Sonntag, 10. Januar 2010
Unsinnige Brauchtümer mal livegebloggt
Vielleicht sollte ich zuerst mal erzählen, dass ich in einer zutiefst pietistischen Kleinstadt aufgewachsen bin und damit fernab ehemals vorderösterreichischer Gebiete. Die nämlich sind katholisch. Und die ehemalige Grenze zwischen Württembergern und Habsburgern markierte gleichzeitig auch die Grenze zwischen Schwäbisch-Alemannischer Fasnet und biederer Protestantenspießertumlustfeindlichkeit.



Allein schon von daher ist mir diese Art Brauchtum völlig fremd. Es ist nicht so, dass ich mir das nicht auch mal anschauen würde, bevorzuge dann aber die süd- und mittelamerikanische Variante, seit ich mal life und in Farbe die kubanische Variante der Schwäbisch-Alemannischen Fasnet gesehen hab und sehr deutlich konstatieren muss: Alles besser. Die Cocktails, die Musik, das Wetter, die Stimmung, die Frauen, äh, deren Kostüme.



Aber live and let die live und eigentlich halte ich mich ja für einen einigermaßen ruhigen Zeitgenossen. Solange nicht meine eigenen Bedürfnisse gestört werden. "Ruhe" ist beispielsweise ein solches. Die war nicht mehr vorhanden, als ich damals nichtsahnend in eine Wohnung direkt neben der Turn- und Festhalle gezogen bin. 20 Meter Luftlinie. Jedes Jahr wurde dort gefeiert und zwar an Rosenmontag (das war noch einigermaßen harmlos) und dann richtig groß an Faschingsdienstag mitsamt einer Combo, deren Musikstil mir eher nicht ganz sooo entgegenkam (diesen Link klicken Sie auf eigene Gefahr). Im ersten Jahr fand ich es noch halbwegs lustig, Partnerschaftsdramen, Schlägereien mitsamt Polizeieinsatz und kotzende Teenies aus der mollig warmen Stube mit Direktblick zu betrachten, aber ob Sie es glauben oder nicht: Nachts um drei ist zum vierten Mal "ein knallrotes Gummiboot" bei so grob 100 dezibel nicht mehr witzig. Im Prinzip ging nur: Mitmachen oder abhauen und mitmachen wollte ich nicht, eben wegen der Combo, weshalb ich jahrelang an diesem Tag freiwillig Nachtschichten geschoben hab. Es war mir aber hinreichend egal. Sie belästigten mich zwar, aber ich ließ sie gewähren, war ja nur ein Mal im Jahr.



Aber ich bin dann weggezogen. Aus anderen Gründen. Eigentlich in tiefprotestantisches Gebiet und zumindest theoretisch in die sichere Zone. 200 Jahre galt die napoleonische Ordnung. Aber leider ist das jetzt nicht mehr ganz so mit den Grenzen und nun sind sie auch hier voll dabei und veranstalten gar Umzüge und zwar exakt an dem Haus vorbei, in dem ich wohne, was mir eigentlich auch egal wäre, ich muss ja nicht zuschauen und kann mich auch mit was anderem beschäftigen. Aber wir haben da jetzt die Claims auch abgesteckt. Notgedrungen.



Ich gelte da wohl mittlerweile als Spielverderber und Querulant und das gibt man mir auch optisch zu verstehen, was mir aber ganz recht ist: Die im zickzack aufgehängten Straßenbändel beenden -einer Absprache folgend, die nie getroffen wurde-exakt bei mir den Zickzackdiagonalkurs und sparen meine Hütte aus und ich weiß auch genau warum. Einerseits hab ich mich das letzte Mal darüber beschwert, dass ich vier besoffene Idioten der heimischen Zunft aus meinem Garten schmeißen musste, die ungefragt einfach mal so eingedrungen waren, wahrscheinlich weil der Alk auf natürlichem Weg wieder rauswollte. Vielleicht auch unnatürlich, sie konnten sich nicht mehr so recht artikulieren.



