Mittwoch, 16. März 2011
kill´em all
Zitat: Die Gesellschaft muss anerkennen, dass in einem Industrieland nicht einfach so auf Kohle und Atomenergie verzichtet werden kann, wenn Wohlstand und Versorgungssicherheit erhalten bleiben sollen. Es ist zwar richtig, auf erneuerbare Energien zu setzen und diese auszubauen, aber man muss wissen, welchen Preis man dafür bezahlen will. Billige Energie und zugleich ein kompletter Umbau der Stromversorgung ist eine Illusion.

Diese Sätze durfte Jürgen Großmann in die Kamera sagen. Der Mann ist Boss bei RWE und damit bei einer der Firmen, die Kernkraftwerke betreiben, mitverantwortlich für die Laufzeitverlängerung. Ehrlicherweise muss ich zugeben,dass der Mann dafür bezahlt wird, Texte dieser Art von sich zu geben. An Tagen wie diesen * kann man vieles in die Kamera sagen und wahrscheinlich ist ohnehin das meiste davon falsch oder völlig deppert. Zumindest als Kernkraftwerksbetreiber. Immerhin schwurbelt Herr Großmann nicht so wie Tanja Gönner, was auch daran liegen könnte, dass seine Restlaufeit länger als zwei Wochen beträgt. Gönner ist es während eines Interviews mit der Stuttgarter Zeitung immerhin gelungen, innerhalb zweier Sätze exakt das unterzubringen und das mag auch eine Leistung sein (Originalzitat lt. StZ):

Wir können an solch einem Tag nicht sagen, die Kernkraftwerke sind sicher. Ja, die Kernkraftwerke sind sicher.

Aber zurück zu Herrn Großmann, der sich etwas subtiler ausdrückt, aber genauso weit daneben liegt. Es geht also um Wohlstand und Versorgungssicherheit. Dazu sind scheint´s AKW und Kohlekraftwerke nötig. Sagt er. Oder zumindest verstehe ich das so.

Ich kann ihm nun von Norwegen berichten. Norwegen hat den allerhöchsten Stromverbrauch des gesamten Planeten. Die Norweger beleuchten alles und die Norweger heizen gar ihre Wohnung mit Strom (versuchen Sie das mal bei sich daheim oder vielleicht doch besser nicht: Sie machen das wirklich nur einmal, spätestens bei der Stromrechnung kriegen Sie eine Volldepression). Kurz: Die ballern ordentlich was raus.

Norwegen belegt in beinahe allen Statistiken betreffs BIP, Human Development Index, Prokopfeinkommen undsoweiter immer die ersten 5 Plätze weltweit, meist mit ziemlichem Vorsprung auf Deutschland oder Österreich. Man kann damit sagen, dass Norwegen eines der reichsten Länder der Welt ist.

Wachstum ohne Atom, wie Herr Großmann sagt. Möglich? Ein Land, das reich ist und NICHT auf Atomstrom setzt. Kann das gehen? Es kann.

Norwegen hatte nie ein Atomkraftwerk und hat auch nicht vor, eines zu bauen. Zugegeben: Norwegen hat ein Kohlekraftwerk. Eines! Das erzeugt so etwa einskommanochwas Prozent der norwegischen Energie. Und der Rest? Öl aus der Nordsee? Nein, das wird verkauft und in Rentenfonds angelegt.

Woher kommt die Energie der Norweger? Es ist schlicht und einfach: Wasserkraft. Zu 98 %! Wasser.
Nochmal: Die Norweger machen ihren Strombedarf zu 98 % aus Wasserkraft. Sie haben übrigens so viel davon, dass sie sehr gerne auch exportieren würden, wenn man sie denn ließe. Norwegen hat eine Unzahl kleiner lokaler und regionaler Versorger und die betreiben nahezu ausschließlich Wasserkraftwerke.

