutun der Stuttgarter Zeitung S21 gar nicht möglich gewesen wäre. Ein anderer schreibt, dass es im Nachhinein ein Fehler gewesen sei, S21 zu StZ21 zu machen (StZ=Stuttgarter Zeitung).

Kommen Sie noch mit? Wenn nicht: Ich habe mich ja tatsächlich einmal hingesetzt und versucht, das irgendwie graphisch-übersichtlich zu gestalten, weil ich selbst irgendwann mal nicht mehr so recht durchgestiegen bin. Hier das Ergebnis (vereinfacht), klicken macht groß:



Sie alle sind mächtig miteinander verflochten und man sollte mal wirklich ernsthaft überlegen, ob die ganze Lobbyscheiße auch nur halbwegs zukunftsfähig sein kann. Lässt sich ein politisches Amt gleichzeitig vereinbaren mit einem Aufsichtsratsposten bei einem gewinnorientierten Unternehmen? Wie interpretiere ich beispielsweise die Zwischenrufe von Patrick Döring zu S21 im Bundestag, wenn ich gleichzeitig weiß, dass er bei der Deutschen Bahn eine nicht ganz kleine Nummer spielt?

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Dienstag, 12. Oktober 2010
Gbay
Sie bieten hier auf zwei wunderschöne Rosskastanien Original-Bio-Pflastersteine (Aesculus hippocastanum), direkt aus dem Stuttgarter Schlossgarten. Selbstverständlich liegt der formschönen Edelverpackung auch ein Echtheitszertifikat bei.



Die Bio-Pflastersteine stammen aus kontrolliert ökologischem Bioanbau und wurden von Bäumen geerntet, die bereits durch die napoleonische Soldateska ausgiebig uringedüngert wurden. Bis zum heutigen Tag wird die Tradition fortgesetzt: Rohkost-Schäferhunde und Wodka-Bull-Jugendliche geben den Pflanzen seit Jahren die so wichtigen Nähr- und Ballaststoffe. Erfahrene Pflastersteinsammler schätzen die herrliche Lage der Bäume in einem oft warmen heißen Talkessel mit den allerfeinsten Feinstaubwerten Europas. All diese Komponenten machen die Bio-Pflastersteine aus Stuttgart zu einem einmaligen Naturprodukt, das weltweit seinesgleichen sucht.

Experten und Kenner bewundern die Flugeigenschaften des Geräts und loben immer wieder aufs Neue die Spitzen-cw-Werte. Ein echter Handschmeichler, gleichzeitig aber mit einzigartigen Beschleunigungswerten. Bio-Pflastersteinexperte M. Appus sprach bereits von "einschlagenden Argumenten" und der "absoluten Vollwertigkeit im Vergleich mit handelsüblichen Nicht-Bio-Pflastersteinen, in einigen Kategorien diesen gar weit überlegen". Sie sehen: Sie bieten hier auf ein absolutes Produkt der Extraklasse!

Es handelt sich um eine 2010er-Ernte. Wie Sie sicher wissen ist 2010 ein absoluter Spitzenjahrgang.
Leider verfügt einer der Bio-Pflastersteine über eine kleine Delle, welche bewässerungsbedingt scheint. Vermutlich könnte hierzu eine detaillierte Expertise durch den Sachverständigen der Bereitschaftspolizei (Abteilung Gartenschutz) Klärung bringen. Die Kosten diesbezüglich trägt natürlich der Käufer.

Die Bio-Pflastersteine werden künftig eine immense Wertsteigerung erfahren, da es sich um die letzten ihrer Art handelt. Wie Sie sicher wissen, soll Stuttgart eine Bio-Pflastersteinlose Zone werden, weshalb zur Zeit intensive Arbeiten zur Verpelletisierung der Mutterpflanze im Gange sind. Es ist daher davon auszugehen, dass eine eventuelle Wiederaufforstung nur noch mit Ahorn geschehen wird. Das "Gesetz zum Verbot der Wiederaufforstung von Kastanien im Stadtgebiet Stuttgart" (GzVdWvKiSS) kann gegen Einsendung eines rechmäßig frankierten Rückumschlags beim Ministerium für Rech bezogen werden. Es ist daher zu erwarten, dass die Preise ins unermeßliche steigen werden. Daher sind die Bio-Pflastersteine auch bestens als Anlage geeignet, etwa in Form einer Altersvorsorge oder wenn Sie mal eine Hypothek fürs Häusle nicht mehr zahlen können. Bestens auch als Weihnachtsgeschenk geeignet.

