Samstag, 3. März 2007
Futuristische Touren
Der 4. Juni 2067 war ein heißer Tag. Wie eigentlich beinahe alle Tage in der Karibik heiße Tage sind. Das aber war Ali-Friedrich Kneule ziemlich gleichgültig, weil er nicht zum Spaß in der Karibik war. Niemand war zum Spaß in der Karibik gewesen, seit man vor 15 Jahren das Gebiet für Europäer hatte sperren müssen. Die Amerikaner waren da einsichtiger gewesen, aber denen hatte man auch das Rauchen früher und nachhaltiger abgewöhnt. Die Europäer aber waren zäher. Die wollten noch immer Fernurlaube machen, darum musste man das damals gesetzlich regeln und verbieten.

Meist waren das richtige Spinner, die das taten. So wie sein Vater und Großvater. Die waren damals auch überall unterwegs. Dann aber war die Welt gefährlicher geworden und die europäischen Regierungen hatten handeln müssen, weil es einfach zu teuer war, zig Staatsbürger ständig freikaufen zu müssen und dubiose Entführer zu alimentieren.

Ali-Friedrich Kneule hasste seinen Job. Er konnte es nicht verstehen, weshalb die paar Trottel, die sich noch die teure Sondergenehmigung leisten konnten in ein Land flogen, das malariaverseucht war und in dem sich alle paar Wochen ein anderer Oberst an die Macht putschte.
Noch viel weniger konnte er die Idioten verstehen, die diese Tortur illegal auf sich nahmen. Diese armen und verirrten Schweine zu fangen, war sein Job. Und wenn er wieder einmal einen erwischt hatte -sie benahmen sich aber auch zu dämlich und meist erkannte man die Illegalen auf den allerersten Blick (Raucher! Trinker!)- wurde es meist sehr teuer:

Verstoß gegen das Klimaschutzabkommen. Das war irrsinnig teuer. Die allerwenigsten konnten die Strafe bezahlen, geschweige denn das Rückflugticket (und mussten deshalb im Frachtraum zurückreisen).

Aber Ali-Friedrich Kneule konnte sich solche Sentimentalitäten nicht leisten und so erhob er sich wieder aus dem bequemen Korbstuhl in der Saftbar und schlenderte wieder Richtung Strand auf der Suche nach einem Illegalen...

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Sonntag, 25. Februar 2007
Geneigte Fläche
Mitten zwischen die masurischen Seen haben die Preussen eine richtig lustige Attraktion gesetzt:
Den Oberlandkanal. Der heißt zwar heute ganz anders, weil die Preussen aus Masuren abgezogen wurden, aber das ist ziemlich egal. Das lustige an dem Kanal ist, dass man aufgrund des immensen Gefälles auf Schleusen verzichtet hat und deshalb auf die geniale Idee kam, die Schiffe auf Schienenfahrzeugen eine geneigte Fläche hochzuziehen. Das diente damals dem Holztransport.

Heute dient das der touristischen Belustigung. Vermutlich deshalb, weil das meist deutsche und polnische Publikum diese vorsintflutliche Technik begeisterungswürdig findet und weil das eine richtig nette Beschäftigung ist, bei der man nicht viel tun muss, außer Glotzen. Außerdem kann man stundenlang durch Masuren schippern und das ist ja auch ganz spaßig. Für die paar Technikfreaks ist das auch hochinteressant, weil das Ding so eine Art perpetuum mobile ist und einzig mit Wasserkraft betrieben wird. Und weil Wasser meist den Berg runter fließt, die Schiffe aber hochmüssen, ist das die perfekte Synthese.

Der Kanal bietet auch eine prima Studie in Sachen deutsch-polnischer Völkerverständigung. Die klappt nämlich -zumindest was den Kanal angeht- prächtig. Da können die Zwillinge in Warschau, die immer so ein bißchen aussehen wie eine flugunfähige Ente bei Walt Disney hersabbeln was sie wollen.

Meist sieht eine Schiffsladung so aus: Die Polen werden von ihrer Verwandtschaft eingeschifft. Letztere zieht sich dann zurück. Vermutlich weil man schon mit Onkel Jurek diese Tortur hat machen müssen oder weil man noch die Krautwickel machen muss.
Die Deutschen werden meist von der Reisegesellschaft abgeliefert. In aller Regel beträgt deren Durchschnittsalter etwa 72 und vermutlich hat entweder die Kriegsgräberfürsorge oder die Rheumaliga diesen Ausflug gezahlt.