Und was die Mär vom teuren Ökostrom angeht: Wissen Sie, was die Norweger für eine Kilowattstunde Wasserkraft bezahlen? 6 bis 7 Cent. Hier sind es so um die 20. Für den angeblich so billigen Atomstrom, nicht für Ökostrom. Norwegen ist übrigens ein ziemlich teures Land. Gehen Sie da mal ein Bier trinken, da können Sie viele Kilowattstunden das Licht brennen lassen.

Nun muss man ehrlicherweise zugeben, dass die Norweger früh genug schlau genug waren und das auch nicht in drei Moratoriumsmonaten aus dem Ärmel schüttelten. Stattdessen wurde das bedarfsorientiert ausgebaut. Peu a peu. Historisch gewachsen quasi. Gewachsen im Lauf der letzten 100 Jahre. Und: Ja, Norwegen ist auch ein kleines Land mit wenig Bewohnern und daher nicht so recht mit Deutschland vergleichbar. Ich behaupte auch nicht, dass so ein Umstieg nicht mit großen Kosten verbunden wäre, zumal das viel schneller gemacht werden müsste als seinerzeit in Norwegen und so hopplahopp geht das ganz sicher auch nicht. Eine 98%-Quote Wasserkraft ist hier ohnehin illusorisch. Schon 20 % wäre hierzulande schon eine Sensation. Aber das wäre für mich schon mal eine Ansage.

Aber. Wenn mir heute jemand erzählen möchte, wirtschaftliche Prosperität sei ohne Verzicht auf Kernkraft nicht möglich, dann ist das eine Lüge. Es war eine Lüge, dass das Licht ausginge, wenn das AKW Wyhl nicht gebaut werde und sie lügen bis auf den heutigen Tag. Es war und ist eine Lüge, dass man so ein AKW nicht so einfach abschalten könne. Es geht jetzt doch. Eine Lüge, wenn sie sagen, der Weiterbetrieb sei zwingend notwendig. Quatsch, es dient nur Konzerninteressen. Es ist auch eine Lüge, dass der Ausstieg finanziell nicht machbar sei. Blödsinn. Möchte jemand wissen, wieviel Milliarden möglich waren als es um die Bankenrettung ging? Dagegen sind die AKWs eher Peanuts.

Kurz: Sie belügen uns, weil es um Firmeninteressen von Großkonzernen geht und wenn ich dezentral meinen Strom direkt aus dem Wasserkraftwerk um die Ecke beziehen würde (ich habe diesen Tarif gebucht, weiß aber auch, dass das mein Wunschdenken ist), dann verdient RWE daran nicht mehr und EnBW auch nicht mehr. Dann käme das den vielen kleinen Stadtwerken zugute, die man durch die Laufzeitverlängerung in die Bredouille gebracht hat.

Ich will es mal so sagen: Ich bin mittlerweile in einem Alter, da mag man sich nicht mehr so offensichtlich belügen lassen, andersrum gesagt: Ich bin noch nicht alt genug, mich nicht mehr wehren zu können. Oder auch: Es herrscht meinerseits mittlerer Revolutionsmodus.

Wenn man richtig aufräumen will und wenn man richtig neu beginnen möchte, dann haben die Großkonzerne a la Vattenfall, RWE, E.on oder EnBW in der Energieversorgungslandschaft nichts mehr zu suchen. Es sei denn, sie bauen demnäxxt im großen Stil Wasserkraftwerke. Bisher haben sie das nicht gemacht, bisher haben sie -gezwungenermaßen- allenfalls ein AKW nachgerüstet, das einem Inferno hätte anheim fallen können.

Die verdienen dran.

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Ja, Sie lügen. Wenn nicht schon getan, Vertrag kündigen.

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Daß ich das "sie" als "Sie" geschrieben habe, war natürlich ein nahezu unverzeihlicher Fehler. Ich hoffe, Sie sind nicht nachtragend, bin mir aber sicher, Sie wissen, wen ich damit meinte.

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Passt schon...