Ich glaube dafür hatten sie bei der Zunft noch Verständnis. Weniger Verständnis hatten sie dafür, dass ich beim letzten Umzug die Bändel wieder abhängen ließ und das wohl mit Arbeit verbunden war. War notwendig geworden, weil ich Samstag früh erwachte -im zweiten Stock!- und da grade einer durchs Fenster guckte und grade dabei war, einen ziemlich langen Haken in meine Dachtraufe zu schrauben. Ungefragt. Und irgendwie ist es auch eins meiner Bedürfnisse, Samstag früh auszuschlafen und dabei nicht dadurch geweckt zu werden, indem mir wildfremde Menschen ins Schlafzimmer glotzen und ein Bedürfnis ist auch, dass ehe einer Samstagfrüh einer eine Leiter an meine Hütte stellt und halbmeterlange Haken in die Traufe dreht, ich vorher sehr gerne gefragt werden würde.



Dieses Jahr haben sie alles so erfolgreich und weiträumig abgesperrt, dass sie die angepeilte Besucherzahl 10.000 so locker wie deutlich verfehlen.
Ich gehe jetzt ein Vollbad nehmen.

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au weia, ist ja übel.

na dann plantsch schön. :))

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Sollteste mal gesehen haben :-)

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Du hast mein Beileid. Ich vermute mal, Schmerzensgeld kann man dafür nicht bekommen oder? Das ganze Fastnachtsgetue geht mir ja auch allerwertesten vorbei. Das war definitiv einer dr Vorteile in Berlin. Da waren die Bekloppten deutlich in der Minderheit (zumindest die Fastnachts-Version der Bekloppten). Hier in Monnem sieht da die Welt ja auch schon wieder anders aus. Ich glaube auch, dass der Umzug dieses Jahr hier ist und nicht drüben (Ludwigshafen). Die wechseln sich nämlich immer ab.

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War doch wesentlich kleiner als erwartet. Über weite Strecken sehr lustlose Narren, weil die Strecke nur sehr spärlich besucht war. 5000 statt 10000 sagt die Zeitung, dann warens am Ende vielleicht 3000. Wetter das eine, die Möglichkeit 3 Kilometer laufen zu müssen die andere...

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Haha,
da hätte ich gern zugeguckt, wie die Typen murrend den Haken wieder rausschrauben.

Ich weiß auch nicht, was ich bekloppter finden soll, diese seltsame Fasnet, die Määänza Fassenacht oder den rheinischen Karneval (oder die hier am Westpol so endemischen Schützenfeste).

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Sie waren ratlos und verzogen sich erstmal und dann lagen die Bändel erstmal zwei Stunden auf der Straße rum....

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Höhö...
...sag' ich da nur und auch noch "Pietcong". ^^

Da hab ich's als rheinischer Katholik ja vergleichsweise gemütlich...

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Ja,
was man so "vergleichsweise gemütlich" nennt mit dem ganzen Jeckenterror, den ewigen Martinszügen und Schützenbrüder-Umtrieben. Dass einem die Pietcong so auf die Gonaden gehen können wie die rheinischen Katholiken, kann ich mir fast nicht vorstellen. ;-p

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@maternus: Wäre ich in Köln, Mainz oder Rottweil geboren, wäre ich da vielleicht auch voll dabei...

@mark: Ja, Pietcong...also ich würde ja behaupten, dass mir da sehr vieles voll fehlt. Das, was man hier "schaffen" nennt und das wesentlich mehr als "arbeiten" ist. Hab ich gar nicht, würde ich behaupten. Das gilt auch für Dinge wie Kehrwoche, Auto waschen am Samstag und die danach folgende Fahrt mit Anhänger zum Baumarkt. Es hat sich bisher noch keiner getraut mir das zu sagen, aber ich weiß ganz genau, dass mich manche für schlechter integriert halten als jeden Türken oder Preussen.

