Sonntag, 12. Juni 2011
Ein Blick in die Kristallkugel
Das wirklich Wunderbare am Internet ist, dass man ausführliche Studien über allerlei psychiatrische Erkrankungen erstellen kann, wenn man nur will. Ich will ehrlich sein: Hin und wieder tue ich das ganz gern. Da gibt es eine gigantische Mischpoke an Verfolgungswahnsinnigen, Grenzdebilen, Verschwörungstheoretikern und Schwadronierern, da gehen einem wirklich die Augen über.

Sehr unterhaltsam sind etwa die Jungs und Mädels, die immer und überall exakt die Welt erklären können und ganz genau wissen, dass hinter allem und jedem mal abwechselnd Illuminaten, Bilderberger, Juden, Freimaurer, Aliens, die CIA oder "Jene" stecken. Irgendwas ganz großes auf jeden Fall, neue Weltordnung mindestens, Welteroberung oder so, 3. Weltkrieg, kleiner gehts nicht.

Der allerneueste Coup kommt als detaillierte Prophezeiung daher: Es wird einen Terroranschlag geben. In Deutschland. Genauer: Berlin. Nun gut, könnte man nun sagen, das allein wäre noch keine größere Sensationsmeldung, könnte eventuell in den näxxten 200 Jahren mal vorkommen und das wissen diese Jungs auch. Deshalb sagen sie natürlich auch detailliert wann und wo: Am 26. Juni diesen Jahres, Berliner Olympiastadion, 19 Uhr. Ehe Sie nun nachschauen, was da an diesem Tag veranstaltet wird: Es ist das Eröffnungsspiel der Frauenfußballweltmeisterschaft. Deutschland gegen Kanada. Eindeutige Hinweise gäbe es hierzu und nun müssen Sie entweder sehr tapfer sein oder das mit Humor ertragen, weil ich präsentiere Ihnen nun eindeutigste Beweise dafür, weshalb am 26.06.2011 um 19 Uhr im Olympiastadion in Berlin ein Terroranschlag stattfinden wird.

Eins der Beweisstücke ist dieses T-Shirt:



Sie glauben jetzt sicher, dass ich Sie verscheißern möchte. Ist ja schließlich ein ganz normales T-Shirt. Ja, stimmt, ein normales T-Shirt. Aber die Terrorprophezeier sagen nun, dass dieses Shirt eindeutige Hinweise enthält. Sie sagen natürlich nicht, weshalb jemand der einen Anschlag verüben will, dies vorher auf T-Shirts spazieren tragen lässt und das auch noch zigtausendfach. Aber immerhin ist da 26th June aufgedruckt und dazu noch die Zahlen 119 und 34. Aus 119 machen wir mal schnell 11.09. und wenn wir eine 1 weglassen, dann bleibt nur noch die 19 und das ist ein Hinweis auf die Uhrzeit, wie auch drei plus vier sieben ist und auch das ein ganz eindeutiger Beweis für die Uhrzeit ist. Und sehen die Reststrukturen nicht aus wie explodierende Menschen?

Na? Sind Sie schon im Lachmodus oder staunen Sie noch? Es kommt natürlich noch viel besser. Als vermeintlicher Beweis wird alles herangezogen, das zufällig passen könnte. Da müssen Simpsonsfolgen herhalten oder auch ein Kinotrailer, die scheints eindeutige Beweise liefern, dass da was im Busch sein soll. Reinverwursten kann man da alles: Von vedischer Astrologie über Kabbalistik bis zum Scooterkonzert. Dabei läuft es ähnlich wie mit dem T-Shirt. Rumspielerei mit angeblichen Zahlen, irgendwie muss es ja passen, auch wenn man sichs zurechtbiegt. Vermelden darf den Seier übrigens unter anderem Eva Herman, aber wer wäre besser geeignet? Nicht beantwortet wird natürlich auch hier die Frage, weshalb jemand möglichst breit Informationen streut, die man besser für sich behält.