Greifen Sie noch heute zu! Werden Sie glücklicher Besitzer eines bereits historischen Gegenstands der Weltgeschichte.

Da es sich nicht um ein gewerbliches Angebot handelt ist Rücknahme oder Umtausch ausgeschlossen. Garantie sowieso. Gbay-Gebühren trägt der Verkäufer, Versand- und Verpackungskosten natürlich der Käufer.

Viel Spaß beim Bieten!

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Samstag, 9. Oktober 2010
Jetzt erst recht
Es war einmal ein Herrscher. Der gängelte die Bevölkerung sehr. So sehr, dass die sich das irgendwann mal nicht mehr gefallen lassen wollte und sich gegen den Herrscher erhob. Das beeindruckte den Herrscher erstmal und deshalb nahm er ein paar Restriktionen und Repressalien zurück. Es ärgerte ihn aber auch und deshalb schickte er gleich Truppen hinterher, um den Aufstand niederzuschlagen.

Das Ganze ist knapp 500 Jahre her und spielte sich in der tiefsten schwäbischen Provinz ab. Es endete damit, dass der Herrscher (Herzog Ulrich) ins Exil flüchten musste und das Herzogtum Württemberg in der Folge eine für die damalige Zeit geradezu revolutionäre "Verfassung" bekam. Es endete auch damit, dass der Aufstand mitnichten niedergeschlagen war sondern im nächsten Aufstand kulminierte: Dem Bauernkrieg.



Hier und heute geht es längst nicht mehr um einen Bahnhof oder ein paar Gleise. Jetzt geht es darum, in was für einem Land wir eigentlich leben. Es geht darum, ob wir weiter von Leuten regiert werden, die schlichtweg dumm, mafiös verstrickt oder verlogen sind. Ob es hier Leute in Führungspositionen geben darf, die ein paar Neuntklässler zusammenschlagen lassen dürfen und danach auch noch hämisch feixend Lügen erzählen.

Aus hiesiger, jetziger Sicht: Nie hatte er mehr Recht:

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Donnerstag, 7. Oktober 2010
Mappus wählen!
Drüben bei buntgrau gibt es einen sehr lustigen Mappus-Plakatomaten und damit kann man lustig texten....

















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Donnerstag, 7. Oktober 2010
Sprachlos.
Irgendwann mal muss der Alltag auch in einem Land weitergehen, in dem der nie ausgerufene Dauerausnahmezustand herrscht. Unter uns: Ich lebe auch ein Leben jenseits von Pfefferspray und Demo, wenngleich das Thema mittlerweile bei mir einen Stellenwert besitzt, den ich noch vor einem Vierteljahr für absolut unmöglich gehalten hätte. Beispielsweise lege ich jetzt mal schnell einen Sauerbraten ein für Sonntag.
Wenn Sie das auch möchten, brauchen Sie ein Kilo Hirschfleisch, eine Flasche Rotwein, ein Viertelliter Rotweinessig, etwas Stangensellerie, ne Karotte, Zwiebeln, Knoblauch, Wacholder, Lorbeer, Pfefferkörner, Thymian, Senfkörner und eine Nelke. Die größeren Zutaten schneiden sie würflig, das Fleisch lassense bitte heil. Jetzt brauchen Sie nur noch ein ordentliches Gefäß und schmeißen alles zusammen rein. Das lassen wir jetzt gekühlt bis zum Wochenende stehen und dann verrat´ ich Ihnen, was wir dann machen. Sie sollten aber noch Äpfel, Ahornsirup (oder ersatzweise Honig), säuerliches Gelee (Johannisbeer oder Quitte) und Tomatenmark bereithalten.

