Donnerstag, 13. Juli 2006
Excess
Er ist einer, der den Nervenkitzel braucht. Wegen einem sehr stressigen Job. Alles was er anfängt, erledigt er mit Hingabe und bis an die Belastungsgrenze (und drüber hinaus). Beruflich wie privat. Ein Mensch des Exzesses. Was er macht, macht er ganz. Oder gar nicht.
Das alles geht natürlich auf Kosten der Gesundheit. Wenn er einen dezenten Bauchansatz hat, gehts ihm gut. Ist er dagegen rank und schlank arbeitet er zuviel. Und feiert zu viel. Vor allem letzteres findet seine Partnerin nicht gut. Überhaupt nicht gut. Sie hat schon richtig schlechte Erfahrungen damit gemacht.
Die Krönung war der gemeinsame Männerabend mit einem Freund. Die beiden zogen los und kippten sich alles rein, was möglich war: Ecstasy, Koka und wohl literweise Alkoholika. Bis 11 Uhr am nächsten Morgen ging das. Dann kehrten sie in die Wohnung zurück (die Lebensgefährtin war schon brav ihrem Tagwerk nachgegangen). Bis hierher wäre wohl alles noch verzeihbar gewesen. Aber dann tickten beide weg. Der eine zerlegte erstmal sein Bücherregal und verteilte die Trümmer und Bücher über ein weites Arreal. Der andere war derart neben der Spur, dass er den Kleiderschrank mit der Toilette verwechselte und sich darin entleerte.
Die Krönung war dann der Kollaps des Schrankpinklers. Umgekippt und weggetreten. Wenigstens eins kriegte der andere dann noch hin: Einen befreundeten Arzt anrufen. Und so kriegen sie den Kollegen wieder einigermaßen in die Gänge.
Die Spuren aber können sie nicht mehr verwischen. Und so kommt es zum bitterbösen Krach: Im Wiederholungsfall wäre die Beziehung definitiv beendet.
....und ich bin gottfroh, dass ich ziemlich diskret bin und so mit meiner Diskretion immer wieder mal die Beziehung rette...und einige andere tun das auch...

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Dienstag, 11. Juli 2006
Wassilios
Wassilios kam aus Griechenland. Das erste Mal Ende der 50er-Jahre. Dennoch radebricht er grausamstes Deutsch. Auch nach über 40 Jahren hat er es noch nicht geschafft, einen zusammenhängenden Satz fehlerfrei zu formulieren.

"Wie geht?" fragt er dann. Und wenn man rückfragt, antwortet er meist mit "nix gut".

40 Jahre lang Bau. Bagger fahren. Jeden Tag.

Er ist ein Wanderer zwischen den Welten. Er weigert sich, in griechische Kneipen zu gehen, weil ihm die Leute dort zu konservativ und zu spießig seien und er der Meinung ist, dass "gut Fest, deutsche Fest" ist. Außerdem: "Nur Männer da, nix Frau. Was Abend ohne Frau?"

Aber eigentlich ist er stockkonservativ. Er genießt zwar insgeheim die knapp bekleideten Mädels, dennoch ist sein Frauenbild ein ganz anderes. Ein blondes vermutlich. Mit Zöpfen. Und mit Reifröcken. Da ist er in den 50ern steckengeblieben: "Ich gewesen Griechenland, komme zurück nach Deitschland, Biidls dagewesen, Mädchen alle anders...".
John und Paul. Die Revolutionäre der Frauenwelt...

Nirgends passt es ihm. Er nörgelt an allem rum. Hier sei es zu kalt, in Griechenland zu heiß. Seinen Rücksiedlungversuch hat er dieses Jahr beendet. Nun ist er wieder hier. Nachdem er gemerkt hat, dass ihm 3 Jahre Griechenland für die nächsten 20 Jahre reichen würden...
Vielleicht sollte er sich mal so richtig besaufen. Nicht mal dazu hat er Lust. Bestellt sich stets exakt ein kleines Bier und zieht dann wieder von dannen.