Beide werden sehr schnell sehr sentimental. Die Polen weil sie Wodka saufen und ihre Heimat ganz ihre toll finden, die Deutschen weil die Polen den Deutschen ihre Heimat ganz toll finden. In jedem Fall kommt es spätestens an der zweiten Hochziehaktion zu Verbrüderungsszenen, wenn es dann um Würste und Störche und die masurischen Alleen und Seen geht. Und definitiv bieten sich hochprozentige Alkoholika zur Verbrüderung an.
Jedes Mal wenn so eine geneigte Fläche kommt, an der dann das Schiff am Schlitten das Gras hochgezogen wird, steht dann immer die polnische Verwandtschaft da, die dieses Ereignis lautstark unter "Gschescheeeeek"- und "Lescheeeeek"-Rufen feiert, als wäre soeben Polen Fußballweltmeister geworden. Gscheschek und Leschek fahren auf dem Boot mit und sind die Wodkarädelsführer. Allerdings nervt die polnische Verwandtschaft dann ab geneigte Fläche drei doch immens. Vor allem weil man weiß, dass noch geneigte Fläche vier und geneigte Fläche fünf kommen.

Geneigt ist am Ende eh alles.

Nach der famosen Fahrt empfiehlt sich barszcz, danach irgendwelche golomki oder pierogi. Was das ist, braucht man nicht zu wissen. Dann ist man aber auch wodkatechnisch wieder voll einsetzbar.

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Sonntag, 18. Februar 2007
Yankee-Doodle
Hotels können langweilig sein. Müssen aber nicht.

Manche sind sogar ganz nett eingerichtet und haben nicht diesen Einheitsbrei aus Telefonbuch einer fremden Stadt, Bibel, verflecktem Teppich, bei dem man gar nicht erst wissen will, was das für Flecken sind und niederlegenen Betten.

Bei einigen ergeben sich Rituale. Wie bei einem der letzten:

Jeden Abend, wenn sich die Fußgängerzone leert, spielt immer ein Mensch mit seiner Klarinette. Ein sonderlich großes Repertoire hat er nicht. Meist spielt er was in Stil von "the saints are marchin in" und ähnliches Südstaatengejodel. Dixieland bis zum abwinken. Eigentlich mag ich Dixieland überhaupt nicht, aber es ist sehr beruhigend, wenn man weiß, dass der jeden Abend dort unten steht. Er spielt mich quasi in den Schlaf.

Anfangs ist es mir ganz recht, wenn ich nicht weiß, wer da unten steht und vor sich hindudelt. Einfach weils spannender ist, seine Phantasie spielen zu lassen. Aufgrund seines etwas eingeschränkten Repertoires heißt er bei mir Yankee-Doodle.
Aber am allerletzten Abend halt ich das nicht mehr aus, muss vom Bett aufstehen, mich wieder anziehen und in die Kälte raus. Ich will Yankee-Doodle sehen und die letzten Kreuzer in den Hut schmeißen. Erst dann kann ich schlafen.

Irgendwie neurotisch....

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Mittwoch, 10. Januar 2007
Wanted
Ohohoh....böses Omen gleich zum Jahresbeginn: Besucher hier von der australischen Regierung (gov.au) und dann auch noch aus Melbourne. Ganz schlecht.

Könnte sein, dass ihr eine Weile ohne mich auskommen müsst, wenn die dort diese Geschichte immer noch so ernst nehmen, wie sie das 2 Jahre lang (!) getan haben.

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Samstag, 30. Dezember 2006
Ein Tag im Leben eines Rucksackreisenden
Das Leben von Rucksackreisenden wird meist unterschätzt. Dabei ist das richtige Schwerstarbeit. Die physischen -und ebenso die psychischen- Anstrengungen sind immens hoch.
Ein Tag beginnt meist früh. Warum? Weiß keiner so genau. Ist zwar Urlaub, aber die meisten stehen trotzdem recht früh auf. "Den Tag nutzen", nennen sie es dann. Hat aber wohl eher damit zu tun, dass man den Bus kriegen muss oder weil ein paar Jungs im Fernsehraum nächtens gesoffen haben und so laut Pulp Fiction mitgegröhlt haben, dass an Schlaf ohnehin nicht zu denken war.

