Montag, 25. April 2011
Meine Familie und ihre polnischen Zwangsneurotiker
Zuerst einmal muss ich wohl erwähnen, dass es in meiner Familie mittlerweile alle möglichen Nationalitäten gibt, oder besser gab, mittlerweile sind alles Deutsche. Wie auch gesamtgesellschaftlich mischmascht sich das jetzt recht ordentlich und deshalb gibt es Schwager und Schwägerinnen und Onkel und Tanten, die aus Südamerika, Südosteuropa oder Berlin stammen.

Und aus Polen.

Wie soll ich beginnen? Vielleicht so: Nachdem ich die Restfamilie aus Polen kennengelernt hatte, konnte ich konstatieren, dass einige nachhaltig bemüht waren, wirklich jedes bestehende Klischee über Polen zu bedienen.

Leszek etwa wachte nach einer wilden Party irgendwann mal im Krankenhaus auf. Mit Schädelbruch. Bis heute weiß er nicht, ob es ein Unfall oder eine Gewalttat war. Wie Maciej (1,95, 140 Kilo) an sein Geld gekommen war, konnte und wollte er nicht sagen und ehrlich gesagt wollte man es auch nicht so genau wissen; er selbst nannte es immer nur "Import-Export". Und Zbigniew soff prinzipiell so lange, bis ihm irgendwann mal der Kopf runtersackte. Man ließ ihn dann kurz schlafen, weckte ihn dann irgendwann und Frau und die zwei Töchter trugen ihn dann zum Auto und er ist heimgefahren. Hatte ja sonst niemand einen Führerschein. Man ließ ihn nur deshalb fahren, weil eine Übernachtung vor Ort eine noch schlimmere Option gewesen wäre, weil er in diesem Fall nachts durch die Zimmer gezogen wäre auf der Suche nach Saufkumpanen und das sei wirklich nicht lustig, wie mir glaubhaft versichert wurde.

Insgesamt ist das mindestens sehr unterhaltsam, interessant ohnehin, aber spätestens beim polnischen Aberglauben hört der Spaß echt auf. Der beeinträchtigt das Leben wirklich enorm. Aberglaube ist dabei noch ein netter Euphemismus für eine definitiv vorhandene, gesamtgesellschaftliche, polnische Zwangsneurose. Sie wollen Beispiele? Gerne.

Es begann schon mal mit der Heiraterei. Eine Polin heiratet nie in einem Monat, der kein "r" im Namen enthält. Polnisch, als sehr vokalarme Sprache mit Endloskonsonantensalaten, hätte nun prächtige Chancen, einen geeigneten Monat zu finden, aber es sollte ein Monat sein, der sowohl im Deutschen als auch im Polnischen ein "r" enthält und da blieben dann halt nur März, September und Oktober.
Und dann die Unpünktlichkeit. Sie ist immer zu spät. Aus Prinzip. Weil der Wartende durch die Warterei demonstrieren soll, dass Sie gemocht wird, sonst würde man ja auch nicht warten.
Oder der Tick mit dem Hinsetzen: Wenn Sie was zuhause liegen lässt und man nochmal zurück muss, dann müssen alle zurück und sich alle nochmal hinsetzen, ehe dann das Handy eingesteckt wird und man erneut aufbrechen kann. Weshalb kann niemand erklären, aber es ist Pflicht.
Am wildesten dann aber der Handtaschentick: Die darf nie, wirklich überhaupt nie auf dem Boden stehen, weil sonst das Geld davonlaufen könnte und deshalb wird beim ratlosdreinblickenden Kellner im Restaurant schon mal ein Extrastuhl bestellt extra nur für die Handtasche.

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