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So ein Quatsch!
Norwegen ist auch ein kleines Land mit wenig Bewohnern.

Ein riesiges Land, ist es! Mit wenig Bewohnern...

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Oder: Großes Land mit kleinen Bewohnern?

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Sie meinen die Trolle?

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Ich kannte mal einen Norweger, der auf den schönen Namen Stein-Inge hörte, der war höchstens 1,70 Meter groß.

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Sie sind tapfer.

Als der RWE-Fuzzie vor die Kamera durfte, da habe ich ganz schnell weitergeschaltet, weil ich mir sicher war, dessen Gelaber halte ich nicht ohne spontanen Speikrampf aus.

Sie haben das geschafft, und konnten sogar über den Inhalt bloggen.

Respekt.

Und vielen Dank!

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Es geht ganz sicher auch ohne Atomkraft, wir schlicht denkende Ösis hatten zumindest erreicht, daß unser Zwentendorf nie hochgefahren wurde - heute eine klassische Industrieruine.
Und obwohl wir extrem viel Wasserstrom produzieren, ist der auch bei uns teuer und dennoch heize ich seit 2 Jahren damit - ja, viel zu teuer, aber unvergleichlich sauber und umweltfreundlich. Dafür verzichte ich auf sehr viel anderes: Ausgehen - dafür mehr selbst Leute bekochen, teure Hobbies - dafür Bücken bei der Haus- und Gartenarbeit, sowieso no smoke no alk - trotzdem meist gute Laune. Irgendwas mache ich sicher falsch, gelle?
Und mein Stromanbieter hat mir schriftlich versichert, daß er keinen Atomstrom aus dem Ausland einkauft, sondern Wasserstrom exportiert.

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Ich habe noch nirgends gelesen, ob das "Moratorium" auch Parteispenden betrifft. Deren Ausbleiben wäre letztlich der einzige für CDU und FDP denkbare GAU.

Aber bevor ich ins Kalauern verfalle: schon lange habe ich den Gedanken im Hinterkopf, mit welchem Aufwand und Hndernissen die Gründung einer eigenen Energiefirma verbunden ist. Jetzt werde ich mich wirklich mit dem Thema beschäftigen.

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Bis vor kurzem war das recht einfach, Bauern auf der Schwäbischen Alb haben das auch massig genutzt: Solarenergie. Auf der Schwäbischen Alb gibt es kaum eine Scheune, die nicht zugepflastert wäre mit Solaranlagen. Dank Subventionen war das recht günstig und langfristige Verträge haben es ermöglicht, die Kilowattstunde für bis zu 0,99 € zu verkaufen....

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@ ilnonno: Einen eigenen Staat gründen. Deutschland wieder teilen, in Altes Deutschland und Neues Deutschland und jedem Bürger die Wahl geben. Ich würde meine Gefriertruhe dafür hergeben und hätte dann gern die Seite mit dem Meer. Obwohl. Egal. Hauptsache schön und frei und klug.

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Wenn, dann nicht Staat, sondern Königreich...

Ich lasse mich aber nicht davon abbringen: das muss gehen. Andere machen es doch auch. Die Stromrebellen sind auch nicht vom Himmel gefallen.

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Königreich?
Müssen wir alle Zeugen Jehovas werden?

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@ilnonno: Wenn Sie das ernsthaft betreiben, dann würde mich wirklich das Ergebnis interessieren....

@pathologe: begeben Sie sich schon mal in die Fußgängerzone und nehmen Haltung ein. Die Heftchen kriegen Sie dann demnäxxt geliefert...:-)

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Na,
so nah ist das Ende nun auch wieder nicht. Liegen noch 9200 Kilometer dazwischen.

