Dienstag, 20. Januar 2009
Wir denken uns die Nazis weg: Eine bayrische Methode.


Diese Headline stammt vom Titelblatt der KPD-Zeitung "Der Kämpfer" und zwar die Ausgabe von 30. Januar 1933, dem Tag, an dem Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde. Für die allermeisten Kommunisten im Deutschen Reich war das wohl ein eher symbolisch gemeinter Aufruf, wenigstens war weit und breit kein KPDler willens oder in der Lage, den Aufruf auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.
Bis auf einige wenige ebenso mutige wie entschlossene Genossen in einem kleinen Kaff.


Entnommen dem -wie ich finde hervoragenden- "Zeitungszeugen"-Projekt, das nun aber, geht es nach dem bayrischen Finanzministerium, wenn nicht eingestellt, so doch eines Teils seines Inhalts beraubt werden soll. Gut, es mag kein Zufall sein, dass das bayrische Finanzministerium -und damit die Rechte an dem Nazischreibgeschwurbel- seit Jahrzehnten ausgerechnet von derselben Partei besetzt ist, deren Ikone ein glühender Anhänger des Apartheidregimes war und mit dortigen Nazis auf "Du und Du" war. Die gleiche Partei, die -vom Bayernkurier abgesehen- schon immer ein Problem mit der Presse hatte, zumindest mit der freien und unabhängigen, hält auch nach desaströsen Wahlergebnissen die Leute für zu doof und deshalb darf das Volk auf überhaupt keinen Fall eine kommentierte Version des "Völkischen Beobachters" in die Hände kriegen.
Und wenn wir alle nun die Augen zumachen, uns die Ohren zu halten und uns dann ins Bett verkriechen, dann, ja dann, sind -wenn man dieser Logik konsequent bis zum Ende folgt- alle Nazis weg. So einfach ist das in Bayern.

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Ich habe da ja auch was gefunden am Wochenende und zwar ist das eine original amtliche Zeitung der NSDAP aus dem Jahre 1941...nun überlege ich ob man sowas im Blog als Foto reinstellen darf...Da sind ja Hakenkreuze drauf und so...aber die Zeitungsartikel sind wirklich interessant...

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Ich hab hier schon Hakenkreuze eingestellt (Bilder runterscrollen....5. Bild von oben oder auch 5. von unten) und werde nun vielleicht von Wolferl Schäubles Fußvolk beobachtet

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Im Großen und ganzen haben sie Recht, Herr Schnitzel. Heute legt man viel mehr Wert auf produktives Vergessen (dessen Nutzen ist ja auch durch die Kognitivwissenschaften belegt). Das ist eben auch billiger.
Dennoch muss ich sagen, dass derlei "Zeitzeugen"-Projekte mit Vorsicht zu genießen und gerade in der Geschichtswissenschaft sehr umstritten sind (Guido Knopp lässt grüßen). Es reicht eben nicht aus, alte Menschen aus ihrem Gedächtnis erzählen zu lassen, ein paar Fotoschnipsel darunter zu legen und dann plötzlich zu bemerken: "Es war ja damals doch nicht alles so schlimm. Eigentlich waren die meisten Leute ja gegen die Nazis". Waren sie eben nicht, aber gerade die wenigen, die es waren, erinnern sich natürlich gerne und öffentlich daran. Und gerade die bleiben einem viel lieber im Gedächtnis. Neue Helden braucht das Land.

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Och, da sind wir recht dicht beinander...Zeitzeugen an sich nur allein stehend für sich reden lassen, mag vielleicht interessant sein, immer aber auch subjektiv und allein von daher nur bedingt tauglich. Aber ich finde es eine gute Ergänzung. Ich glaube aber nicht, dass diese Zeitzeugenprojekte zwangsläufig in eine verharmlosende Richtung führen (teilweise gar eher ins Gegenteil....: Wenn man die Interviews mit Traudl Junge hört oder Rochus Misch oder auch dem Grafen von Einsiedel....die waren alle dabei, keiner hat aufgemuckt, eher Bürger XY....). Eine vielleicht sehr unangenehme Wahrheit hat Sebastian Haffner einmal niedergeschrieben (ich weiß leider nicht mehr, in welchem Buch): Wäre Hitler 1938 einem Attentat zum Opfer gefallen, an einem Herzinfarkt gestorben, mit einem Kübelwagen an den Baum gedonnert, einfach so von uns geschieden....er hätte verdammt gute Chancen gehabt, als sehr erfolgreicher Staatsmann in die Geschichte einzugehen (und vermutlich hätte man ihm seine Schandtaten bis dahin wohl selbst im Ausland verziehen). Hannah Arendt hatte Recht: Faschismus ist banal.

