Dienstag, 16. Januar 2007
Montagsdemo
Es gibt ja tatsächlich noch Montagsdemonstrationen. Ich bin mitten in eine reingelaufen. So eine richtige. Eine, die ordentlich gegen Hartz IV wettert. Zumindest versuchen sie es.
Ich war ziemlich verwundert. Zum einen, weil ich dachte, das sei längst Geschichte, zum anderen, weil man hier im Tal der Glückseligen und der Heimat des PietCong weniger mit sowas rechnet.

Vermutlich haben sie bereits Daueranträge auf Demonstrationen laufen. Alles sieht sehr nach Routine aus, was angesichts des etwa 257. Auftritts auch zu erwarten war. Etwa 25 Leute haben sich im weiten Halbkreis um den Redner geschart. Das Plakat "Hartz IV muss weg" lehnt schon lässig neben der Gruppe am Marktbrunnen. Vermutlich kennt man den Spruch mittlerweile auswendig.
Als erstes tritt Frank auf. Frank ist wohl sowas wie der Spiritus Rector und der Organisator des Ganzen. Seine Stimme hallt dank der 1000-Watt-Boxen mit mindestens 120 Dezibel die ganze Fußgängerzone hoch:
Liebe Freunde,

wir sind hier wieder wie jeden Montag zusammengekommen. Wie immer treffen wir uns nachher in der Germania zum Stammtisch. Wer etwas einbringen möchte, darf das gern tun. Und wenn einer was sagen will, darf er das auch gern machen.
Ich bin ganz hingerissen über soviel Basisdemokratie. Einbringen möchte niemand etwas. Der Trupp steht rauchend und einigermaßen frierend stumm vor Frank. Dann nimmt sich aber doch jemand ein Herz:
Hallo, mein Name ist Michael und ich möchte was sagen.
Die Runde starrt Michael an. Bereits als er den ersten Satz gesagt hat, habe ich tiefes Mitleid mit Michael. Es war wirklich ein ganz fataler Fehler, den er da gemacht hat, weil es vermutlich Michaels allererster öffentlicher Auftritt ist, nachdem er höchstens mal in den 60ern in der Schule ein Gedicht aufsagen musste. Und dann auch noch mit Mikro, mitten auf dem Marktplatz und vor Publikum. Er fährt fort:
Ich möchte etwas zu diesem Aufschwung sagen.
Mir graut. Meine Nackenhaare sträuben sich. Es wird schlimm werden für den armen Michael.
Also, ich bin dagegen, dass man das Aufschwung besagt.
Er sagte das tatsächlich so und nun sitzt er ohnehin in der Patsche und da kann ihm keiner mehr raushelfen. Spätestens jetzt hätte ihm Frank eigentlich das Mikro abnehmen müssen.
Also, dieser äh, Aufschwung, also das ist äh, kein Aufschwung sondern das sagt man halt nur so. Äh, ich meine, das ist doch kein Aufschwung für die Arbeitslosigkeit.
Aus der Nummer kommt er nimmer raus. Gottseidank ist das Publikum wirklich gnädig, schiebt die Mützen in die Stirn, zieht nochmals an ihren Zigaretten und steht schweigend vor Michael. Der läuft jetzt zur Hochform auf und erklärt gleich mal die Welt.
Der Aufschwung ist ja für die Unternehmen ein Aufschwung. Für uns ist das ja kein Aufschwung. Davon hat doch keiner was, wenn da nur die Unternehmen was von haben und deshalb ist bin ich dagegen, dass man Aufschwung sagt.
Punkt. Jetzt wars endgültig raus. Michaels blonder, wallender Bart erinnert mich sofort an die Waschen-legen-rasieren-Kampagne von Kurt Beck. Die Menschen drumrum sind bunt gemischt. Es ist ein vergessener Haufen, der da rumsteht.
Aber ich muss weiter. Bücher kaufen.

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Freitag, 29. Dezember 2006
Kalt

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Jahresrückblick a la Gorillaschnitzel
Ich hatte mir ja lang überlegt, ob ich einen persönlichen Jahresrückblick schreiben soll....
...darüber zum Beispiel, dass ich Tom Cruise für die größte Flachbürste des Jahres halte, weil er seinerzeit die Plazenta seines neugeborenen Kindes essen wollte. (Und Tom? Ordentlich gekotzt?)
....oder darüber, dass einer wie Günter Beckstein immer noch Innenminister (in Bayern) sein darf...
...oder über das großartigste Ereignis, das diese Republik je gesehen hat: Die Fußball-WM als größte Party dieses Planten seit dem Urknall.