Der Tag beginnt denkbar schlecht. Vor allem für Menschen, die es gewohnt sind, sich morgens ausgewogen oder gar nicht zu ernähren. In aller Regel gibt es mindestens einen Chinesen, der sich morgens eine Knoblauch-Zwiebel-Suppe kocht oder eine Engländerin, die ungetoastete Labbertoasts aufs Teller legt, dann zum Kühlschrank marschiert, eine Dose Bohnen rausholt, öffnet und die kalten Bohnen über den Toast kippt. Das ist dann meist der Moment, bei dem einem Durchschnittsmitteleuropäer ohne Ernährungsstörung dieser Würgreiz überfällt und man am allerliebsten in den Instantkaffee kotzen möchte.

Nach dieser Hürde kommt dann der spaßige Teil: Transport. Man dackelt mit 15 Kilo Gepäck auf dem Rücken etwa 2 Kilometer durch die erschreckend heiße Frühmorgensonne und schwitzt sich die allerletzten Reserven raus (und bereut, nicht doch etwas gegessen zu haben). Taxi nimmt man nicht, weil man ja erstens spart, zweitens Taxis für Spießer gemacht sind und drittens das voll unauthentisch wäre. Entsprechend versifft und verschwitzt steht man dann mit knallrotem Schädel am Busbahnhof und muss sich von den Koberern beschwatzen lassen, die möchten, dass man nach Mhlambanyati (sprich: Mschlammbanjati) fährt, obwohl man eigentlich nach Umtata will. Busbahnhof ist eigentlich schon viel zu übertrieben. Eigentlich ist es nur ein Parkplatz für Kleinbusse, die man im südlichen Afrika "Black Taxi" nennt. Einerseits, weil die Karren ausschließlich von der schwarzen Bevölkerung und einigen lebensmüden westlichen Jugendlichen genutzt werden, andererseits, weil die zwar immer als Unternehmen auftreten, aber kein einziges davon registriert ist.
Man sucht sich dann mühselig das geeignete Fahrzeug aus, verhandelt den Preis und dann stopfen sie einen in einen klapprigen 25jährigen Toyota Hyace mit Handschaltung, der eigentlich für 9 Menschen zugelassen ist, in dem aber schon 14 hocken und bestenfalls auch noch ein oder zwei Ziegen mitfahren. Das Gepäck landet oben.
Dann gehts los. Der Fahrer -entweder bekifft oder besoffen, meistens beides- dreht die Musik hoch und fährt mit Vollgas davon. Gerade in Afrika scheint es oftmals wichtig, die Männlichkeit mit besonders großem Todesmut hinter dem Steuer zu demonstrieren. Die Passagiere gröhlen in purem Fatalismus die Nationalhymne: "Nkozi sikelelel Afrika". Gott schütze Afrika. Recht haben sie! Jemand anders kann nun nicht mehr helfen.
Aber es ist unterhaltsam. Meist muss man den Mitreisenden zig Fragen beantworten: Ob man verheiratet sei (damals nein), ob man Kinder habe (nein), warum das denn nicht (es kam bisher nicht dazu), ob einem das Land gefalle (ja), ob man wiederkomme (ja, wenn man diese Fahrt überstehe), ob man gläubig sei (eher nicht) undsoweiter...Man glaubt nicht an ein Ende des Martyriums, erst recht nicht angesichts der chronischen Sauerstoffarmut in Kombination mit elendigem Gestank menschlicher Leiber.
Nach stundenlanger Fahrt, bei der der Fahrer bewiesen hat, dass er auch in Kurven und auf dem Seitenstreifen überholen kann und er die Funktion der Hupe bestens beherrscht, kommt man dann endlich an und muss sich erstmal was für die Übernachtung suchen.

Vieles fällt von vorneherein weg: Die Buren mit der Reichskriegsflagge sowieso, das überteuerte Zehnbettzimmer auch und wenn man dann doch endlich was gefunden hat, kommt man grade rechtzeitig, um noch bei einem Bier die afrikanische Sonne untergehen zu sehen. Gesehen hat man nicht viel außer ein paar Verrückten, aber egal....

...es ist ja Urlaub...

