Mittwoch, 10. November 2010
Nur 5 Lügen zu Stuttgart21, mehr nicht....
....was haben sie sich bemüht, das "Projekt" legitim gestalten zu wollen. Sie haben Werbeagenturen beschäftigt und diese wieder gewexxelt, wenn nicht erfolgreich. Aber dennoch erkennt jeder halbwegs klar tickende Baden-Württemberger die Lügen. Als da wären:

Das Projekt ist vollständig demokratisch legitimiert

Richtig ist: Es hat alle parlamentarlichen Gremien durchlaufen, aber auch nur deshalb, weil es unmittelbar superkurz vor und direkt nach einer Wahl beschlossen wurde, während gleichzeitig von der Landesregierung beauftragte Gutachten unter den Tisch fielen (das sma-Gutachten etwa, das dem neuen Bahnhof eine Katastrophe bescheinigte). Besser noch: Ein Gutachten mutet man den gewählten Parlamentariern bis heute nicht zu, noch nicht mal in geschwärzter Form.
Falsch ist: Die Bevölkerung wurde miteinbezogen. Die durfte zuschauen. Bei Infoveranstaltungen etwa wurde betont, dass man das auf jeden Fall bauen werde, man aber immerhin bereit sei, sich eine Gegenmeinung anzuhören, mehr sei aber nicht drin. Richtig ist: Die Grünen wurden bei den letzten Kommunalwahlen in Stuttgart stärkste Fraktion. Weshalb wohl?


Die Proteste begannen erst spät (zu spät)

Falsch. Die Bürgerinitiative formierte sich 1994, mithin mit Vorstellung der Pläne.
Es gab 10.000 (!) Einsprüche, ein abgekanzeltes Bürgerbegehren und die Demos laufen seit über einem Jahr.


Die Gegner sind technik- und fortschrittsfeindlich

Falsch. Baden-Württemberg ist und war schon immer technikversessen wie wahrscheinlich wenig andere Bundesländer. Die Leute sind stolz, Ingenieur zu sein oder wenigstens Maschinenbauer und das bis heute. Man verweigert nicht DIE Modernisierung, man verweigert DIESE "Modernisierung", die nicht als solche empfunden wird.


Wenn man dieses Projekt nicht baut, wird man nie wieder ein Großprojekt bauen können

Wenn dem so sein sollte: An der Bevölkerung vorbeientscheiden und bauen? Gottseidank wird es dann nie wieder ein solches Ding geben. Es ist aber unwahr, dass Großprojekte nicht mehr möglich sind. Hier ums Eck nimmt eine Kommune für 5 Jahre eine gespaltene Stadt mitsamt Dreck und Lärm in Kauf und das weil eine neue Straße mitten durch den Flecken gebaut wird. Sie sind begeistert. Woanders wurde die geplante Stadthalle per Volksentscheid abgewatscht. Einmal drüber geplant und alle sagten: Toll, machma.


Stuttgart21 ist nicht mehr zu stoppen

Ich habe keine Ahnung, ob das gestoppt werden kann, aber: Man konnte Wackersdorf stoppen, man konnte Wyhl stoppen, Boxberg konnte man stoppen, Kalkar konnte man stoppen.

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Ist mit der getrennten Stadt Dußlingen gemeint? Was die dortige Begeisterung betrifft müßte man noch abwarten, wieviele Firmen das überleben...

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Hoppla...
...ein Fachmann? Was die dortige Wirtschaft angeht, bin ich nicht so wirklich der Fachmann, aber die Zufahrt zum Industriegebiet ist möglich....oder was meinen Sie hinsichtlich Überleben?

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Ich habe gerade eben einen alten schwäbischen Herrn ferninterviewt (ich redete mit seiner Tochter, die gerade ihren Vater besucht, per IM, und irgendwann hat sie ihm meine Einwände weitergereicht und mir seine Antworten), der sich sehr gut mit der Materie auskennt, und der hatte folgendes zu sagen:

a) Ursprünglich war er dafür; jetzt hat er Bedenken, weil das einzige, was der Bahn eine Kostenersparnis bringen würde, wäre, wenn die Fracht- und Regionalzüge nicht mehr die Geißlinger Steige rauf müßten. Das müssen sie aber noch, weil die Ausbaustrecke nach Ulm zweigleisig gebaut werden soll, und die Frachtzüge nicht schnell genug von der Strecke wären, wenn die Schnellzüge im Stundentakt fahren.

