Montag, 29. Oktober 2007
Herr Endele kauft ein Haus im Süden
Inmitten der blühendsten aller deutschen Landschaften lebt der Herr Endele mit seiner Frau. Herr Endele hat sich als Ingenieur in einem Zulieferbetrieb für einen großen deutschen Autokonzern, der nicht VW heißt, nach oben gearbeitet. Herr Endele und Gattin blieben kinderlos. Wahrscheinlich deshalb, weil es in Frau Endeles Kreisen unschick ist, schwanger Cabrio zu fahren. Herr Endele war das immer herzlich egal. Solange sich das Konto vermehrte, blieb die biologische Reproduktion Nebensache.
Jetzt ist Herr Endele so etwa gegen Ende 40, das Bankkonto rappelvoll und Herr Endele mitsamt Frau möchte etwas für die Lebensqualität im Alter tun.
Und weil der gesamte Geriatrieprozess sich in südlichen Gefilden wesentlich besser aushalten lässt, möchte sich Herr Endele auf Mallorca eine Finca kaufen. Wir haben Herrn Endele exklusiv bei seiner Suche begleitet.


Makler: Nun, Frau Endele, Herr Endele, wir hätten hier eine Traumvilla anzubieten. Schauen Sie sich´s an. 6 Schlafzimmer, jeweils mit en suite-Bad, großzügige Küche, 2 Esszimmer, 3 Balkone, 2 Terassen, Kaminzimmer, Wohnzimmer, Pool, Tennisplatz und Gästehaus. Alles zusammen 386 m². Dazu die Privatstraße, eigene Autobahnauffahrt und das Alarmsystem.


Herr Endele gehörte nicht zu den Schotten Deutschlands, wenn er nun nicht unmittelbar diese Frage stellen würde:


Und was koschd des?


Makler: 4,6 Millionen Euro.


Herr Endele ist geschockt. Das hatte er nicht erwartet. Nicht in Spanien. Diese Preise kannte er allenfalls von den Luxusvillen am Killesberg. Aber Herr Endele wäre auch nicht Herr Endele, wenn er sich seinen Unmut anmerken lassen würde. Erst recht nicht, wenn die Gattin mit dabei ist, die sich offensichtlich sofort in das Haus verliebt hat und am liebsten gleich einziehen würde.
Man schaut sich um:


Makler: Wir sind jetzt im Wohnbereich. Sie sehen die Terasse aus edlem Bangkirai-Holz, den Pool und den einmaligen, unverbaubaren Blick aufs Meer mit eigener Bootsanlegestelle.


Herr Endele hört noch "Zwölfmeteryacht" und "Parkett aus Jatoba-Holz", ist aber in Gedanken längst bei seinem armen Festgeldkonto, das er von Tante Gerdi mit 12 Jahren bei der Sparkasse Leinfelden-Echterdingen spendiert gekriegt hat und das er in den letzten 35 Jahren mühsam gefüllt hat. Nun ist es so weit, dass seine Claudi, seine große Liebe, ja, dass seine Claudi sein Konto leerräumen will für eine Bude in einem Land, das keine Terminpläne kennt und dessen Sprache er nicht mal ansatzweise spricht. Seine Claudi betrügt ihn quasi mit seiner anderen Geliebten.
Blitzschnell vergleicht Herr Endele die Zahlen:

Claudi: 86-62-92, dem Herrn Dr. Morescu aus Budapest sei Dank.

0012-345678: 5.345.625,47 €uro, eigenem Sparwillen und Tante Gerdis Erbe sei Dank.

Herr Endele schwitzt. Nicht der Schweiß Mallorcas, bedingt durch 37 viel zu heiße Grad sondern nackter Angstschweiß.


Makler: Wir sind jetzt in einem der Bäder. Whirlpool, Duschlandschaft mit Regenwaldfunktion, Bidet, italienische Fliesen und Carrara-Marmor.


Herrn Endeles Blick entgeht nichts. Wirklich nichts. Nicht umsonst ist er jahrzehntelang erfahrener Samstagvormittagheimwerker:


Schauetse mol: Die Fuge an dera Flies do....die isch et gut gmacht. Do muss man nochbessera.


Es ist die nackte Existenzangst, die Herrn Endele treibt. Er möchte nicht zurückfallen in das Vegetieren seiner Ururururahnen. Nicht noch einer, der nach Amerika muss. Und so bearbeitet er seine Claudi, nimmt sie am Händchen mit dem Ring, der ihn ein Monatsgehalt gekostet hat und streift durchs Haus.


Schönes Objekt, Claudi


Herr Endele nennt es absichtlich "Objekt". Würde er "Haus" sagen, wäre er emotional schon viel zu tief drinnen und seine Claudi dem Haus verfallen und sein Festgeldkonto mausetot. Also sagt er -während Claudi ihre Hundeaugen quer übers Mobiliar streifen lässt und sich die blondierte Dauerwelle grade auflöst-


Schönes Objekt, Claudi. Ein traumhafter Blick übers Meer, gell Claudi? Aber wozu brauchen wir 6 Schlafzimmer? Und denk doch nur mal an die Nachbesserungsarbeiten im Bad. Und die Privatstraße ist auch nicht geteert. Da kann ich nicht mal mit dem Anhänger drüberfahren.


Herr Endele weiß, dass Claudi zwar ums Verrecken eine Hütte im Süden haben möchte, aber er weiß auch, dass sich Claudis Sachverstand diesbezüglich in etwa auf dem Niveau eines Vorschulkinds bewegt und er weiß auch, dass Claudis Interessen eher in den Bereichen Kosmetik und Mode liegen und sie jetzt schon genervt ist, weil es viel zu lange dauert und die Dauerwelle zusammenfällt und sowieso der Lidstrich wieder nachgezogen gehört. Kurz: Claudi leidet und ist mittlerweile mehr mit sich als mit dem Objekt beschäftigt. Die Gelegenheit ist günstig. Er tritt auf den Makler zu:


Mir sollten da vielleicht noch mal über das Objekt reden. I mein, vielleicht könnte mir nochmal über den Preis schwätzen. Da müsst ma doch im Bad no ebbas machen lassa und die Zufahrtsstroß isch au net im guda Zuschdand. I moin, des isch halt a Gschäffd fürs Leba ond do sollt ma dann doch genau überlega, gell?


Makler: Der Verkäufer ist sich der Tatsache bewusst, dass der Verkaufspreis bereits im unteren Niveau liegt. Sie werden auf der ganzen Insel kein vergleichbares Haus zu diesem Preis finden.


Herr Endele weiß, dass er jetzt irgendwie aus der Situation kommen muss, ohne sein Gesicht zu verlieren:


Wissense, mir isch das einfach nicht gut genug verarbeitet für so ein deires Objekt. Da müsste man mal die Handwerker hier richtig ausbilden. Wenn sie diese Fuge sehen, isch das beinahe Pfusch am Bau. Und meine Frau möchte ja auch wieder halbtags arbeiten, vielleicht. Da müssen wir auch erschdmal was suchen. Und in so ein Objekt muss man sich ja auch verlieben, et wahr? Also meine Frau und ich, mir haben bisher noch nicht dieses I-wills-haben-Feeling, wissen Sie. Mir müssen da nochmal drüber schlafen.



....und wenn sie noch nicht gestorben sind, so suchen sie noch heute...

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