Sonntag, 17. Dezember 2006
Bruderkrieg
Lange prophezeit, lange befürchtet: Palästina versinkt noch vor seiner ordentlichen Gründung als Staatswesen im Chaos und Bürgerkrieg. Zugegebenermaßen nicht ganz Palästina, genaugenommen bisher "nur" der Gazastreifen.

Grade mal eineinhalb Jahre ist es her, dass die Israelis abgezogen sind. Die waren zwar keine noblen Herren, aber immerhin in der Lage, eine Situation wie sie heute herrscht, zu unterbinden.

Kaum ist der böse Dämon Israel abgezogen, geht man sich gegenseitig an den Hals. Im Kern geht es um Einfluß und die geschwundene Macht der Fatah, mit dem gleichzeitigen Aufstieg von Hamas Superstar.

Lange Zeit, vielleicht viel zu lange Zeit, hat der Westen Arafat hofiert, wie keinen anderen Staatsmann der Region. Man hat ihn und seine korrupte Camarilla gemästet und hochgepäppelt, bis er sich 12 (!) Geheimdienste, ein dickes Bankkonto und seiner Familie ein Luxusleben in Paris leisten konnte.
Das mag einerseits gut begründet gewesen sein, weil die politischen Alternativen zur Fatah schlichtweg quer durch die Bank radikaler sind. Es muss jedoch für einen Palästinenser auch recht doppelzüngig sein, wenn man den Wahlsiegern einer demokratischen Wahl die Mittel kappt.
Es ist bezeichnend, wie sehr man sich in Palästina auf eine Versorgungsmentalität eingerichtet hat und laut lamentiert, dass der Westen das zarte Pflänzchen Palästina dadurch unterminiert, indem er ihm die finanzielle Grundlage entzieht.
Fragen: Wo liegt das Arafat´sche Vermögen und wer verfügt darüber? Darf ein Investor seine Zahlungen abziehen, wenn ihm nicht mehr gefällt, an wen das Geld geht? Ich meine ja. Er ist moralisch dazu verpflichtet, wenn das Geld dafür verwendet wird, Raketen auf israelisches Terrain abzufeuern und wenn ohnehin bei der Bevölkerung nichts ankommt.

Eben nicht für jedes Leid und Elend ist der Westen oder Israel direkt verantwortbar zu machen. Die jahrzehntelang gehegte Opferrolle, die bereits mit dem Aufkommen der Selbstmordattentate tiefe Kratzer bekam, ist endgültig perdu.

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Seh ich auch so. Wobei das mit den finanziellen Unterstützungen natürlich ein recht heikles Thema ist.

Erstaunen tut mich aber auch immer wieder, wie sehr man im Westen daran glaubt, dass sobald der "Unterdrücker" weg ist und erstmal "freie", demokratische Wahlen in arabischen Krisenregionen durchgeführt werden, sich alles von selbst zum Guten wenden wird.

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Mich erstaunt immer wieder, das man im Westen meint man könne die westliche Demokratie in den Krisenregionen einführen oder sogar aufzwingen. Der Westen brauchte lange bis sich die heutigen Demokratien (und da gibt es unzählige verschiedene Formen) durchgesetzt haben. Wie sollen den in Ländern die noch nie eine ähnliche Struktur hatten, so schnell lernen was Demokratie heisst.

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@zampano: Ich glaube prinzipiell schon, dass auch eine "arabische Demokratie" denkbar wäre. Aber eben eine "arabische", die den dortigen Gegebenheiten gerecht wird. Bisher lässt man den Islam meist und das "Clanwesen" ganz aus und versucht die 1:1-Adaption.

@marsu: Ich meine, dass man von Arafat durchaus erwarten durfte, dass er nicht die Diktatur Nr. 22 in der arabischen Welt hochzieht...

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Ich bin mir bei Arafat nicht so sicher, was wirklich dahinter steckte. Am Ende war er nur noch ein Ball in einem verhärteten Spiel.....

Gehört jetzt nicht gerade zu Arafat, aber zu Situation in Palästina. Ein sehr gutes Buch:

Tom Segev, Es war einmal ein Palästina

Hier geht es um das Verhältnis zwischen den Juden und den Arabern vor der Staatsgründung Israels. Und es geht um den Nährboden für den heutigen Konflikt.

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Danke für den Tipp....werd ich mir mal anschauen...

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