Dienstag, 8. April 2008
Tibet
Medial unendlich weit weg und doch allerlei Ressourcen nutzen kann mal sehr interessant sein. In meinem Fall: Tibet.

Zuerst fand ich diese Olympiaboykottidee ja echt putzig. Wirklich drollig. Als würden politische Widrigkeiten auf einmal auf dem Sportplatz bekämpft. In diesem Fall hätte man ja auf den 2+4-Vertrag verzichten können und Schlesien stattdessen in einem Länderspiel ausspielen können. Ich fand auch sehr unterhaltsam, dass man der Annahme war, irgendein Boykott bei Olympia verändere auch nur den Hauch von irgendwas. Ich zumindest kenne Boykotts 1976, 1980 und 1984 und dabei kam exakt nichts bei rum.
Und jetzt stürmt man -schön korrekt und in westlichen Demokratien- dieses unsägliche Olympiafeuer. Jungs und Mädels: Helden seid ihr, wenn ihr das in Peking macht und euch nicht entlang der political correctness in Paris oder London wie Tibeter aufführt.

In den Medien hierzulande gibt es mehrheitlich die Meinung, es handele sich um bösartige Chinesen und völlig friedfertige tibetische Mönche. Sorry, aber so stimmt das nun auch nicht: Meine Sympathie gegenüber dem tibetischen Rassisten-Mob, der Chinesen und die islamische Minderheit totschlägt, erreicht diesselben Werte wie die chinesische Staatsmacht. Recht weit unten.

Wir gestehen den Tibetern etwas zu, das wir weder Kosovaren noch Serben durchgehen lassen würden. Und wenn der Dalai Lama von ethnischem und kulturellem Genozid [via Zuwanderung] spricht, dann darf man sich schon mal fragen, wann diese Phrase in den allgemeinen NPD-Sprachgebrauch übergehen wird.

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Ah,
eine Stimme der Vernunft. Im Übrigen hat der Buddhismus tibetischer Prägung durchaus seine dunklen Seiten. Und der vielfliegende Frontmann dieser Fraktion ist auch nicht ganz ohne, wenn man mal genauer hinguckt.

Das rechtfertige sicher nicht jede Reppressalie Rotchinas. Aber so schwarz-weiß, wie es hierzulande meist dargestellt wird, ist das Bild wahrscheinlich nicht. Und die Frage, ob es dem einfachen Tibeter in einer mittelalterlich organisierten und streng hierarchischen Theokratie nach Dalai Lamas Gnaden wesentlich besser ginge als unter der Fuchtel chinesischer Kommunisten, hat sicher ihre Berechtigung.

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Sie kennen Seiten, die ich -rein zynisch-inhaltlich- gerne selber geschrieben hätte....

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Ja, geht mir ähnlich -
zumal ich einige Querverbindungen von Theosophen und Nazi-Okkultusten zu selbsternannten Erleuchteten in Tibet auch schon eine Weile auf dem Schirm hatte.

Das blöde ist, man kann diese Aspekte kaum irgendwo in eine Diskussion einbringen, ohne dass einem gleich unterstellt wird, man sympathisiere mit dem pekinesischen rotchinesischen Mörderregime oder mache sich dessen Propaganda unkritisch zu eigen.

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Knapp anderthalb Milliarden Chinesen sind dabei, ein paar Millionen (sechs?) Tibeter zu sinisieren. Die Brutalität dieses Vorganges wird nicht zuletzt am Vorgehen der chinesischen Behörden und "jungen Garde" deutlich, die während der Kulturevolution zigtausende Klöster in Rauch hat aufgehen lassen. Mir ist umgekehrtes von tibetischer Seite bislang nicht berichtet worden.

Und was die Adaptionsversuche ersoterischer Nazispinner ("Shangri-La") angeht: entgegen häufiger Unterstellung sollen Mißbrauchsopfer dennoch nicht immer am eigenen Schicksal Schuld tragen.

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Kulturrevolution, Brutalität und Unterdrückung und all das: Keine Frage. Auch liegt mir eine Sympathiekundgebung für das chinesische Regime wirklich fern. Aber Tibet wird noch immer in erster Linie von Tibetern bewohnt (über 90%). Der Ausländer- und Migrantenanteil der BRD ist deutlich höher anzusiedeln. Und die Demonstrationen/ Ausschreitungen der letzten Wochen galten auch und vor allem chinesischen und moslemischen Zivilisten. Für letzteres fehlt mir jegliches Verständnis. Freiheitskampf sieht anders aus.

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Sehe ich ähnlich.
Die gehen in Tibet ja nicht für eine parlamentarische Demokratie auf die Straße, die Menschenrechte, Gewaltenteilung und Religionsfreiheit auch für Andersgläubige garantiert. Sondern für eine ethnisch gesäuberte Theokratie. Ich wüßte nicht, warum ich - abgesehen von meiner Abneigung gegen kommunistische Zwangssysteme - mit der Sache der Tibeter groß sympathisieren müsste.