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Samstag, 23. Dezember 2006
Reisen
Ich liebe reisen. Jahrelang bin ich gereist. Je exotischer die Ziele, je besser.
Reisen ist nicht Tourismus. Reisen ist Reisen. Eine Philosophie. Der wichtigste Unterschied zum Tourismus: Ein Reisender reist, meist um des Reisens willen, ein Tourist macht Urlaub. Reisen bildet, Urlaub verblödet. Ein Reisender will was sehen, ein Tourist legt sich faul an den Strand. So zumindest das Eigenbild eines Reisenden.
Meistens reisen nur junge Leute, die Spießer machen Urlaub. "Pauschalurlaub" ist ein Schimpfwort.
Wichtigstes äußerliches Erkennungsmerkmal des Reisenden (engl.: traveller) ist der Rucksack. Nie im Leben würde ein Reisender einen Koffer mitführen. Und wenn doch, würden ihn all die anderen Reisenden verspotten. Weil Koffer in der Szene einfach out sind. Frührentner haben Koffer oder Politiker. Hausfrauen und sonstige uncoole Personen. Ein echter traveller hat seinen Backpack.

Natürlich nächtigt man nicht in Hotels sondern in Backpackern oder (uncooler) Jugendherbergen. Das ist billiger, das ist authentischer. Das sind die beiden Schlagworte, um die es geht: Geld und Authentizität. Es gibt Backpackers, die nur Rucksackreisende aufnehmen ("no backpack, no bed")
Zwecks des Abenteuers: Es muss möglichst billig sein, nur dann ist es auch authentisch. Und es muss einen gewissen Grad an Abenteuer bieten, damit man daheim auch was zu erzählen hat. Ein Mehrbettzimmer in einem Backpacker wird idealerweise von einem australischen Drogendealer und Vielkonsumenten, einem Kerl mit all-around-the-world-ticket, einem heimwehkranken Engländer ("Mom, I need money"), einer Bhagwanjüngerin aus den USA, 2 Skorpionen und einer Herde Ungeziefer (am besten Kakerlaken) bewohnt.
Es geht immer um das Lebensfeeling und das hat nur, wer ganz dicht bei der Bevölkerung ist. Oder zumindest das Gefühl hat, ganz dicht bei der Bevölkerung zu sein. Das geht am besten dann, wenn man sich dem Leben der Bevölkerung annähert: Man feilscht 15 Minuten lang um 2 Cent (bis einen der Kerl vom Markt verjagt), speist in salmonellenverseuchten Bruchbuden (man ahnt gar nicht, was das ne Story zuhause gibt, wenn man erzählen kann, dass man die Ruhr hatte) und fährt zum Entsetzen der Einheimischen grundsätzlich per Anhalter.
Auch der Speiseplan muss sich auf die örtlichen Gegebenheiten einstellen: Auch wenn es der Magen nicht wirklich mitmacht, aber man sollte im südlichen Afrika auf jeden Fall Maden gegessen haben und in China eine Katze, sonst kann man nicht mehr mitreden.
Es macht sich auch sehr gut, mit einheimischen Behörden in Konflikt zu kommen, weil die nämlich oft nicht gerade an rechtsstaatliche Verhaltensweisen gebunden sind. Das geht vor allem aus dem sicheren Gefühl heraus, dass der eigene Wohlstandsarsch dennoch privilegierter ist, als so ein einheimischer Hintern. Das verschweigt man denn aber lieber dem Publikum zuhause. Dann kann man hinterher erzählen, wie man diesen togolesischen Grenzbeamten um 5 Dollar runtergehandelt hat.

Ein mindestens genauso wichtiges Utensil wie der Backpack ist der richtige Reiseführer. Es sollte mindestens der Lonely Planet sein. Weil da drin steht, was "in" ist und was nicht "in" ist. "Out" ist in jedem Fall alles, was irgendwie mit Massentourismus zu tun hat. Ein Reisender ohne Lonely Planet wird schlicht nicht ernstgenommen. Ohne Lonely Planet läuft man praktisch Gefahr, permanent abgezockt und verscheissert zu werden. Das ist zwar auch mit Lonely Planet so, aber man hat nicht so das Gefühl dabei.
Die Krönung ist die "Shoestring"-Reihe. Diese erklärt, wie man mit 6 Dollar 90 sieben Wochen lang durch Peru und Bolivien zieht und am Ende noch 5 Dollar 83 über hat.
Insider, die das Reisen schon jahrelang betreiben, schwören allerdings nicht auf Lonely Planet, sondern auf Footprint. Die empfehlen noch billigere Sachen.