Aber dann hab ich mir gedacht: Nein, diese Jahresrückblicke kann jeder und außerdem nerven sie enorm, weil sie immer in diesem Pathos ersaufen. Drum mach ich ganz was anderes und verfass´ jetzt einen Text der nix mit Rückblick zu tun hat. Darum:

How to nerv a normal Behörde


Erstens: Schreiben, schreiben, schreiben! Und dabei immer ansatzweise freundlich bleiben. Die Rotzigkeit hebt man sich für die Privatwirtschaft -vorzugsweise Kommunikationsunternehmen- auf. Aber bleiben Sie trotzdem penetrant.
Die Jungs und Mädels bei Behörden sind gehalten das zu beantworten und weil denen ohnehin meistens recht langweilig ist, tun die das mit Freude. Vor allem dann, wenn man sie mit Formulierungen bekanntmacht, die sie zuvor nie gelesen haben:
....könnte ich mir durchaus vorstellen, dass sich die örtliche Presse für diese Causa interessieren könnte.

....habe ich eine Kopie dieses Schreibens an die übergeordnete Behörde weitergeleitet.

...bin ich über Ihr Gebahren so verwundert, dass ich in Betracht ziehe, den Vorgang im Gesamten zu publizieren

....bin ich doch sehr erstaunt, wie in Ihrer Behörde mit datenschutzrechtlichen Vorschriften umgegangen wird, sodass ich mich gezwungen sehen könnte, dies an eine entsprechende Stelle weiterzuleiten

Die Leute dort lesen gern. Sie werden praktisch dafür bezahlt. Also versorgen Sie die Menschen dort mit dem Notwendigen.


Stellen Sie die Menschen vor ganz neue Herausforderungen: Fragen Sie Sachen, die nicht umgehend beantwortet werden können und hauen Sie den Leuten Paragraphen ums Ohr. Das wollen die hören...


Setzen Sie sich doch zur Abwechslung mal penetrant in ein Büro und schaun´se mal, wer länger Zeit hat. Die Menschen freuen sich über Besuch.
Es lohnt in jedem Fall, 2 bis 3 schlecht erzogene Kinder mitzubringen (die gibts in jeder Kita stundenweise abzuholen; die Erzieherinnen werden es Ihnen danken) und Käsebrote auszupacken. Sie ahnen gar nicht, wie schnell auf einmal etwas bearbeitet werden kann. Um Fünfzehndreißig ist Dienstschluss und das Ding fertig.

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Donnerstag, 28. Dezember 2006
Rosa Riese
Im erweiterten Speckgürtel Berlins befindet sich mitten in Brandenburg eine wunderschöne Landschaft. Vor 15 Jahren verbreitete Wolfgang Schmidt dort Angst und Schrecken. Er durchzog die schöne märkische Landschaft und hinterließ tote Frauen. Bekannter wurde er unter seinem Spitznamen: Rosa Riese.
Wegen seiner Vorliebe für Unterwäsche aller Art (die er nicht zuletzt seinen Opfern auszog).
Während der Wendejahre zog er so mordend und vergewaltigend durch die Lande, bar jeglichen Respekts für seine Mitmenschen und die Furcht war groß. Ständig und überall konnte er zuschlagen. Er war so berühmt, dass ihm Heiner Müller gar eine Passage in seinem Werk Germania3: Gespenster am toten Mann einräumte.

Die Moral vonner Jeschicht`: Etwaige Parallelen zu deutschen Konzernen sind rein zufällig.

PS: Der Mann sitzt mittlerweile im Gefängnis.

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Donnerstag, 28. Dezember 2006
Fesselsex
Es gibt diese Geschichtchen, die so unglaublich sind, dass sie einfach wahr sein müssen. Die folgende Geschichte ist wahr. Und sie beweist: Die Realität ist noch immer die allerbeste Soap.

