Montag, 16. April 2007
Die etwas andere RAF-Geschichte
Viel liest man momentan über die RAF, über Reue, über Mord und über Täter. In allerlei Veröffentlichungen stehen dutzende Namen von Tätern und von Opfern. Einer allerdings fehlt in der gängigen Literatur meist (nicht immer):

Richard Epple.

Was Richard Epple mit der RAF zu tun hatte? Eigentlich überhaupt nichts. Aber von vorn:
Anfang 1972 ist das Jahr der großen Baader-Meinhof-Hysterie. Ulrike Meinhof hatte die Parole ausgegeben, dass "natürlich geschossen werden könne" und das nahmen dann sowohl die RAF, als auch die Polizei wörtlich und so waren bis zu jenen Anfangsmonaten des Jahres 1972 bereits 3 Menschen durch die Kugeln gestorben. Es herrschte schlicht Hysterie bei den Beteiligten und es wurde offen darüber gesprochen, dass man im Zweifel zuerst schießen müsse.

Richard Epple wiederum war zu dieser Zeit 17 Jahre alt und wohl etwas ungestüm. Wie eben viele Jungs in diesem Alter sind. Er kam beispielsweise auf die Idee, mit einem nicht angemeldeten Auto und ohne Führerschein -zudem alkoholisiert- Ausflüge zu unternehmen. Was in anderen Zeiten als Dummejungenstreich durchgeht und nach ein paar Jahren wieder vergessen ist -zumindest solange nichts passiert- war in diesem Moment aber ein fataler Fehler.

Richard fällt während der Fahrt einer Polizeistreife auf, die ihn wiederum zur Fahrzeugkontrolle anhalten will. Nun macht er den entscheidenden Fehler: Er gibt Gas. Eine Verfolgungsjagd beginnt. Richard lässt sich nicht stoppen. Weder vom verfolgenden Polizeiauto, noch von einer ersten Straßensperre. Eine zweite Sperre durchbricht er ebenfalls. Nach so viel Dreistigkeit, Straßengefährdung und roher Gewalt scheint für die verfolgenden Beamten klar, dass das wohl nur ein Schwerkrimineller oder ein Terrorist sein kann. Via Funk kommt die Anweisung "Dann eben Feuer frei".

Es kommt, was kommen muss: Ein Polizist schießt nach 20 km Flucht zuerst mit der Pistole auf das Auto. Danach mit der Maschinenpistole, bis der Wagen stoppt. Richard Epple ist tot und damit das erste "zivile" Opfer der Terroristenhatz.

Wer nun denkt, dass die Betroffenheit allerseits groß gewesen sei, hat die Rechnung ohne die dörflich-pietistische Umgebung gemacht.

Zwar gibt es Solidarisierungskomitees und Diskussionen. Es gibt Unterstützungsaktionen. Allerdings merkt die Familie relativ schnell, dass sie -und Richards Tod- auch politisch instrumentalisiert werden soll.

Von Seiten der Polizei ist bis zum heutigen Tag nicht ein einziges entschuldigendes Wort gekommen. Und neben Richard gibt es einige Jahre später eine weitere menschliche Tragödie: Der Polizist, der geschossen hatte, begeht wegen der Geschichte Suizid.

Und die unmittelbare Umgebung? Nachbarschaft? Dorfgemeinschaft? Die veröffentlichen einen Leserbrief -anonym natürlich- in der Lokalpresse, den angeblich 10% der Einwohner aufgesetzt haben wollen und in dem sie schildern, dass der Richard ohnehin keiner Arbeit nachgegangen sei und der Richard das absichtlich gemacht habe und Verbrecher halt wie Verbrecher behandelt gehörten.

Und heute weiß vermutlich keiner der Besucher des Jugendhauses, warum das Haus so heißt, wie es heißt. Epplehaus.

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