b) Nur wegen der Ausbaustrecke war/wäre es nötig und gerechtfertigt, den Stuttgarter Bahnhof aufzubohren und zum Durchgangsbahnhof zu machen.

c) Die Situation in Köln sei anders; der Stuttgarter Untergrund sei beherrschbar. Allerdings muß man um bestehende S- und U-Bahn-Tunnel herumbauen, was schon mal gar nicht gut sei.

d) Mit einer nur zweigleisigen Ausbaustrecke lohnt sich der ganze Mist nicht, wird aber trotzdem gebaut werden, wegen der bereits verkauften Bahnbetriebsgelände. Die Bahn könne gar keine überirdische Lösung für einen Durchgangsbahnhof mehr bauen, dafür langt das Gelände nicht mehr, deshalb könnten sie nicht mehr zurück. Da sei eine ziemliche Klüngelei gelaufen und das Land tatsächlich schon verkauft, deshalb könnten sie nicht zurück, und das nervt ihn auch, und er findet es gar nicht gut. Aber deswegen würden sie es jetzt auf jeden Fall bauen, auch wenn es sachlich keinen Gewinn an Effektivität bringt.

Und jetzt mache ich wie die Lady Elise weiland bei Dotcomtod und verstecke meinen Insider als Kommentar bei einem relevanten Post. Nach dem, was die Tochter mir erzählt hat, ist der Mann jemand, der weiß, wovon er redet. Es geht also um die Immobiliendeals. NUR noch um die Immobiliendeals.


PS: Selbst glaube ich schon, daß S21 zu stoppen ist. Jener alte Herr glaubt es nur nicht. Ich denke, man muß nur die Leute, für die diese Immobiliendeals einen absoluten Sachzwang darstellen, aus den Positionen hebeln, wo sie meinen, dem Rest der Welt ihre Wahrnehmung als Realität aufschwatzen zu können. Deswegen finde ich es interessant, daß er findet, daß dort der Kasus Knaxus bei der ganzen Sache liegt.-

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Hatten wir das nicht schon vor ein par Wochen hier? Dass die Immobilien im Mittelpunkt stehen.

Deswegen reicht es wohl nicht, die Handpuppen auszutauschen. Die Verflechtungen lösen sich damit nicht auf.

Was Dußlingen betrifft: Fachmann bin ich nicht, ich habe nur gehört, dass dem Einzelhandel erheblich Umsatz weggefallen ist. Das wäre über Monate zu verkraften, der Bau dauert aber wohl wirklich drei Jahre. Und bis dahin haben sich in den getrennten Ortshälften dann andere Wege zur Nahversorgung eingeschliffen.

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Ja, hatten wir --- aber das ist eine Bestätigung von einem Insider, der eigentlich dafür ist.

Ichh mag den Mann nicht hinhängen indem ich mehr über ihn sage, aber nach allem, was ich von ihm weiß, weiß er, wovon er redet.-

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@ilnonno: Stimmt, der Einzelhandel ist ziemlich abgehängt. Das ist deshalb umso schlimmer, weil es in direkter Nachbarschaft -beispielsweise, aber nicht nur, im Lebensmittelbereich- ein paar größere Mitspieler gibt.

@sethos:

zu b)
Gegen die Neubaustrecke haben die wenigsten was und theoretisch zumindest bräuchte es nicht unbedingt einen neuen Bahnhof für die Neubaustrecke. Die Zeitersparnis in einem Durchgangsbahnhof liegt im Minutenbereich (ca. 3-4 Minuten max, aber auch nur, wenn alles reibungslos läuft). Aber: Das hat die Bahn brav zusammengekoppelt, will heißen: Die Neubaustrecke kriegt ihr nur, wenn ihr auch den Bahnhof nehmt. Ohne das eine machen wir das andere auch nicht.

zu c)
Da gibts unterschiedliche Meinungen. Andere sagen er sei nicht beherrschbar (vor ein paar Jahren brach mal ein Kinderspielplatz ein), aber gut, ich bin da nicht der geologische Fachmann.
Und um bestehende U- und S-Bahnen drumrumbauen ist gut! Die müssen den Bahnsteig um mehr als das 6fache (!) des erlaubten neigen, damit der überhaupt reinpasst. Zugelassen sind als Regelneigung max. 2,5 Promille. Der Stuttgarter Bahnsteig soll am Ende 15,1 Promille haben!

zu d)
Klar, reiner Immobiliendeal. Aus Zeiten als noch die große Blase war und alle dachten, die Wirtschaft wachse in den Himmel. Wer übrigens mal das wundertolle Stadtviertel, das da gebaut werden soll als Vorgeschmack betrachten will, der schaue sich StammheimZwo die neue Stadtbibliothek an.