Man stelle sich einen stadtbekannten Anwalt vor. Solide, gesetzt. Die Fassade zumindest. Eines Tages im Mai kommt die Schwiegermutter des Mannes in die Kanzlei. Die beiden sind gut miteinander bekannt. Kein Wunder, werden Sie nun einwenden, sind ja schon richtig lange miteinander verschwiegert. Die beiden sind sich aber noch viel bekannter, als sich Schwiegermutter und Schwiegersohn eigentlich sein sollten, Sie verstehen? So richtig bekannt. Bis ins intimste. Er hatte sein geliebtes Schwiegermütterchen bereits für gemeinsame Besuche im Swingerclub bezahlt. Dieses Mal bezahlt die Schwiegermutter ihn: 50 €uro für ein bißchen Fesselspielchen im Büro. Schwiegersohnemann möchte ein braver Schwiegersohnemann sein und willigt ein.
Bis hierher ists zwar echt schräg, was aber dann kommt, übertrifft wirklich alles. Bis hierher wäre alles noch einigermaßen steuerbar. Einigermaßen zumindest. Ab jetzt bemühen Sie bitte Ihr bildliches Vorstellungsvermögen:
Er wird also an den anwaltlichen Bürostuhl gefesselt. Das gefällt ihm wohl noch einigermaßen. Dann aber driftet die Schwiegermutter ab und möchte etwas mehr als nur ein bißchen Bondage. Jetzt beginnt sie ihn mit dem Telefonkabel zu drosseln. Das findet er nicht mehr lustig und wehrt sich. Daraufhin kommt es zum Streit, bei dem er -gefesselterweise- der Unterlegene ist. Die Situation entgleist und eskaliert. Als Höhepunkt schlägt sie ihm eine Lampe über den Schädel. Es hat ein Ende, als der Sohn des Anwalts das Büro mitsamt delikater Situation entert und die Polizei ruft. Die wiederum findet den halbnackten, verletzten und gefesselten Anwalt, dessen Schwiegermutter mit runtergelassener Hose und den Sohn/ Enkel vor.
Omma faselt etwas von Raubüberfall, Papa Anwalt redet von versuchtem Totschlag an ihm und stilisiert sich als Opfer.
Weil das alles aber immer noch nicht reicht, geht das alles dann vor Gericht in die nächste Runde: Die gehörnte Ehefrau des Anwalts -man denkt ja, die müsste nun gänzlich entsetzt über sämtliche Familienbande sein- lügt vor Gericht ihrem Göttergatten zuliebe, der Sohn ebenso und nicht mal der gelernte Jurist hält es für nötig, sich an die Wahrheit zu halten. Anderen wäre die Geschichte vermutlich ziemlich peinlich, nicht aber dem Anwalt: Der steigt sogar noch als Nebenkläger ein. Er jammert darüber, dass seine Intimsphäre mit allen Peitschen- und Fesselspielen vor Gericht ausgebreitet worden sei und das, wo er seit 30 Jahren ein untadeliges Leben geführt habe.

Das vorläufige Ende vom Lied: 3einhalb Jahre für die Schwiegermutter wegen schwerer Körperverletzung und die Ansage des Opfers, in Berufung gehen zu wollen.

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Dienstag, 26. Dezember 2006
AnarchoShnitzel

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Montag, 25. Dezember 2006
Burning...

Dieses Jahr haben wir den Weihnachtsmann abgefackelt: Burn, Baby, Burn. Irgendwann war er völlig kopflos....


Und weil überhaupt kein Schnee fallen will, haben wir ein wundervolles Video aufgetan.


Viel Vergnügen (lohnt wirklich....ich fands richtig lustig...):

http://www.thecompassgroup.biz/merryxmas.swf

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Schöne Weihnachten...
...euch allen da draußen...

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Donnerstag, 14. Dezember 2006
Matruschkas am Imbissstand
Hunger treibt mich an einen Imbiß. Dort nimmt grade eben eine auf den allerersten Blick dümmlich aussehende Minderbemittelte ihr halbes Hähnchen entgegen. Sie schaut aus, als sei sie soeben mit Klamotten aus dem Altkleidersack versorgt worden. Das Hähnchen sieht mindestens so erbärmlich aus wie die Esserin und passt rein farblich bestens zu diesem saudummen Rotton der Haarfarbe der Hähnchenliebhaberin.
Sofort komme ich mir vor, wie im allertiefsten Sachsen-Anhalt: Der Imbißmensch sächselt, aber ziemlich kultiviert. Fräulein Hähnchen jedoch erzählt unterirdischen Schwachsinn. Ohne Punkt und Komma:
"Pommes Frittes will er, ditt kenn icke".
Sie spricht das nicht französisch aus, sondern deutsch. Und ehe ich noch blöd schauen kann oder etwas erwidern kann, gehts schon weiter.

"Zwee Jahre hab ick Französisch jehabt. Da konnt ick einer dann erklären, was Pommes Frittes sin. Die wusste ditt nich, da hab icke jesagt, das hat mit Erde zu tun, hehe."