....und am Ende liegt man in einem überteuerten Mehrbettzimmer, das an die 55 Grad hat, leidet an chronischer Diarrhoe, langweilt sich und fragt sich, warum man das alles überhaupt macht.
Wenn man wieder daheim ist, weiß man es: Damit man was zu erzählen hat.

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Freitag, 8. Dezember 2006
Fidschi
Von den Menschen auf Fidschi sagt man, sie seien die geborenen Seemänner. Das sei quasi genetisch bedingt.

Man hat uns zu Transportzwecken damals 2 Versionen angeboten: "Little Boat" und "Big Boat". Das sagte mir ganz zu Beginn überhaupt nichts. Die Hinfahrt verlief ganz passabel, gemütlich und langsam. Das war -wie sich später herausstellte- das "Big Boat". Zurück ging nur mit dem "Little Boat", das sie auch "Express" nannten. Warum sollte mir später klar werden.
Pünktlich haben sie uns zum Rücktransport abgeholt. "Little Boat" war einfach ein ziemlich kleines, ziemlich gefährliches Speed Boat mit 2 riesigen Außenbordern. Mehr als 8 Menschen hätten darauf nie Platz gefunden. Mussten aber auch nicht, es waren nur 6: Wir zwei, ein amerikanisches Pärchen, der Steuermann und ein bedauernswerter Bootsmann. Die Aufgabe des bedauernswerten Bootsmanns bestand darin, während der Fahrt die Benzinvorräte wieder aufzufüllen. Und das ging so: Sie hatten zu dem Zweck etwa 10 oder 12 Zehnliterkanister Benzin dabei und einen Schlauch. Dann einfach den Schlauch in den Tank, der arme Bootsmann zieht kräftig und schon läuft das Benzin in den Tank. Ich möchte nicht wissen, aus wieviel Prozent Benzin der Kerl besteht. Würde der rauchen, es bestünde höchste Brandgefahr.
Die Fahrt geht rasant los. Der Steuermann legt 2 Hebel um, es gibt einen Höllenlärm und das Boot dreht auf eine ziemliche Geschwindigkeit. Der Amerikaner gegenüber mir grinst, seine Freundin schaut etwas seltsam, ich grinse zurück.
Die Geschwindigkeit ist wirklich irre. Und während der Seegang vorher noch recht harmlos aussah, ist er jetzt -auf dem mehr oder minder offenen Meer- doch bedenklich.
Der Steuermann ist definitiv lebensmüde. Er steuert das Boot immer wieder mitten in Wellen hinein, die dann über dem Boot aufklatschen. Er schaltet den hektischen Scheibenwischer ein und rast weiter. Die Lippen der Amerikanerin formen zum ersten Mal "Oh, my god" und sie wird deutlich bleicher.
Ich dagegen habe ein anderes Problem: Meine Blase. Ich hätte etwas weniger scheußlichen Kaffee trinken sollen. Wird irgendwie gutgehen, bei der Geschwindigkeit sind wir ja bald da.
Mittlerweile ist der Seegang noch heftiger geworden und der Kerl am Steuer klatscht das Boot mal in die Wellen, mal in die Täler hinein. Während hinten der bedauernswerte Bootsmann zum 5. oder 6. Mal den Schlauch in den Tank steckt und wieder einen guten Schluck nimmt, schaffts vorne der Scheibenwischer nicht mehr: Jetzt muss der Steuermann zur Orientierung immer wieder seinen Kopf aus dem rechten Fenster stecken und nachschauen. Das macht er etwa 1 Mal die Minute, den Rest fährt er blind, das Boot liegt dabei schräg zu Fahrtrichtung.
Der Amerikaner schaut mich an, ich schau rätselnd, er weiß auch nicht was tun. Ich hab ein gesteigertes Problem mit meinem Harndrang, er eins mit seiner käsigen Freundin. Unterhaltung ziemlich zwecklos, des Lärms wegen, ebenso zwecklos wie aufstehen und mit dem Kerl reden. Einerseits will man ja nicht als verweichlichter Tourist dastehen, andererseits haben derartige Apelle wenig Wirkung, weil die Jungs meist völlig Kava-und-Alkohol-überdosiert sind.
Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, dass es mal unter einem kracht oder über einem eine Welle zusammenklatscht. Es hatte phasenweise ein Unterwasserfeeling. Und hey: Es ging ja von der Yasawa Group aus durch die Bligh Waters, die seinerzeit schon Kapitän Bligh nehmen musste, als auf der Bounty gemeutert wurde. Und damals war das noch gefährlicher, weil die Jungs, die heute Boote steuern und Benzin saufen, durchaus bereit waren, den ein oder anderen verirrten Seemann zu vespeisen. Dagegen ist so ein dahinrasendes Boot eine Kleinigkeit. Wenn nur die Blase nicht wäre. An eine Entleerung selbiger ist nicht zu denken. Nicht bei der Geschwindigkeit. Ich spüre schon, wie das Ding auf allerlei andere Organe drückt und stelle mir vor, wie ich mitten in diesem Riesenozean an multiplem Organversagen dahinvegetieren werde.
Der Amerikaner schüttelt nur noch den Kopf, sie sagt überhaupt nix mehr und ich bin mit mir selbst beschäftigt. Vor und hinter uns ist alles surreal: Benzinsaufende Bootsmänner und der Verrückte mit dem Schnauzer, der alle Minute mal nach dem rechten sieht und ansonsten nix macht, außer Gas geben.