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Es gibt ja auch noch dieses Pseudo-Argument, so dämlich, daß es von der INSM stammen könnte: ohne S21 werden wir wirtschaftlich alle störben!

Da fragt man sich unwillkürlich, warum starben die folgenden Städte den infrastrukturbedingten, wirtschaftlichen Ruin?

München
Frankfurt
Paris
Rom
New York


Sie haben nur Kopfbahnhöfe!!!

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....und werden die auch noch beibehalten! Madrid könnte man auch noch aufzählen.
Mehdorn sagte mal, es gebe nur die 21-Alternative oder das Abstellgleis. Gut, München oder Frankfurt stehen jetzt eben aufm Abstellgleis und darben unter elenden Bedingungen vor sich hin, während sich demnäxxt der strahlende Daimlerstern auf den Bonatzresten drehen wird.
Und es hat ja nicht nur deutschlandweite Bedeutung, nein, einer verstieg sich gar in europäische Dimensionen! Wahrscheinlich gehen in der Toskana demnäxxt die Lichter aus, wenn dieser Bahnhof nicht gebaut wird und die Weinbauern des Bordelais werden sich noch allerübelst wundern, wenn es nicht zu dieser wunderschönen Magistrale kommt.

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Nachdem Paris und Bratislava an den beiden Enden der "Magistrale" liegen, können die auch gleich dichtmachen.

Überhaupt Paris - die haben ja nicht einen Kopfbahnhof, die haben ja wieviele? Fünf?

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Paris! Der Traum der Deutschen Bahn! Nein, dieses Mal marschieren die Truppen nicht auf der Champs Elysee, dieses Mal rollen sie unten durch...

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Ach Paris. Da kann man ja nichtmal mit Scharrldegool in den Flughafen einsteigen.

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Scharrldegool ist einer der -wenn nicht der- übelste Flughafen ever...(elend lange Wege, Stromausfall, inkompetentes und unhöfliches Personal, Verspätungen, dass sich selbst die DB harmlos gegen ausnimmt).
Aber nun gibt es ja die wunderbare Magistrale Paris-Stuttgart und wir können heute schon mit dem TGV nach Paris rollen (echt wahr) und ab der französischen Grenze sogar richtig schnell.

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Zur Kenntnisnahme: http://www.dokus4.me/index.php/2010/11/07/geschaftsmodell-deutsche-bahn/

Der beste Abschnitt scheint mir der mit der Castorstrecke zu sein. Auch schön die Erkenntnis, dass die Bahn ihren Gewinn tatsächlich mit dem Personenverkehr in Deutschland erzielt (kein Wunder bei den horrenden Preisen), die Investitionen allerdings fast ausschließlich im Ausland erfolgen. Derweil in D-Land die Züge stehen bleiben und die Strecken verkommen, bzw. seltsame Großprojekte finanziert werden. Prestige heißt das Stichwort und nicht unternehmerisches Kalkül. Was war nochmal der Vorteil einer Bahnprivatisierung?

PS: Jetzt weiß ich auch endlich, warum Orte in Sachsen reisezeitlich genauso weit Weg sind wie New York...

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Herrlich!
Vielen Dank, sehr interessante Doku...Prestigeprojekte, darum geht es. Da lässt man einen ICE nach London fahren (wohlwissend, dass das nicht nur der erste gewesen ist sondern vermutlich auch der letzte) oder baut einen Bahnhof in Stuttgart (wohlwissend, dass dann das Geld für den Ausbau der Oberrheinstrecke in Baden weg ist)....

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In dem Zusammenhang bin ich gespannt, die der Ärger mit den Fernbussen ausgeht.Wenn ich das richtig verstanden habe, beruft sich die Bahn auf ein Gesetz von 1934, um innerdeutsche Fernbuslinien niederzuhalten. Ob das wohl hält bei einer privatisierten Bahn, die die "Versorgung" zurückfährt?

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