Dazu kommen dann Meldungen über angeblich streng geheime Katastrophenschutzübungen, die so streng geheim sind, dass sie überall im Internet auftauchen und verbreitet werden und die ein eindeutiges Indiz sein sollen, dass jetzt was passiert. Weil nämlich nicht irgendwer terrormäßig zuschlägt, sondern die NATO höchstselbst in Form von Gladio. Ja genau, alle Anschläge überhaupt wurden durch Sicherheitskräfte veranstaltet, eventuell auch durch Geheimdienste, vielleicht wars auch die NATO, die Bilderberger, die Illuminaten, die Freimaurer, die Juden, die CIA, "Jene", suchen Sie sich was aus.

Man könnte nun noch eine ganze Menge "Beweise" aufzählen, begonnen mit angeblichen Gasreservoirs unterm Olympiastadion, die angeblich entleert wurden (weshalb eigentlich, wenn es mächtig knallen soll?), aber es ist scheints eindeutig. Die Beweise sind so erdrückend, da kriegen Sie es echt mit der Angst zu tun, wobei die eher dahingeht, ob solchen Geisteszuständen noch mit herkömmlichen Neuroleptika beizukommen ist.

So. Und nun liefere ich Ihnen die Beweise, dass der Quatsch stimmt und zwar anhand der Lottozahlen vom letzten Mittwoch. Diese lauteten: 4, 15, 24, 31, 38, 49, Zusatzzahl 9, Superzahl 5.

15: 1+5=6, das ist schon mal der Monat.

38: 3+8=11, das ist das Jahr.

24 und 31: 24+3-1=26, das ist der Tag.

4, 49, 9 und 5: 9x9=81, 8+1=9+(5x4)-4=25, 2+5=7 das ist die Uhrzeit.

Sie sehen: Selbst die Lottozahlen beweisen es!

Schön für diese Schwurbler ist ja: Sie haben in jedem Fall recht. Wenn nix passiert haben sie einen Anschlag übelsten Ausmaßes verhindert.

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Und der Beweise gibt es noch mehr! Quasi der Beweis des Beweises!
Ich gehe mal ganz stark davon aus, daß auf dem Einnäher "Esprit" steht.
Das sind in Zahlen 5, 19, 15, 18, 11, und die 20.
Die 19 ist ja eindeutig, ebenso
20 und 11= 2011.
11-5= 6 und
15+11=26.
18-19=-1+20=19 Uhr. Die besondere Betonung!
Also wem das nicht langt....
Ich werde mich auf jeden Fall ganz warm anziehen.
Und der Umkehrschluss: 5, 19, 15, 18, 11 und 20 sind beim Mittwochslotto ein ganz heißer Tip.
Ach ja, sollte auf dem Einnäher nicht "Esprit" sondern Moppelkotze stehen, werde ich selbstredend noch einmal meinen Rechenschieber bemühen.

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Hehehe
Herrlich! Sie alter Verschwurblungstheoretiker :-)

Ich seh schon, Sie sind auch einer von "Jenen" wir sind hier auf einer Wellenlänge. Herzlichen Dank für Ihre Untermauerung der These. Das war wirklich der allerallerletzte Beweis. Allerdings glaube ich, dass neben Esprit auch Moppelkotze passt und bin auf Ihre Rechenkünste gespannt...:-)

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"Sie sagen natürlich nicht, weshalb jemand der einen Anschlag verüben will, dies vorher auf T-Shirts spazieren tragen lässt und das auch noch zigtausendfach. Aber immerhin ist da 26th June aufgedruckt und dazu noch die Zahlen 119 und 34. Aus 119 machen wir mal schnell 11.09. und wenn wir eine 1 weglassen, dann bleibt nur noch die 19 und das ist ein Hinweis auf die Uhrzeit, wie auch drei plus vier sieben ist und auch das ein ganz eindeutiger Beweis für die Uhrzeit ist. Und sehen die Reststrukturen nicht aus wie explodierende Menschen?"

Diese breitenwirksame Ankuendigung eines Anschlages koennte natuerlich auch auf eine gemeine Erpressung hindeuten.

Nur ist die etwas kryptische Darstellung nicht sinnvoll. Da waere wohl ein aus Zeitungsartikeln zusammengeschusterter Erpresserbrief besser -und natuerlich auch traditioneller- gewesen.