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Das Böse ist banal, ja und das mit dem hätte, wäre, könnte ist so eine Sache. Hätte er den Krieg gewonnen, dann wäre er auch hierzulande wohl immer noch hoch angesehen - ein paar Genozide hin oder her. Exemplarisch dafür ist der nun wieder viel herum schwirrende Stauffenberg. Der war auch erst gegen Adi, als das im Osten doch schon recht düster schien. Nach dem Westfeldzug hatte er ihn und seinen Genius verehrt. Und warum ist sein Putsch gescheitert? Nicht zuletzt deshalb, weil der Rückhalt in der Bevölkerung noch immer so groß war - für die Nazis, trotz absehbarer Niederlage. Man wechselt hier zu Lande wohl nicht gerne mitten im Rennen das Pferd. Das sollte man sich besser mal bei den Italienern abgucken.
Also: Besser genau hingucken. Zum Thema Zeitzeugen gibt’s ein wunderbares Buch eines amerikanischen Soldaten mit deutschen Sprachkenntnissen, der während und nach dem Krieg durch die befreiten Gebiete reiste und Interviews mit den Anwohnern (vor allem in Deutschland) führte. Da bekommt man ein wunderbares Bild von der ganzen "Ich hab mir nichts dabei gedacht, als das ganze Dorf das Herrenhaus der Familie Goldzweig geplündert hat, schließlich waren die unbekannt verzogen. Nazi? Ich? Niemals! Ich musste in die Partei schon 36 eintreten!"
Leider ist auch mir der Titel entfallen.

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"Nicht zuletzt deshalb, weil der Rückhalt in der Bevölkerung noch immer so groß war - für die Nazis, trotz absehbarer Niederlage. Man wechselt hier zu Lande wohl nicht gerne mitten im Rennen das Pferd. Das sollte man sich besser mal bei den Italienern abgucken."
Und? Schon einmal in einer derart rücksichtslosen und brutalen Diktatur gelebt??? Rückhalt oder Furcht? Nicht alle sind so mutig wie beispielsweise die Geschwister Scholl... und das mit Italien, nicht ihr Ernst, oder???
Es läuft nicht? Gut, dann eben wieder den Verbrecher an die Macht... neeenee, lass mal, Koch in Hessen belegt übrigens, dass das auch in D möglich ist!

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D´accord,
ich gehe damit konform, dass es viel zu wenige waren, die gegen die Nazis den Hintern hochgekriegt haben, möchte aber vielleicht auch zu bedenken geben, dass nicht jeder zum Revolutionär geboren ist. Die Nazis haben schon reichlich früh ziemlich viele Leute -ohne größeren Anlass- in "Schutzhaft" genommen. Die wenigsten 1933 verhafteten haben hinterher noch groß den Mund aufgemacht, übrigens nicht mal mehr nach dem Krieg. Zudem ist mit Familienvätern und Hausbesitzern nicht so einfach eine Revolution zu machen als mit "angry young man" (die aber reichlich effektiv in Stalingrad entsorgt wurden).
Was Italien angeht: Verglichen mit den Nazis war der Umgang des faschistischen Italien mit Oppositionellen geradezu "harmlos". Die italienischen Faschisten haben zudem im Gegensatz zu den Nazis auch nie alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erreicht, geschweige denn besetzen können. Ob das nun eine Mentalitätsfrage ist, sei einmal dahingestellt....

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Ich glaube mein Italienvergleich ist etwas fehlgedeutet worden, niemals würde ich doch einen so verkommenen und machtgierigen "Menschen" wie Berlusconi oder, ich möchte den K-Namen gar nicht aussprechen, da das Unglück bringt, als Vorbilder vorschlagen. Ich dachte eher an Mussolini. Der ist in den Krieg eingetreten, als Frankreichs Niederlage gerade absehbar wurde. Und als die Italiener sahen, dass ihre Armee nicht eine einzige Offensive gewann, die Deutschen in Russland den Rückwärtsgang einlegten und der Brite bereits an die Haustür klopfte, haben sie den Duce mal eben abgesägt. Bei uns dagegen hat niemand ans Sägen gedacht.
Zum zweiten Punkt. Ich wusste gar nicht, dass es nur aktive Teilnahme und aktiven Widerstand gibt. Ich dachte, wenn man eine Tat moralisch ablehnt, kann man immernoch versuchen ihr soweit wie möglich fern zu bleiben. Das konnten aber weite Teile der deutschen Bevölkerung vor wie nach 45 eben nicht von sich behaupten. Im besagten Buch kommt es vielmehr zum Ausdruck, wie schnell gerade Anhänger des Nationalsozialismus nach Kriegsende bei der amerikanischen Militärverwaltung bimmelten und aufgrund ihrer "Erfahrungen" und "Führungsqualitäten" gerne ein nettes Pöstchen bei der Zivilverwaltung wollten. Die Anzahl derer kann man sich sehr schnell vor Augen führen, wenn man mal nachschaut, wieviele Ex-Nazis trotz Entnazifizierung und generellem Misstrauen gegen NSDAP-Mitglieder nach dem Krieg eben genau solche Stellen bekamen. Es war eben sonst kaum jemand da. Und das nicht weil alle, die nicht in der Partei waren, eingesperrt worden wären. So radikal waren selbst die Nazis nicht (laut eigenen Angaben lediglich 7,5 Millionen Mitglieder).
Ich weiß, jemanden zu verurteilen, weil er sich als Opportunist verhält und sich innerhalb bestehender sozialer Machtverhältnisse auf Kosten anderer bereichert, das ist heute irgendwie unmodern geworden. Wenn man damit erst anfängt, kommt man ja auch nicht mehr weit...