Wie ich an anderer Stelle dazu schon schrieb: Ich wünsche den Tibetern von ganzem Herzen, dass sie das rotchinesische Joch abschütteln können - aber nicht unbedingt um den Preis, dass sie sich stattdessen einem mittelalterlichen Feudalsystem und einem sogenannten Gottkönig unterwerfen.

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Wieso muss man eigentlich noch darüber diskutieren, dass Sportler keine Meinung haben sollten? Hätte man jemals von Lothar Matthäus gefordert, sich vor einem Spiel über die politische Lage in Argentinien zu äußern? Das offenbart einfach mal wieder, dass es bei Olympia eben nicht um Völkerverständigung geht, sondern vor allem darum, wer am Ende wo im Medaillenspiegel steht. Beim Fußball kommt mir das seltsamerweise anders vor. Aber man kann ja auch keinem Weitspringer zugute halten, es war ja schön anzusehen, wie er zu kurz gesprungen sei...
Zu Tibet selbst: Ich hab da keine Ahnung von. Es ist mir schlichtweg egal. Es gibt sicher wichtigere Themen und schlimmer unterdrückte Menschen, die von keinem Londoner oder meinetwegen Pariser irgendwelche Empörungsbekundungen erhalten. Das ist jedoch kein Aufruf zur Gleichgültigkeit sondern gegen solch unsinnge "Leuchtturmprojekte" der Empörung. Die sind nur Futter für jeden Zynismus.

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Ich bin mir allerdings sicher, dass Lothar Matthäus selbst die politische Lage in Argentinien wortreich erklärt hätte, wenn man ihn denn ein Mikro unter die Nase gehalten hätte :-)
In Sachen Tibet: Da haben wir uns hier halt ein Bild erschaffen, das vielleicht ein bißchen einseitig ist. Irgendwie sind die Tibeter das wilde Bergvolk, das allein deshalb schon friedfertig sein muss, weil es in einer der allerabgelegensten Region der Welt lebt und weil sie ohnehin allesamt Buddhisten sind. Nur ist die tibetische Gesellschaft alles andere als heterogen.

Sehr interessant übrigens die chinesischen Medien zur Thematik (klar, 99% Propaganda, logisch....aber rein inhaltlich begreift man, worum es den Chinesen eigentlich geht)

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Dass Buddhismus Friedfertigkeit bedeute, ist ja ein gängiges, jedoch auch schon lange widerlegtes Vorurteil. Auch dort gibt es fanatisten, die nicht nur bereit waren sich selbst zu verbrennen. Ja, was China eigentlich mit dem PR-Hollocaust Tibet bezweckt, würde ich auch gerne mal wissen. Tibeter prügeln ist etwa so medienwirksam wie Robbenbabys zu schlachten. Sollte man sich mal schlau lesen...

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Ist "einfach" die Situation. China ist eine absolute Diktatur und springt mit allen und jeden so um, die in irgendeiner Form aufbegehren. Die behandeln alle gleich schlecht. Hätten sie mit Uiguren genauso gemacht, wie auch mit Han-Chinesen (mit dem Unterschied, dass die Repression wider die Uiguren von der Weltgemeinschaft still geschluckt wird, weil die unter Terrorismusverdacht stehen).
Nun hat man in Tibet einen Teil, der sich vom Dalai Lama´schen Antigewaltmotto einfach nicht mehr beeindrucken lässt und "die Sache selbst in die Hand nimmt". Zum "richtigen" (und meiner Ansicht nach sehr wohl kalkulierten) Zeitpunkt.
Hinzu kommt, dass es von Seiten der Chinesen ein einziges Dogma gibt, das über allem steht und das jegliche Ideologie und überhaupt alles hintanstellt: Territoriale Integrität/ Nationale Einheit. Nachdem , nach chinesischer Sichtweise, die Jahre zwischen 1850 und 1950 eine einzige nationale Demütigung waren (inkl. des Kolonisiertwerdens, Bürgerkriegen, Spaltung und Warlordism), erleben sie jetzt sowas wie das Erwachen wie Phoenix aus der Asche. Bei allen Propagandaberichten in der China Daily und im englisch sprachigen Staatsfernsehen CCTV9 stand meist eines im Vordergrund: Dass Tibet integraler Bestandteil Chinas sei und auch immer gewesen sei und sämtliche Ansprüche vollauf legitim gewesen seien (inkl. vermeintlicher "Beweise" übrigens: Angeblicher Briefverkehr zwischen Churchill und Tschiang Kai-Schek undsoweiter).
Ich wollt wirklich wissen, was grade bei denen im Politbüro los ist, weil: Wenn die Chinesen grad eins nicht mögen, dann ist es miese Publicity (man will ein sauberes, geordnetes und funktionierendes China zeigen). Und nun hat man teilweise gewaltbereite Tibeter und weiß nicht ein noch aus. Die Chinesen handeln momentan nicht aus einer Position der Stärke sondern aus der Position der Hilflosigkeit.

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