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Was
er sagte und was er meinte:

Die Gesellschaft muss anerkennen (Wir werden schon dafür sorgen, dass ihr alle unserer Meinung seid. Merkel und Co. müssen wir dafür ein wenig schmieren, aber die restlichen 82 Millionen machen eh, was man ihnen sagt.), dass in einem Industrieland nicht einfach so auf Kohle (speziell wir als RWE und ich persönlich wollen auf unsere Kohle nicht verzichten) und Atomenergie verzichtet werden kann, wenn Wohlstand und Versorgungssicherheit erhalten bleiben sollen (Gut, es geht zwar nur um unseren persönlichen Wohlstand bei den Energieerzeugern, aber jetzt fragt ja eh niemand nach.). Es ist zwar richtig, auf erneuerbare Energien zu setzen und diese auszubauen (Hihihi, all diese Ökospinner mit ihrem Solar- und Wasserkraftfimmel), aber man muss wissen, welchen Preis man dafür bezahlen will (Wir werden schon dafür sorgen, dass der Preis hoch sein wird. Notfalls wird unser Lobbyistenpack der Regierung vorschreiben, welche Strafzölle auf konkurrierende Energieerzeuger zu erheben sind.). Billige Energie und zugleich ein kompletter Umbau der Stromversorgung ist eine Illusion (Zumindest für uns eine. Wir sorgen schon dafür, dass das zwar möglich ist, aber sich finanziell für die Nutzer nicht rechnet. Denn sonst würden wir ja unsere Monopolstellung verlieren.).

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**schauder**

Sag' ja: Speikrampf!

Danke für die Zusammenfassung.

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Kleine Ergänzung zu NorGer: man lässt.
Meines Wissens hat auch die EU-Kommission kein Veto eingelegt. Wenn doch lasse ich mich gerne korrigieren.

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Ja, im Prinzip ist das richtig. Ich sah gestern allerdings auch einen Bericht, dass da ein Haken ist und versuche jetzt mal, das als Laie zu rekapitulieren: Die Leitung wird grade verlegt (oder ist schon verlegt?) und das wird auch angeschlossen. Die Kapazität ist etwa so wie bei einem AKW. Problem dabei ist nun, dass es keine Garantie für eine Einspeisung ins Netz gibt, will heißen: Wenn die AKWs das Netz dicht machen, fließt da nichts mehr und auch die Windräder drehen sich sinnlos im Kreis. So zumindest habe ich das verstanden, lasse mich da aber auch gern korrigieren.

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Ja, so habe ich das jetzt auch verstanden. Anscheinend hat Atomstrom Vorfahrt.

Das allein ist schon ziemlich scheiße, aber was erwartet man, wenn das Netz denselben Verbrechern profitorientierten Firmen gehört, denen auch die Kernkraftwerke gehören...

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Also wir haben ja Ökostrom }:-)

Natürlich käme Deutschland auch ohne Atomstrom aus. Aber mit einem abgeschriebenen (und das sind ja insbesondere die Alten) AKW kann man halt ungefähr eine Million Euro am Tag verdienen. Ob das mit Windrädern auch geht????

An der ganzen Diskussion momentan stört mich ein wenig, dass man gerade ausschließlich über mögliche Katastrophen durch Unfälle spricht. Dabei gerät mir ein wenig zu sehr in den Hintergrund, dass es eigentlich auch ohne Unfall eine Katastrophentechnologie ist. Kann sich jeder Politiker mal anschauen gehen in Gorleben...

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Hach, ich freue mich schon auf die Dunkelheit nach dem Abschalten der sieben Meiler!
Vielleicht geht dann manchem ein Licht auf: Wir haben gewaltige Überkapazitäten und exportieren Strom.
Und mit etwas mehr Nachdenken könnten wir ja auch noch ein paar Watt sparen...

(Woher nimmt der Ostfriese seinen Strom? Er geht übern Deich und holt ein paar Kilo Watt...)Entschuldigung...;-)

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Mittlerweile geht es bei mir so weit, dass ich diese "Ist-nicht-möglich"-Strategie für genauso verlogen halte wie die Grundaussage auf die sie sich bezieht...

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