Montag, 24. Oktober 2011
Erlesenes...
Ich komme grade mächtig zum Lesen. Wie sonst selten nie nicht. Dabei finden sich allerlei Nüsse. Unge- wie auch Ge-.

Sensationell etwa die Sarrazinsche Anmerkung zu Wowereits Integrationsgedanken, wonach die europäischen Staaten im Zuge der Industrialisierung "keine wesentliche Einwanderung" gehabt hätten, wodurch er wiederum seine grandiose Unkenntnis der deutschen Geschichte offenbart: Wo war denn der Motor der deutschen Industrialisierung gegen Ende des Jahrhunderts? Richtig. Ruhrgebiet. Nur: Dort wanderten damals im großen Stil Polen ein, deren Anzahl an der Gesamtbevölkerung betrug teils bis zu 40%.
Dazu Holländer oder Russen, ebenso im Tagebau. Die Bahn wurde zudem zu nicht unwesentlichen Teilen von Italienern erbaut und im damals deutschen Schlesien gab es eine satte polnischsprachige Bevölkerungsmehrheit.

Mindestens ebenso grandios ist die Recherche des SPIEGEL zum Oktoberfestattentat: 46.000 Seiten bisherige Geheimdokumente durften mussten irgendwelche nichtbezahlte Praktikantenknechte durchwühlen und dann stand fest, was schon immer feststand: Der Attentäter hatte Verbindungen ins rechte Milieu. Wow, wer hätte damit gerechnet? Diese erschütternde Erkenntnis muss man auch erstmal verkraften.

Dann wäre da ein Kommentar über die Fußballer im Allgemeinen. Verfasst von der Julia, die in der Regel leider eine fette Aufzählung liefern muss, um als Frau als fußballsachverständig durchzugehen. Ansonsten mag ich ihre Kolumnen. Darin beklagt die Julia die verkommenen Sitten im Profifußball: Spucken, Stinkefinger, versteckte Fouls, Schwalben undsoweiter. Womit Julia natürlich recht hat. Sie hat nur vergessen, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Schließlich ist Fußball ein Sport für Gentlemen, der aber von Hooligans gespielt wird. Wenn die Julia einen Sport sehen möchte, in dem Gentlemen spielen, dann hätte sie das Rugby-WM-Finale anschauen müssen, das Frankreich nur knapp gegen Neuseeland verloren hat.

Meine persönliche Sonntagskrönung aber war der Adrian. Der Adrian konstatierte einmal, ohne das freundliche Zutun der gleichgeschalteten Presse sei S21 nie möglich gewesen, womit er erstens wahrscheinlich recht hat und zweitens so eine Art Eingeständnis in eigener Sache führte, was ihn aber nicht anficht, weiter zu Felde zu ziehen. Nun braucht es aber einen kleinen Exkurs:

Normalerweise neigt der gemeine Schwabe nicht zu Höhenflügen. Man ist "hälenga" ("heimlich") reich und hat eher selten Ambitionen größer werden zu wollen als man ist. Hin und wieder aber schlägt dann doch die Großmannssucht zu, wie damals in den 80ern, als Daimler sei dank, hier die reichste Kommune der Republik siedelte. Die leistete sich kostenlose Schwimmbäder, Kindergärten, Parkplätze, Bibliotheken, Zebrastreifen aus Carraramarmor und einen Vorhang fürs Theaterhaus, den sich sonst nur noch New York und Paris leisteten. Nochmals die Reihenfolge: New York, Paris, Sindelfingen. Kurz: Man stieg quasi in einem Rutsch von der Landesliga in die Champions League auf. Heute ist diese Kommune in der Realität der Landesliga wieder angekommen und würde sich am liebsten mit der schmuddeligen, aber finanziell gesünderen Schwesterstadt zur Doppelstadt vereinigen. Exkurs Ende.

Der Adrian ist auch einer derjenigen, der dazu neigt, immer alles noch besser machen zu wollen und der festen Überzeugung ist, dass er äußerst hilfreiche Tipps abgeben kann. Kennt man ja auch als gesamtdeutsches Phänomen: Da steht man irgendwo am Fuße des Kilimandscharo, friert trotz Thermounterwäsche, sieht dann diese armen Bergbauern mit ein paar Ziegen und Schafen und umgehend laufen dann diese Bessermacher los, um dem dann doppelt armen Bergbauern zu erklären, dass mit selbst gestrickten Pullovern wesentlich mehr Geld zu machen sei, vor allem bei Touristen und gleichzeitig glitzert in den eigenen Augen bereits das Wort "Umsatzbeteiligung". Umso enttäuschter die Reaktion, wenn der doppelt arme Bergbauer nicht umgehend die Schafe schert.
Nun aber zu Adrian. Der findet, dass S21 eine ganz wunderbare Möglichkeit ist, der Welt zu beweisen, dass es möglich ist, eine grüne Ökomodellstadt zu bauen, wo das doch bei ähnlichen Brachen in (!) Shanghai, New York und Berlin gescheitert sei. Dieses Mal steht Stuttgart nicht auf einer Stufe mit den Weltstädten Shanghai, New York und Berlin, nein, es steht noch drüber. Wie das künftig übrigens aussieht -so eine Ökotraumstadt- lässt sich anhand des bereits fertigen Bücherknasts Stammmheim Zwo auch schon besichtigen.

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