Textbeispiel:

Lieber Herr Wowi.

Ueberweisen bis 26. Juni 2011, 17 Uhr, 2 Millionen Euro auf das Konto 12323155, Bad Bank Frankfurt, BLZ 10011934.

Sonst Olympiastadion & Frauen bums.

Dein
ESPRIT DE CORP

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....aber sowas auf ein T-Shirt zu drucken ist halt doch etwas umständlich....:-)

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Ich sage nicht zuviel: Ein Meisterstück!
Damit steht Ihnen, wenn alles andere nicht mehr so recht ernährt, immer noch eine steile Karriere zum Starautor des Kopp-Verlags offen. Allein die Nummer mit den Lottozahlen ist wirklich was für Fortgeschrittene.

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....wenn gerade Sie von "Meisterstück" reden, dann hat das beinahe sowas von Ritterschlag...:-)
Allerdings hat besagter Verlag derart viele "Originale" mit richtig ordentlich Hirnwumms....dagegen bin ich ein echter Amateur :-)

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Es
muss ja nicht unbedingt die Frauenfußballweltmeisterschaft sein, wenn ein Anschlag passiert, es kann ja auch ein Ereignis sein, das weder mit Frauen noch mit Bällchen direkt was zu tun hat.

Denn gerade wenn man sich die Anzahl der unnichtchristlichen Bewohner Berlins anschaut und dann weiß, dass jener Herr Berlin besucht, da kann man sich schon so manch Anschlagsszenario aus den Fingern saugen. Gut, mit dem 26. haut das nicht so ganz hin, aber plus minus drei Tage ist doch auch noch im Rahmen, oder?

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Neinnein, so genau muss man das nicht nehmen. Tun die Jungs selbst ja auch nicht. Die suchen sie ja auch das raus, was ihnen grade passt.
Und ich krieg wieder mal nix mit. Der Ratz kommt und ich weiß von überhaupt nüscht...(bin aber auch kein Katholik)

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Alles Stümper, heutzutage
Leo Taxil hingegen, der hatte dem Papst gar ein Haar des Teufels als Beweismittel vorgelegt für die satanistische Weltverschwörung der Freimaurer!

Über Jahre hinweg hat er alle, vor allem die katholische Kirche, an der Nase herumgeführt und dort vor Hunderten von Würdenträgern gesprochen. Schließlich dann vor versammelter Weltpresse: April, April, ich wollte nur mal sehen, wie man euch alle verscheißern kann.

Alle, die nach Taxil kamen: kleine Gartenzwerge. Meine ich.

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Danke!
Das war mir nicht bekannt. Jetzt haben Sie es geschafft, mich dafür zu interessieren. Danke hierfür...

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Empfehle Umberto Ecos „Das Foucaultsche Pendel

Da steht drinne wie man den Kram richtig macht. Ausserdem kann man da lernen, was Taxil falsch gemacht hat:

Er hat überhaupt damit angefangen.

Das darf man in den Kreisen derer, die so was glauben, nicht tun. Was ein mal in der Welt ist, wird man dann nämlich nicht mehr los. Ich verwette den Petersdom (mit Vorplatz und den angrenzenden Gebäuden), dass sich heute noch erwachsene Menschen mit diesem Haar beschäftigen, die Aussagen Taxils bewerten, in Relation mit seinem „April April“ setzen (warum ausgerechnet April? Und warum gleich zwei mal?) und herausbekommen wollen, warum genau an dem Tag Taxil …, und wieso gerade die Kölnische … und so weiter und so weiter und so …

„Bis heute wird der Schwindel von verschiedenen Gruppen für wahr gehalten und gegen die Freimaurerei verwendet. So publiziert der fundamentalistisch-protestantische Verlag Chick Publications Traktate wie Der Fluch Baphomets“

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Ich mach' es nicht gern, zitiere mich aber mal selbst
Das erspart die Recherche in alten Schriften in der Nationalbibliothek:

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Der Schriftsteller Gabriel Jogand-Pagès alias Leo Taxil, Freidenker und leidenschaftlicher Feind des Katholizismus, lässt sich 1881 in eine Freimaurerloge aufnehmen. Er bringt es dort zum Lehrling und wird nach nur drei Besuchen wegen Verstößen gegen die freimaurerische Ehre wieder ausgeschlossen. Daraufhin wendet er sich der katholischen Kirche zu und wird im Laufe der Jahre zum Berater mehrerer Bischöfe und Erzbischöfe. Taxil erwirkt sogar eine Papstaudienz, in deren Verlauf er dem Papst seine angeblichen Pläne zur Vernichtung der Freimaurerei darlegt. In den Jahren darauf verfasst Taxil mehrere in der ganzen Welt verbreitete Schriften, in denen er die angebliche Existenz einer über ganz Europa verbreiteten Satanssekte enthüllt. Diese Sekte bezichtigt er der Ausübung eines Teufelskults, der Anrufung Satans, der Durchführung von Sexorgien und schwarzen Messen, schließlich sogar auch geheimer Morde. An einem solchen Giftmord sei er selbst beteiligt gewesen. Ort dieser Geschehnisse seien die Logen von Freimaurern und Illuminaten. Es finden sich sehr schnell weitere Personen die angeben, an solchem Tun beteiligt gewesen zu sein.

Mit Dr. Francois Bataille (in Wahrheit der ehemalige Schiffsarzt und spätere Journalist Charles Hacks, ein Komplize Taxils) tritt ein Satanismusexperte auf und erklärt die Riten und Symbole der Satanisten. Taxil lässt eine junge Frau namens Diana Vaughan, die angeblich im Alter von zehn Jahren in eine amerikanische Loge aufgenommen und dem Teufel Asmodeus angetraut wurde, satanistische Opferungen beschreiben. Diane Vaughan, in Wahrheit eine von Taxil angeheuerte und angelernte Pariser Kokotte, gibt zudem bekannt, daß im Jahre 1995 der (1962 zur Welt kommende) Antichrist erscheinen und der regierende Papst, ein konvertierter Jude, dann den Katholizismus abschaffen und stattdessen den Satanskult einführen werde.

Die ganze Angelegenheit weitet sich aus und es kommt 1896 zu einem großen Antifreimaurerkongreß. Neben 36 Bischöfen und Hunderten weiterer Geistlicher nehmen auch der Satanismusexperte Bataille und das Satanistenopfer Vaughan teil. Taxil und Dr. Bataille weisen nach, daß die Freimaurerei in Wirklichkeit ein international operierender Satanskult ist. Der amerikanische Freimaurer Albert Pike wird gar zum Teufelspapst gemacht.

Am Ostermontag 1897 lässt Taxil vor eigens geladenen, nichtsahnenden Gästen aus Presse, Politik und Kirche in einem Pariser Theater die Bombe platzen und erklärt, dass er sich alles nur ausgedacht und damit den gesamten Klerus jahrelang an der Nase herumgeführt habe.

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„Am Ostermontag 1897 lässt Taxil vor eigens geladenen, nichtsahnenden Gästen aus Presse, Politik und Kirche in einem Pariser Theater die Bombe platzen und erklärt, dass er sich alles nur ausgedacht und damit den gesamten Klerus jahrelang an der Nase herumgeführt habe.“

Was ja nicht anders als Beweis zu lesen ist, dass alles wahr ist. Warum sonst sollte er die schwächste aller Ausreden, die „Fiktion“, verwenden. Er hätte einfach Schweigen können. Alles auslaufen lassen, und gut ist. Aber die Sache wurde zu groß. Man hatte Protagonisten auf die Bühne gerufen, die in höheren Kreisen agieren, als es Taxil bisher tat. Eine beherzte, öffentliche Show-Verantsaltung (in einem Theater, Sic!), an einem passenden Tag (immerhin die Wiederauferstehung Christi, in dieser Größenordnung muss es sich schon abspielen), und schon sind Zweifel gesät. „Sie“ hätten eigentlich zufrieden sein müssen, wenn es nicht Auserwählte gäbe, die die wahren Gründe hinter der Theaterfarce erkennen, die die Zeichen richtig deuten können … und so weiter blahblahblah …

Ich sach ja: Er hätte nie damit anfangen sollen. Das wird ewig weiter gehen.

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