Aber ganz ehrlich gesagt: So ganz zur Normalform übergehen geht einfach nicht. Nicht nach dem, was man da so in Stuttgart gesehen hat. Die Bezeichnung "gespenstisch" wäre noch freundlich. Wut trifft es besser.

Natürlich haben wir hier auch 20 Jahre Einheit gefeiert. Gemeinsam mit zig Robocops, die Plätze besetzen, Personalien aufnehmen und kontrollierenkontrollierenkontrollieren. Wir haben jetzt ein paar neue Schlagworte und "Polizeistaat" ist noch eins der freundlicheren. Eigentlich hatte ich ja noch vor, noch ein paar verregnete Baikalbilder zu bringen, nur: Mir ist nicht wirklich danach, das muss warten. Später.

Hannes Wader hat mal davon gesungen, dass sich Furcht in Widerstand verwandle. Bei mir transformiert sich das gleich weiter in Satire und Humor. Vielleicht kann man manche Zustände so besser ertragen. Darum präsentiere ich Ihnen nun die aktuellen Pressemeldungen von heute:

Stuttgart - Ministerpräsident Mappus erklärte, dass er weiter entschieden hinter Stuttgart 21 stehe. Von ein paar gemeingefährlichen Kastanienwerfern die Polizisten ernsthaft verletzen wollten lasse man sich nicht aus dem Konzept bringen. Der nun errichtete Zaun im Park sei ein antibürgerlicher Schutzwall und er dementierte entschieden, dass hier eine Mauer gebaut werden solle. Niemand habe die Absicht eine Mauer zu bauen. Auch werde wahrscheinlich auf Selbstschussanlagen verzichtet. Man vertraue auf die Vernunft der Bürger und dass bereits gelegte Tretminen ausreichten.

Stuttgart - Innenminister Rech bestätigte erneut, dass am letzten Donnerstag lediglich Sprühregen durch Wasserwerfer stattgefunden habe. Dabei habe es sich um eine dringend notwendige Bewässerung des Rasens gehandelt. Rech sagte auch, dass die Besetzung von Polizeifahrzeugen durch Schüler ihn zutiefst erschüttert habe. Eine solche staatsgefährdende Aktion sei durch nichts zu rechtfertigen. Dem könne nur durch größtmögliche Intervention entgegengewirkt werden. Er verwies darauf, dass es der Straßenverkehrsordnung widerspreche, Personen auf dem Dach von Lastkraftwagen zu transportieren, insbesondere dann, wenn diese nicht angeschnallt seien.

Stuttgart - Polizeipräsident Stumpf sagte den Medien, dass die bayrische Staatspolizei in sehr besonnenem Maße reagiert hätte. Er verwieß darauf, dass der Tag in Starnberg nahezu friedlich und überaus harmonisch verlaufen sei und die dortige Polizei lediglich von einem leichten Verkehrsunfall berichte.

Stuttgart - Letzten Montag hat erneut eine Großdemonstration gegen Stuttgart21 stattgefunden. Während die Gegner von 4,3 Millionen Teilnehmern sprachen, berichtete die Polizei von 14 extrem gewaltbereiten Teilnehmern.

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Donnerstag, 30. September 2010
Die Eskalation haben sie gewollt












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Sonntag, 19. September 2010
Ich hätte nie gedacht....
....mal mit Anschie wenigstens ansatzweise einer Meinung zu sein. Aber hey, wenn sie die näxxte Landtagswahl schon mal zur Volksabstimmung machen möchte (und andere Themen unter den Tisch fallen sollen und sie damit diametral entgegen der Argumentation ihrer eigenen Landes-CDU steht)....ich bin dabei, das ist großartig...jo, das mach ma....Landtagswahl=Volksabstimmung über Stuttgart 21. Wenn bitte die CDU genau das noch auf ihre Wahlplakate schreiben könnte? Danke. Und dann schau´n wer mal, was dabei rauskommt...