Sie lacht über ihren eigenen Witz, der gar keiner war und zieht die Haut vom Hähnchen.
Hör ma uff mit Französisch. Aba schlimma is echt noch Russisch. 5 Jahre musst ick dett lernen, war ja Pflicht damals inner DDR
Der Imbißmensch, der seltsamerweise ein Namensschild trägt, ignoriert die Frau. Vermutlich ist sie Stammkundin oder er solches Geschwätz gewöhnt. Er heißt Herr Loeffler, hat einen lustigen Kaiser-Wilhelm-Bart und bleibt sehr gelassen.
Sspassiba, ras, twa, dri, dosswidanja und ditt alles. Ick hatte mal jehört, wie ne Russin sprach und da bin icke zu ihr und hab ihr jesagt, dat ich ditt vastehen tu und Mann, war die vablüfft, wa?
Sie stopft sich die labberige Haut in den Mund, ein Eckzahn steht schief, sie kaut, schmatzt und spricht weiter:
Ick sach dir: Diese Matruschkas sind unmöglich
Zum ersten Mal sieht sie mich an und ich merke erst jetzt, dass sie überhaupt nicht mit mir redet sondern mit dem gesamten Publikum, das noch dabeisteht. Ich bin nur der unglückliche Depp, der in der Schlange ganz vorne steht.
Weeßte, wir sagen Matruschkas zu den Russinnen, weil die doch imma so jesoffen haben. Wie Männer. Ick meen: Tun die ja heut noch, wa? Deshalb nennen wir sie Matruschkas drüben im Osten.
Ich bin beeindruckt, wie sie es schafft, mal gleich 15 Millionen Menschen mit ins Boot zu nehmen, aber es geht schon weiter:
Weeßte, in Schönebeck lernste die Matruschkas kennen. Ich kann dir sagen, ditt sinn welche, wa? Ich sach imma: Hol dir ne Russin ins Haus und du wirst arm. Ehrlich. Matruschkas, ne?
Gottseidank sind meine Pommes gleich fertig. Herr Loeffler salzt grade noch. Die DDR-Exilantin reißt einen jämmerlich verkrüppelten Fuß aus dem toten Huhn.
Meen Ex konnte da ein Lied von singen, weeßte. 27jährige Litauerin. Ick sag dir: Da is nix mäa beim alten. Nix. Zwee Wochen im Krankenhaus, dann is die Litauerin ab und hat alles mit. Der hatte nich mal mäa nen Schlüpfer. Ich sag ja: So sin die Matruschkas.
Ich verzieh leicht die Mundwinkel, die Pommes kommen endlich und die Rothaarige legt nochmal los. Jetzt redet sie mit allen und merkt nicht mal, wie ich mich davonmache und schon gar nimmer zuhör...

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Mittwoch, 13. Dezember 2006
Katholizismus
Würde ich gläubig werden wollen, es müsste schon der Katholizismus sein. Nicht dieser verweichlichte, verspülte Protestantismus. Das Original soll es sein.

In so einer katholischen Messe ist alles besser als bei der Protestantenkonkurrenz: Während man bei den letzteren einschläfernde Frontalansprachen kriegt, die gelegentlich durch dieses Ökumenenkrampfliedchen "Danke, für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag" (<- und dieses Liedchen ist mal wirklich für Haftcremenutzerinnen) unterbrochen werden, ist die Katholenmesse der pure Event. Nie weiß man, was man als nächstes tun muss (zumindest nicht als Laie): Aufstehen, bekreuzigen, Amen sagen, singen, hinsitzen, aufstehen, Eucharistie, beten, bekreuzigen, Halleluja, singen, hinknien, Vaterunser....
Das ist pure Action. Da schlummert keiner weg.

Eines aber hat mich bei meinen wenigen Besuchen ja wirklich enttäuscht: Lieber Ratze, ich war ja immer der Meinung, dass Katholizismus so etwas wie die klerikale Highendlösung in Sachen Musik ist. Für mich war das Kyrie eleison, Messen, Requien, Passionen, Bachs Toccata dahingedonnert auf einer 300 Jahre alten Monumentalorgel.
Leider aber stand bei meinen Besuchen eine Jugendcombo mit E-Gitarre, Keyboard und Congas da und hat "How many roads must a man walk down" und "We shall overcome" gespielt. Bitte Ratze! Diese Ketzerei geht bei den protestantischen Häretikern, aber doch nicht in der einzig wahren Kirche Christi, oder?

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