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Montag, 10. Juli 2006
Rainer
Rainer ist auch einer derjenigen, die man eben so im Nachtleben kennenlernt. Eigentlich ist Rainer eine ganz arme Sau.
Dicht an der geistigen Behinderung und etwas schizophren war er dennoch der Schrecken der Nacht. Vor allem deshalb, weil er ebenso dreist wie penetrant war. Nach Zigaretten hat er nicht gefragt, er hat sich einfach eine genommen. Dazu kam seine chronische Sangeslust. Vor allem altdeutsches Liedgut kam zu Besten. Hoch auf dem gelben Wagen beispielsweise.
Man hätte ihn eigentlich betreuen müssen, aber er schwankte immer zwischen "den muss man allein lassen dürfen" und "er gehört betreut". Dass man ihn sich selbst überlassen hat, war nicht gut. Am besten wurde dies in seinem Kleidungsstil dokumentiert. Der näherte sich einem Skin-Folklore-Stil an: Möchtegernkampfstiefel, Cordhose hochgekrempelt, Holzfällerhemd und einen geschulterten Regenschirm...
Viel schlimmer aber waren seine chronischen Alkoholexzesse. Rainer wäre nicht Rainer gewesen, wenn er nicht mit mindestens 2,5 Promille zurückgekehrt wäre.
Das alles machte ihn zur Kuriosität des Nachtlebens. Sie haben ihn sogar dazugekriegt, als eine Art Freakshow für eine ausgefallene Band als Vorsänger eines Konzerts aufzutreten.
Die Krönung war dann, wie er mit Klaus dann ein Duett gesungen hat. Das Hutzelmännchen Rainer Arm in Arm mit dem Riesen Klaus und gemeinsam geben sie Volkslieder zum Besten. Dann wurde es ruhig um ihn. Viel zu ruhig. Er lebt wohl noch, aber man ist sich unschlüssig, wo er jetzt ist. Er sei in einem Heim, sagen die einen. Die anderen meinen, er sei schlicht altersmilde geworden. Andere erzählen, die Verwandtschaft habe ihn aus dem Verkehr gezogen. So long.

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Samstag, 8. Juli 2006
Klaus
Es gibt diese Menschen, die jeder -ausnahmslos jeder- kennt, der auch nur ein paar Mal das Nachtleben einer Stadt genossen hat. Entweder sie sind wirkliche Unikate oder sie sind penetrant.
Klaus war so einer. Er war beides. Eine penetrante Marke.
Er war eine Type. Über 1,90 groß, Hände wir Pranken, ein sehr markantes Gesicht und er hatte wirklich Charisma. Ausdauernd erzählte er viel und vor allem lang. Nie wusste man, ob die Geschichte nun wahr ist oder nicht. Und je mehr er gtrunken hatte, desto schlimmer wurde es mit den Geschichten.
Wahr ist: Klaus hatte eine wirkliche heftige Kindheit und wurde zigmal hin und her geschoben. Er war elendig lang in der Fremdenlegion (was er jedem bei der ersten Gelegenheit auftischte und dazu ein paar Legionsliederchen im allertiefsten Bass zum Besten gab), er war geschieden und hatte 3 Töchter. Das alles war noch verifizierbar. Der Rest dann gänzlich verschwommen.

Klaus war der Schrecken aller Kneipen, denn er zog so alle 2-3 Wochen los, um sich seinen Quartalsvollsuff zu holen. Das Ende vom Lied war: Hausverbot. Das galt aber in aller Regel nur für diese eine Nacht. Aggressiv war er nämlich nie, eher aufdringlich den anderen Gästen gegenüber. Er stand dann immer mit einem Glas Whiskey in der einen und einem Zigarillo in der anderen vor einem. Die ganze Erscheinung erinnerte stark an Heiner Müller (als Riese). Er konnte sich mindestens ebenso poetisch ausdrücken, was aber nie gekünstelt wirkte. Nahezu fließend die Grenzen dann ins Derbe, immer mit dem rollenden Marlene-Dietrich-R untermalt ("die besten Gedichte kommen mirrrrr auf dem Scheißhaus" oder "...haben wirrrr damals in Madagaskarrr mit 60 Mann ein Borrrdell gestürrrrmt").

Er war ein Unikum. Phasenweise gänzlich neben sich. Ich erinnere mich an folgende Unterhaltung:

Ich: "Wie gehts denn der Klara?" [seine Tochter, die ich kenne]
Er: "Welche Klara"
Ich: "Na Klara"
Er: "Klara?"
Ich: "Na deine Tochter"
Er: "....[er beginnt sich mühsam zu erinnern]...ach ja...die Klara..."


Lange sahs so aus, als nehme das kein gutes Ende mit Klaus. Aber siehe da....auf einmal: Alles neu macht die Frau hat er eine ebensolche kennengelernt und ist mittlerweile handzahm und hat den Alkoholexzessen abgeschworen. Er sieht nun aus, wie ein älterer Studienrat und wirkt beinah bieder....

