Freitag, 1. Dezember 2006
Terror und Armut
Einige Legenden sind nicht auszurotten. Zum Beispiel, dass Terrorismus in quasi direktem Zusammenhang zu Armut stehe. So sei die Armutsbekämpfung praktisch gleichzeitig eine Art Terror- und Gewaltprävention und wenn man schon einen Krieg gegen den Terror führen wolle, müsse man erstmal einen gegen die Armut in der Welt führen. Der Gedanke ist wunderschön. Aber leider falsch. Es mag erstrebenswert und schön sein, die Entwicklungshilfepolitik zu intensivieren, nur darf man sich davon nicht versprechen, dass damit die Anzahl von Terroranschlägen signifikant -oder auch nur marginal- zurückgehen würde.

Da hat die Bertelsmannstiftung gleich eine ganze Studie bemüht, die nachweisen möchte, dass die Hauptursache für Terrorismus nicht im religiösen Fundamentalismus liege (wo ich noch zustimmen würde) sondern Armut das Grundübel schlechthin sei.
Damit macht die Bertelsmannstiftung Terroristen indirekt -und vermutlich unbeabsichtigt- zu einer Art verirrte Kämpfer einer an sich guten Sache.
Ich weigere mich aber, in Bombenlegern und Strauchdieben eine Sozialbewegung zu sehen und habe ein paar Punkte:

- (Über)Lebensnotwendigkeiten werden erbettelt, vielleicht gestohlen oder eventuell erpresst. Sie werden nie herbeigebombt. Wer bombt, entführt, schlachtet, hinrichtet und terrorisiert möchte in erster Linie kein Brot, sondern Angst und Schrecken verbreiten. Es geht ausschließlich um Macht und Einfluss, nicht um die Verbesserung der Lebensumstände. Andreas Baader war nie ein Robin Hood der Neuzeit.

- Der überwältigende Teil der Terroristen entstammt der jeweiligen Mittelschicht eines Landes. Es sind Leute, die sich mehr versprochen haben. Oft gut ausgebildete Schichten und teilweise Eliten. Gudrun Ensslin, Leila Khaled, Shoko Asahara und Ziad Jarrah eint, dass sie allesamt aus wirtschaftlich geordneten Verhältnissen kommen. Terrorismus mag manchmal billig sein, es gibt ihn dennoch nicht umsonst. Jemand, der täglich damit beschäftigt ist, eine vielköpfige Familie satt zu kriegen, kann es sich schlicht nicht leisten, nebenbei auch noch Bomben zu schmeißen oder Flugzeuge zu entführen.

- Wäre Armut die zentrale Ursache von Terrorismus, müssten die folgenden Länder wahre Brutstätten des Terrors sein:
Gambia, Madagaskar, Niger, Nepal, Ruanda, Guinea-Bissau, Afghanistan, Sierra Leone, Malawi, Myanmar
Dies sind -gem. BIP/Kopf- die ärmsten Länder der Erde*. Mit Ausnahme von Afghanistan und Nepal jedoch keine "Terrorländer".
Wer nun vermutet, das habe denn doch vielleicht indirekt auch mit der Religion oder der absoluten Bevölkerungsanzahl zu tun: Falsch. Bangla Desh ist eines der ärmsten und bevölkerungsreichsten Länder dieser Erde mit potentiell vielen islamistischen Terroristen. Es bringt dennoch (im Gegensatz zum zigmal bevölkerungsärmeren aber zigmal wirtschaftlich reicheren Saudi-Arabien) keine hervor.

- Die Studie will aufzeigen, dass es deutlich mehr Terroranschläge gebe, als in der Vergangenheit. Das mag sein. Dumm nur, dass die Zahl der extrem Armen zwischen 1981 und 2002 weltweit abgenommen hat. Und das dramatisch: Von 40% auf 19%. Übrigens trotz gewaltigem Bevlkerungswachstum.
Auch erklärt die Studie nicht, weshalb die Anschläge mehrheitlich von nationalistischen und separatistischen Gruppen wie den Tamil Tigers oder (früher) der ETA ausgeführt werden, wenn doch alles am Armutsfaktor hängt.



Darum: Bald ist Weihnachten und so spenden Sie, was Sie entbehren können. Es gibt genug Menschen, die es brauchen. Aber bitte glauben Sie nicht an die Mär, dass hiervon die Anschlagsgefahr sinken würde.

Kofi Annan hat einmal gesagt, dass die Armen dieser Erde bereits genug unter ihrer Situation litten, als dass man die auch noch zu potentiellen und tatsächlichen Terroristen stempeln müsse. In diesem Fall hat der Mann Recht.


PS: Die Studie selbst reduziert die Ursachen nicht einzig auf den Faktor Armut (suggeriert aber, dass dies die Hauptursache sei). Aber wo selbst die stiftungseigene Homepage kaum zur Differenzierung fähig ist, sehe ich auch wenig Notwendigkeit, weshalb ausgerechnet ich nun eine Studie ins rechte Licht rücken soll, deren tendenzielle Grundaussage ich für falsche halte.
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*Das "Terrorland" Somalia dürfte auch dazugehören, hier liegen aber aufgrund des Zusammenbruchs staatlicher Strukturen keine Zahlen vor.

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