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Samstag, 11. September 2010
Stuttgart und das Lügenpack
Im Grunde bin ich ein einigermaßen ruhiger Bürger. Ich zünde keine Autos an und verprügele auch keine Polizisten. Eigentlich gehe ich auch höchst selten auf Demonstrationen. Mal gegen ein Schulungszentrum der NPD, dann mal als Fischer hier war ("Mörder, Mörder"), Scharping war mal dran ("Rotkohl, Rotkohl") und dann Kohl selbst, der angesichts einer trillernden Meute völlig entgeistert rief, was wir denn nur für Eltern hätten, woraufhin ihm ein Megaphon -ihn duzend- entgegenbrüllte, dass die ihn doch wählten und noch hinzufügte, dass er ein rektales Ausscheidungsorgan sei und mein Nebenmann von einem abgewrackten BDM-Mädel einer alten Dame unter den Worten "dich hätte man ins KZ gebracht" tätlich angegangen wurde.
Hin und wieder kriegen Volksvertreter Post von mir (bestimmt, aber höflich), aber ich wäre weit entfernt davon, als Dauerdemonstrationsreisender durchzugehen. Vermutlich würden viele von mir sagen, dass ich interessiert aber genauso desillusioniert bin. Ich verfolge das Ganze einigermaßen interessiert, aber ich bin nicht wirklich aktiv und strebe auch nicht nach einer aktiveren Rolle.

Ich bin damit wahrscheinlich sowas wie der Prototyp eines Großteils des Völkchens hier. Den meisten gehts einigermaßen gut und deshalb ist die Bereitschaft transparentepräsentierend durch Straßen zu ziehen eher nicht ganz so hoch. Hinzu kommt, dass es häufig zu einem Allparteienkonsens kommt, zumindest in den wichtigeren Fragen. Oder anders gesagt: Häufig war es so, dass die Interessen vieler berücksichtigt wurden, der allgemeine Lebensstandard passabel hoch, das Völkchen deshalb mehr oder minder zufrieden und damit gab es wenig Grund, Steine durch die Gegend zu schmeißen oder den Regierungssitz zu belagern.



In letzter Zeit haben wohl einige diese -nie abgesprochene- Stillhalterei dahingehend interpretiert, dass der Durchschnittsbürger hier sich vermeintlich nicht so wirklich dafür interessiert, was die Großkopferten machen, nachdem sie nun seit fast 60 Jahren ununterbrochen das Land regieren dürfen. Mal taten sie es alleine, mal gemeinsam mit dem Juniorpartner, der dieses Bundesland als sein angestammtes Urland betrachtet.

Sie irrten.

Sie haben nicht damit gerechnet, dass es hier noch Sturköpfe gibt. Ein paar. Ein paar, die nicht über sich hinweg regieren lassen möchten. Einige, die sich nicht sofort instrumentalisieren lassen, aber denen es doch irgendwann mal zuviel ist. Sturköpfe halt. Dafür dann aber richtige Sturköpfe. Es gibt Menschen, die halten auch mich für einen dieser Sturköpfe. Im Prinzip sind es geduldige Sturköpfe. Es braucht einiges bis sich diese Sturköpfe aufregen, aber wenn sie sich aufregen, dann regen sie sich auf und zwar richtig und dann legt man sich auch besser nicht mit ihnen an. Stur allein wäre noch nicht weiter dramatisch, wenn es nicht einher ginge mit zwei Dingen:

a) Einer mindestens marginal ausgeprägten Fähigkeit mathematische Aufgabenstellungen einigermaßen zu erkennen, vor allem dann, wenn es um Geld geht, hierbei vornehmlich um das eigene, und

b) dem dringenden Wunsch ernstgenommen zu werden, nachdem hierzulande über Jahrhunderte über Untertanen hinwegbestimmt wurde und diese Tradition irgendwann mal ein Ende haben muss.

Beides ist grade nicht der Fall...

