Freitag, 7. Oktober 2011
Querbeetreste
Man kann ja auch mal Reste verwursten. Das ist wie in der Küche, da muss auch manchmal der Kühlschrank entrestet werden. So auch hier. Es liegen ein paar Fotos rum und ein paar halbgare Geschichten, die aber auch nicht mehr ganz aktuell sind. Darum kriegen Sie nun einmal querbeet serviert.

Wir könnten mal mit etwas für mich erfreulichem beginnen. Etwa folgendem Dialog:

Ich: "Wir könnten uns doch duzen. Ich bin ohnehin der ältere und darf das anbieten."

Sie: "Gerne. Ich bin mir aber nicht sicher, ob du der ältere bist."

Ich: "Nicht? Wie alt bist du denn?"

Sie: "32"

Ich: "Danke"

Sie sehen also: Ich komme nun langsam in ein Alter in dem sich freut, wenn man so grob ein halbes Jahrzehnt jünger gemacht wird.



Übrig ist auch noch einiges von der zweiteiligen Mittelmeertour vom August, aber das ist so lange her, dass wir das im Crashverfahren abhandeln können. Da wäre erstmal die völlig planlose Losfahrerei gen Süden. Die ging dann über Venedig, Triest, Slowenien nach Kroatien, Bosnien, wieder Kroatien, nochmal kurz Bosnien, erneut Kroatien bis Montenegro, wo mir dann eingefallen ist, dass ich die gesamte Strecke auch wieder zurückfahren muss und dass dies doch ziemlich weit ist und der kroatische Grenzbeamte nach der 5. Wiedereinreise nach Kroatien nur noch den Kopf geschüttelt hat, weil er im Pass immer weiter nach hinten blättern musste, dabei kann ich nix für diese balkanische Kleinstaaterei. Immerhin gefiel ihm das chinesische Visum.



Aber meine kleinen Highlights bringe ich nun doch auf die Schnelle. Da wäre erstmal die Biennale in Venedig, der einzige Grund überhaupt, Anfang August Venedig aufsuchen zu wollen. Aber wo ich den Text ganz spontan runterschreibe, habe ich mich soeben umentschieden und das in einem extra Beitrag zu bringen. Wäre schade, wenn das völlig unterginge.



Und dann wäre da Split. Eine ziemlich schöne Stadt mit römischem Palast und der ältesten Ultravereinigung, die der Fußball kennt. Die Torcida hat einen enormen Einfluss auf den Verein, ihre Graffiti ziehen sich entlang der gesamten kroatischen Adriaküste und deren Mitglieder sind -freundlich gesagt- reichlich fanatisch und nationalistisch. Da werden Spiele gegen Roter Stern Belgrad zu Kriegseinsätzen Sicherheitskräftegroßeinsätzen und man darf froh sein, dass die beiden Vereine nicht mehr in derselben Liga spielen.



Jetzt sind wir in Dubrovnik. Dubrovnik ist wow. Sehr wow. Genauso überlaufen wie Venedig, aber trotzdem wow. So schaut es von oben aus:



Wenn Sie mal in Dubrovnik sein sollten, dann müssen Sie unbedingt zu War Photo Ltd., einer richtig guten Ausstellung über Photographie in Kriegsgebieten. Das ist beeindruckend, überwältigend und ich könnte da phototechnisch meistens eher nicht draufhalten, ich habe da eine natürliche Hemmschwelle was das angeht. Ich konnte noch nicht mal Pfeffersprayopfer des 30.09.2010 im Stuttgarter Schloßpark ablichten.



Kuriositäten finden sich natürlich auch überall. Beispielsweise äußerst kuriose Autokennzeichen. Wenn Sie bitte mal etwas näher an den Bildschirm rücken würden:





Im Kleingedruckten dort steht "California", so das Ihre Sehnerven nicht mitmachen.