Zweieinhalb Stunden ging das Ganze. Die Amerikaner tun cool, wir tun cool und das Hafenbecken von Lautoka war um mindestens 2 Liter Urin reicher.

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Donnerstag, 30. November 2006
Tobago
Wenn es sowas wie ein irdisches Paradies gibt, dann muss es Tobago sein. Auf den ersten Blick ist alles traumhaft. Auf den zweiten eigentlich auch. Das Wetter ist grandios, die Strände wunderschön, es gibt einen ausgedehnten Regenwald und die Korallenriffe sind ein Tauchparadies.
In Trinidad sagt man: "Trinidad is nice, Tobago is paradise" und kann gar nicht verstehen, was ein Tourist auf Trinidad wolle. Im Prinzip stimmts ja auch. Tobago ist die kleine Schwester auf der alles etwas langsamer und beschaulicher läuft. Und so gehen einige ganz besonders gemütliche Exemplare einem noch viel gemütlicheren Leben nach, als es die übrigen Bewohner ohnehin schon tun:
Die lässigsten und entspanntesten -wohl vorrangig weil vollgekifftesten- Rastamänner sind die auf Tobago. Die meisten von ihnen haben nicht sonderlich viel zu arbeiten, gedenken aber auch nicht, an diesem Zustand sonderlich viel zu ändern. Ihr Tagesablauf ist grandios: In der Regel stehen sie irgendwann am Nachmittag auf. Ich kann mich noch gut an den Blick von "Lizard" erinnern, der mittags um 3 von seinem Nachbarn aus dem Bett gezogen wurde, weil ein blöder Europäer (ich) sein Auto borgen wollte. Nach dem Aufstehen ist dann erst mal alles "easy" und "slow" und so geht das dann den ganzen Tag weiter. Abends werden dann in aller Regel ein paar Früchte eingesammelt, die man selbst essen kann oder auch Touristen verkaufen kann. Die kriegen nach der Kifferei auch nen Fressflash. Vielleicht gehts dann noch als Boothelfer auf eine Tauchtour.
Danach sitzt man kiffend und Bier trinkend rum, labert Touristen und Kumpels voll und baggert die Touristinnen an. Eine Unterhaltung läuft in etwa so:

"Easy, Sista?"

"Easy, Brotha"

"Fine"

"Yeah"

"Smoke?"

"Nice"

"Cool"

Genug geschwätzt. Das reicht dann meist wieder ne gute Stunde.
Liebend gerne erzählen sie von dem Islamistenputsch in den 90ern: Das wurde in Tobago praktisch gar nicht wahrgenommen, weil ihnen das Treiben schlicht egal war. Erst als sie hörten, dass die Einführung der Scharia geplant sei und Alkohol verboten würde, fanden sie das richtig übel. Die Erkenntnis, dass es sinnlos sei, ein fernes islamisches Paradies anzustreben, wenn es gleichzeitig ein irdisches gibt, stammt nicht von Michel Houellebecq sondern von Rastas aus Tobago. Der Putsch scheiterte übrigens nach 6 Tagen.

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Mittwoch, 29. November 2006
Stehklo
Kann mir jemand erklären, was das ist? Nein, es ist kein Urinal und leider war die Tür dummerweise abgeschlossen...

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Sonntag, 26. November 2006
Wie ich mal zusammen mit Rae von Reamonn in den Urlaub geflogen bin
Hier der komplette Dialog. Ungekürzt.


Er: "Hi."

Ich: "Hi."

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