Deshalb dreht der Wind hier momentan sehr dramatisch. Weil irgendwann mal zuviel ist, was zuviel ist. Erst weigerten sie sich, Steuerhinterzieher-CDs zu kaufen, womit die schwarz-gelbe Landesregierung selbst unter ihresgleichen völlig singulär stand, dann hat der Atom-Mappus in eben der Atom-Frage eine Position bezogen bei der man sich fragt, ob er schon einen Aufsichtsratsposten bei einem Energieversorger innehat oder diesen erst noch anstrebt und jetzt kam noch Stuttgart21 mitsamt explodierten Kosten, unterschlagenen Expertisen, Pöstlesgeschacher, Kommunikationsdebakel, abgelehntem Bürgerbegehren und dem Gebaren eines nichtganzlegalen italienischen Gangstervereins seitens der Betreiber des Projekts obendrauf.



Zuviel. Zuviel auf einmal. Vor sieben Monaten noch hatte Schwarz-Gelb eine recht satte Mehrheit. Mittlerweile stehen die Zeichen nicht nur auf Sturm sondern auf Orkan Wexxel. Würde diesen Sonntag gewählt, Baden-Württemberg hätte mit ziemlicher Sicherheit den allerersten grünen Ministerpräsidenten Deutschlands.

Spätestens jetzt sollte wohl auch dem blindesten Repräsentanten aufgegangen sein, was für eine Stimmung hier grade herrscht. Das aber kam bisher wohl eher nicht so richtig an, weshalb man nun diesen Blinden dadurch näher kommt, indem man darauf hofft, dass das Hörorgan etwas besser trainiert ist und es somit etwas lauter wird und das schon lange nicht mehr nur in Stuttgart selbst. Aber bisher mindestens sind die Blinden auch noch taub. Sonst käme eine amtierende Verkehrsministerin wohl kaum dazu, die Grünen vor laufenden Kameras aufzufordern, endlich den Rechtsstaat anzuerkennen (und sie meinte nicht "rechtsstaatliche Beschlüsse" oder ähnliches, sie meinte wirklich den Rechtsstaat als solchen). Sonst kämen sie nicht mit dem Hinweis, dass 1,3 Millionen Unterschriften für einen Volksentscheid reichten (Zeit hierzu: 2 Wochen, faktisch also: nicht umsetzbar). Sonst schlössen sich die Verantwortlichen nicht ein und kommunizierten nur noch via Pressemitteilung oder machten sich gleich ganz aus dem Staub.



Im Prinzip geht es schon lange nicht mehr nur um einen Bahnhof. Der ist vielleicht noch Symbol. Mehr geht es um die Mentalität derer, die da hocken und die noch immer so tun, als hätten sie es mit Untertanen zu tun und die Regierungsgewalt für dauerhaft gottgegeben halten.

Dabei sind dieses Mal nicht die üblichen Verdächtigen unterwegs. Es sind nicht die Jesuslatschen und es ist auch nicht der schwarze Block, die da marschieren. Es ist der demographische Querschnitt. Und es sind Mittsiebziger, mithin CDU-Klientel, die am lautesten "Lügenpack" schreien.

Es heißt, alle Staatsgewalt ginge vom Volke aus. In diesem Fall möchte man als Ergänzung anfügen: ...und sie kehrte nie zurück...

Sie sollten sich fragen, was in diesem Land falsch läuft, wenn (lt. Polizei) jeder Zwanzigste in der Stadt auf die Straße geht (jeder Zehnte lt. Veranstalter). Und das nun schon seit Wochen und zweimalig die Woche. Ende nicht absehbar. Es wird weitergehen.

Im Oktober wollen sie Bäume fällen. Es wird eskalieren.



Kurz: Es ist Aufruhr hier und sie haben es noch immer nicht verstanden. Nicht verstanden, dass es einigen vielen wirklich ernst ist. Vielleicht kapieren sie es in einem halben Jahr. Am 27. März 2011 sind Landtagswahlen. Noch sagen sie, dass es dann nicht mehr um Stuttgart21 ginge sondern um Bildungspolitik. Sie haben -wie gesagt- nichts verstanden. Überhaupt nichts. Wenn bis dahin nichts entgegenkommendes passiert ist....ich würde sagen, dass dann die Rechnung kommt. Sie wird ihnen überhaupt nicht passen. Einer muss dann gehen -die oder ich- und ich bleib hier. Ich bin stur.

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