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Ja, jetzt wirds etwas deutlicher...ich glaube aber dennoch, dass es damals in Italien leichter war, einen Umsturz einzuleiten, als im Nazireich.....dennoch lebte das Regime natürlich auch von den vielen willigen Karrieristen, die nicht mal überzeugte Nazis gewesen sind; Bürohengste, denen es um das simple Fortkommen in der Karriere ging und wenn überhaupt eher sekundär um irgendeine Ideologie. Eben "ganz normale" Nachbarn von nebenan. Und das eben mag u.a. der Mentalität geschuldet sein (Hoheitsglaube, Hierarchien, Autoritäten, Obrigkeitsgedanke). Diese Leute hätten überall mitgemacht, auch bei den Stalinisten. Selbst über Goebbels ging der Spott um, er sei bereits der roten Fahne hinterhermarschiert, als die noch gar kein Hakenkreuz gehabt habe.

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So kann man auch das Gute sehen. Hierzulande hat man den Karren halt soweit in den Dreck gefahren, dass es hinterher rein gar nichts mehr zu beschönigen gab. Anders als in Österreich oder Italien. Obwohl etwa in Österreich der Antisemitismus noch in den 20er Jahren wesentlich weiter ausgeprägt war als in Deutschland (interessant, wie sich das wohl heute verhält) und der Faschismus seinen parteipolitischen Ursprung in Italien hatte, so geht man doch in jenen Ländern weit milder mit diesen Gesinnungen um. Das ist einer der wenigen guten Dinge, die sich das aktuelle Deutschland auf die Fahnen schreiben kann - Geschichtsbewusstsein. Aber genau das wird ja heute immer stärker verpönt (nicht nur in Bayern) und man pocht darauf, auch mal wieder "ungezwungen" mit der eigenen Geschichte umgehen zu können. Schuld für damals? Das ist nunmal vergangen, das sollte man schleunigst vergessen. Dieselben Worte, die Funktionsträger des Regimes nach 45 vorgebracht haben: Man müsse nach vorne sehen und sollte besser Gras über die Sache wachsen lassen. Man ist halt nur ein Rädchen, egal in welchem System. Da hat man sich offenbar nichts vorzuwerfen. Auch der Lokführer auf der Strecke Auschwitz war ja eben nur ein Lokführer. Dazu bitte Hannah Arendt lesen.

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danke für diesen Beitrag, mir schwirrte schon ähnliches im Oberstübchen rum. Und das von einer Partei deren Übergott mal meinte "rechts von uns ist nur die Wand"....Ich geh mal fix das Abo bestellen :)

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Bitteschön....ich bin ja gespannt, ob das Ding morgen am Kiosk liegt (aber ich glaube schon....die Erstausgabe sollte ja auch schon aus dem Handel entfernt werden und lag dort noch heute nachmittag).

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ich danke ihnen für diesen beitrag. mit dem dreckigen mantel des schweigens wird viel zugedeckt und abgedichtet. für meinen geschmack schon zuviel, weltweit zuviel und das macht mir angst...

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Das stimmt. Wobei ich auch finde, dass gerade in Deutschland in den letzten 60 Jahren nicht die große Schweigerei betrieben wurde (wenn man das mal in einem "größeren" historischen Kontext sieht). Darauf braucht man sich nun nichts einzubilden, weil: Wer der ungeschlagene Weltmeister im auslösen von Weltkriegen ist, hat allen Grund dazu.
In Österreich beispielsweise ist das in weit weniger Ausmaß geschehen. Dort gab (und gibt) es Teile der Gesellschaft, die sich weniger damit auseinandergesetzt haben (vielleicht auch deshalb, weil man ja darauf verweisen konnte, das erste Opfer der hitlerschen Expansionspolitik geworden zu sein und mir ein Kärntner einmal ernsthaft sagte, die Massen damals auf dem Wiener Heldenplatz seien mit Bussen herbeigekarrte Deutsche gewesen).

Und wenn man dann noch weiter schaut, sieht man gar richtiggehende Umdeutungen und Glorifizierungen der eigenen Geschichte: In Russland steht bis heute in jeder Stadt ein Lenindenkmal und auch Straßen werden nicht umbenannt und Chinas Oberikone ist noch immer Mao.

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