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Freitag, 7. Juli 2006
Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit
Das ist die Geschichte von Zlatko. Zlatko heißt nicht wirklich Zlatko, aber das spielt ja auch keine Rolle. Er ist mir zum ersten Mal vor etwa 10 Jahren übern Weg gelaufen. Schon damals war er völlig hängengeblieben und hatte einige Aufenthalte in Psychiatrien hinter sich. Schwere Psychosen durchzogen sein gesamtes Leben. Sein Lebenslauf war entsprechend schillernd: Schule in Klasse 12 geschmissen und zur Fremdenlegion, wovon er dann wieder desertiert ist. Dann hat er alles mögliche gemacht, nur nix halbwegs produktives.
Gegen sämtliche Regeln und Konventionen hat er verstoßen. Seine nicht mal wenigen Talente hat er meist so eingesetzt, dass er davon immense Nachteile hatte.
So hat er einmal seine Wohnung frisch gestrichen (wogegen sein Vermieter wohl kaum etwas gehabt hätte, aber allerbunteste Graffitis waren ihm dann doch zuviel), was dazu geführt hat, dass er aus der Wohnung geflogen ist.
Auch danach hat er immer wieder Sachen gemacht, die ihn stadtweit berühmt gemacht haben:
Auf dem Zugdach mitfahren, um Kosten zu sparen (was einen mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt zur Folge hatte, weil er bei der Einfahrt in einen Bahnhof vom Dach fiel),
danach hat er dann seine künstlerische Karriere fortgesetzt, indem er seine Umgebung verschönern wollte. Gegen die Kaffeetassen in den Bäumen hätte vermutlich niemand etwas gehabt, aber das Großflächengraffiti an einem frisch renovierten Haus war denn doch zuviel. Wieder einmal sollte er in die Psychiatrie, was in einen größeren Einsatz von Feuerwehr und Polizei mündete, weil er im 3. Stock auf dem Fenstersims balancierte.
Spätestens da hatte er im Wohnviertel den Spitznamen "Psycho" weg.
Zlatko war der Schreck sämtlicher Behörden. Die nämlich hatten sein Kommunikationssystem nicht verstanden. Das verstand er eigentlich nur selbst: Seine Briefe an Behörden sahen aus wie Erpresserbriefe. Er schnitt Buchstaben aus Zeitungen aus. Für Frau Merzig vom Ausländeramt löste er ein Etikett vom gleichnamigen Apfelsaft. Schwierig machte das Lesen der Pamphlete vor allem die Tatsache, dass er sich nicht an gängige Regeln hielt. So hat er die Briefe so geschrieben, dass man sie von unten nach oben und von rechts nach links lesen musste.
Der Erfolg seiner Eingaben, Petitionen, Wiedersprüche und Anträge war äußerst bescheiden.

Irgendwann begann er dann die Spirale zu überdrehen: Er wurde zum ersten Mal beim Klauen erwischt. Makeup. Dem Richter sagte er damals auf die Frage, weshalb er denn Sachen stehle, die ihm nichts bringen würden, dass dies seine Art des gesellschaftlichen Protests wäre.
Kleptomane war er aus Leidenschaft. Wenn man mit ihm unterwegs war, durfte man nie sagen, auf was man grade Lust hätte. Sonst hat ers einem geklaut.
Dann hat man ihn erwischt, wie er mit 5 Wintermänteln auf dem Arm ein Kaufhaus verlassen wollte. Er gab an, dass er die Dinger nicht für sich wollte und auch keinen Profitgedanken hatte sondern, dass er die unter Obdachlosen verteilen wollte (was ich ihm aufs Wort geglaubt hab). Aber: Die Idee ist gut, die Welt noch nicht bereit. Im allerletzten Moment kam er nochmal um den Knast rum (in dem er früher schon saß).

Und nun gings endgültig bergab. Der Tanz auf Messersschneide geriet zum Parforceritt in die Hölle:
Er setzte eigenmächtig seine Psychopharmaka ab und ersetzte selbige durch eine Unmenge an Drogen.
An einem Sommerabend erschien er vor mir. Bekleidet mit einer Unterhose, in Socken, einen blauen Müllsack um die Hüften und Alupapier in Starwarsmanier um die Brust gewickelt. Dazu in der Hand eine Schachtel mit Joints. Er wollte "mal schnell" einkaufen gehen. Auf meinen Einwand, so könne er unmöglich bei Aldi auftauchen, meinte er lapidar, dann gehe er eben zu Lidl.
Das hat dann dazu geführt, dass wir ihn zurück in die Wohnung bugsiert haben und dort wurde dann das ganze Ausmaß deutlich: Er hatte den Gasbackofen voll aufgedreht (ebenso den Gasherd) und in seiner Wohnung ein offenes Feuer entfacht. Das war dann der Schlusspunkt. Polizei und Ordnungsamt aber waren zu spät. In dem Moment, in dem ich eben diese angerufen hab ist Zlatko auf und davon. Er ward unauffindbar. Eine Nacht lang. Dann tauchte er wieder auf. Mit einem Messer. Sein Vater hat die Attacke grade eben so überlebt.
Das letzte Mal hab ich ihn im Prozess gesehen. Natürlich war er schuldunfähig, verbrachte einige Jahre in der forensischen Psychiatrie (wovon er immer wieder mal geflohen ist und tagelang in Wäldern gehaust hat), um dann endgültig gen Kroatien abgeschoben zu werden.
Ich hoff, es geht ihm einigermaßen gut.

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Mittwoch, 28. Juni 2006
Saublöd ist man...
...wenn man zur Führerscheinnachschulung mit dem eigenen Auto auf den Hof des TÜV fährt...

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