Wir könnten auch mal die Friedhöfe berücksichtigen. In welchem Land ich auch bin, schaue ich mir wenn möglich Friedhöfe an. Wahrscheinlich ein Hauch von Nekrophilie. Oder so. Balkanfriedhöfe sind wirklich kurios. Einerseits gibt es da die Praxis, ausgehobene Gräber einfach leer und offen zu lassen, weshalb ich Ihnen dringend davon abrate, sich auf dem Balkan nachts auf Friedhöfen rumzutreiben und wenn doch, sollten Sie dringend für eine ordentliche Beleuchtung sorgen.



Und dann hätten wir da noch einen Grabstein, den Sie sich auch mal etwas genauer anschauen könnten. Wenn Sie das tun, dann wird Ihnen auffallen, dass die Eheleute Obradovic noch gar nicht verstorben sind, sondern noch quietschfidel und munter sich des Lebens erfreuen. Das künftige Grab mitsamt Fotos von Bogdan und Dragica gibts aber schon.



Wo ich das grade so runterschreibe, bemerke ich, dass das nun doch etwas länger wird, aber Sie kennen das sicher, dieses Sich-nicht-bremsen-können-und-alles-reinpacken-müssen und wenn Sie es nicht von sich selbst kennen, dann kennen Sie das von mir und dann wissen Sie auch, dass wir da nun beide durch müssen, Sie lesenderweise, ich schreibenderweise und ich weiß nun ehrlich gesagt auch nicht, wen von uns beiden ich nun mehr bedauern soll, wenngleich ich anfügen möchte, nicht unbedingt zu Selbstmitleid neigen zu wollen und ich daher eher dazu tendiere, Mitgefühl mit Ihnen haben zu wollen.



Wir machen es nun kurz. Rückfahrtstopp war dann am Chiemsee, einer wundervollen Gegend, die ich bis dahin eher im Vorbeifahren kennengelernt hatte und die mich dann aber zu einem ungeplanten Zwangsaufenthalt infolge akuter Intoxikation zwang. Schuld daran waren verwandtschaftliche Bande, dem es noch viel schlimmer erging als mir, weil er im Gegensatz zu mir arbeiten musste. So siehts am Chiemsee aus:



Die zweite Augusthälfte war dann Ligurien und die Mittelmeerküste bis Monaco, aber das wissen Sie ja schon. Das ist eine ebenso schöne Gegend, aber etwas anders als die Adriaküste, weil Ligurien im Grunde nur ein sehr schmaler Küstenstreifen ist und dann gleich die Täler und die Berge losgehen. Manchmal ist der Streifen grade mal ein paar Dutzend Meter breit.



Ich mag diese Kombination allerdings sehr. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass meine Affinität Meer gegenüber extrem groß ist, weil ich so grob 8 Autostunden vom Meer entfernt wohne, ganz egal, in welche Richtung ich mich bewege, ich aber auch Berge mag, weil ich zwischen den Bergen aufgewaxxen bin. Beides zu haben. Schön.



Ganz freiwillig war diese Reise zwar nicht, aber es gibt wirklich schlechtere Arbeitsplätze als zwischen Olivenhainen und Weinbergen mit Meerblick. Zudem beinahe schon entspannend.



Und dann musste ich mich neulich schwer beherrschen. Sie ahnen ja gar nicht, wieviel Anstrengung es bedarf nicht in schallendes Gelächter auszubrechen, wenn Sie vor Indios stehen, die mitten aus den allertiefsten Tiefen des peruanischen Urwalds kommen und Ihnen erklären, dass sie Heinz und Helga heißen und sich dies auch noch als wahr herausstellt.



Und wo ich mit einem Dialog begonnen habe, ende ich steigernderweise mit einem "Trialog" zweier Kinder mit mir und der ging so:

Kind A zu Kind B: "Ich bin aus der Türkei und du?"

Kind B, immer etwas langsamer in allem, guckt nur. Ich will helfen:

"Er stammt aus dem Libanon"

Kind B schaut mich fragend an und sagt dann: "Nö. Ick bin ein Berlina"

Und dann erklärense ihm mal, weshalb Sie sich scheckig lachen, wenn er keine Ahnung von Kennedy hat.

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