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@Gorillaschnitzel:
Fühle ich Ihnen in hohem Maße nach. Ich bin den üblichen Verdächtigen in Pauls Pinte und sonst hier im Viertel auch nach wie vor recht suspekt. Manche denken ja immer noch, ich wäre so unter dem Pantoffel meiner Frau, dass ich aus diesem Grund nicht in die Kneipe komme oder zu den Festchen. Der Gedanke, dass man da auch bei sehr intaktem Chromosomensatz und Hormonspiegel keinen Bock drauf haben könnte, kommt nur den wenigsten. Und die können sich erst recht keinen richtigen Reim darauf machen, wie ich ticke...

Aber sagen Sie, was soll das bringen, erst das Auto sauber zu machen und dann den Anhänger zum Baummarkt (oder Baumarkt) zu fahren? Wäre es nicht vielleicht lohnender, das heilix Blechle nach dieser Tour zu wienern (wenns denn schon sein muss)??

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Was? No ned d'Gass gfegt heit? Ned gschibbt?
Ha, so an Limml!
Ond der hot was gega d'Fasned. Deees bassd.

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@mark: Könnte sein, dass sie deshalb den Anhänger mitführen. Meistens putzen sie aber wirklich -man muss diese Logik nicht verstehen- erst die Karre und hinterher wird dann geheimwerkelt, wahrscheinlich mit offenem Ende, so richtig lohnt sich die Sportschau ja grade nicht...

@croco: Ha no, abr sichr han i heit scho gschibbad. Schnai. Wiad Sau. Abr ao bloß, weil i sonschd et hedd parka kenna

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Parka
zom Audoles butza?

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Noi,
des wird it butzad. Des macht dr Rega.

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entsetzlich diese grauslichen brauchtümer - ich kann dem ganzen nicht einmal irgendwas abgewinnen.
vor einigen jahren war ich in der adventzeit in tirol, breitenbach, und man hat mich mit so einem bescheuerten perchtenlauf, gekreische und höllischem lärm zwangsbeglückt. das war wirklich letztklassig...
jetzt sind wahrscheinlich wieder die blöden faschingsumzüge dran.

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Oooooch....ich hab Lothar er- und überlebt und gab seinerzeit erst auf, als die ersten Dachziegel neben mir eingeschlagen sind (neee, das hatte nix mit Mut und Heroismus zu tun, eher mit Dummheit und Naivität)....da nehm ich sowas menschliches ruhig auch mal hin. Es mag ja auch Feste geben, die mir wichtig sind und die andere nullkommanull nachvollziehen können.

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ja, so kann man das auch sehen und bedingt stimm ich ihnen auch zu. allerdings die kollektive angriffslust der larven macht mir persönlich ein bisschen angst...

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Das stimmt. Aber ganz zur Not bin ich verteidigungsbereit. Ich bleib im Haus und wenn die draußen bleiben, kann ichs aushalten. Dieses Jahr hamse nich mal viel rumgeschmissen. Kein Wunder: Das alles lässt sich bei dem Schnee auch gar nicht wegräumen und bleibt daher wochenlang liegen und das will man nicht, muss ja alles ordentlich sein...so is das halt, wenn der PietCong sowas veranstaltet...:-)

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Sie können nehmen, was Sie wollen, auch zurück.

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SIe
nahmen ein Vollbad? Doch nicht etwa in der Menschenmenge. Tses.

Auch an mir kann so ein Faschingstreiben unbemerkt voruebergehen. Ich erinnere mich, dass ich einmal im zarten Alter von etwa 6 Jahren zwangsbefasnachtet wurde: mit einem Freund zusammen wurden wir auf Max und Moritz getrimmt. Ich glaube, diese psychologische Vergewaltigung loeste die Abneigung gegen jegliche solcher Veranstaltungen aus.

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Ich wette, Sie waren Max.

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Als Bremerin
(also fernab von jeglichem Faschings-/Fassenachts-/Karnevalsbrauchtum aufgewachsen) darf ich jetzt mal eine Lanze für derartige Umzüge brechen und mich damit quer zu allen Vorrednern stellen:

Sind doch putzig, die Männchen mit ihren Holzmasken und Flickengewändern! Oder die leichtbekleideten Jecken, die mal gezielt über die Stränge schlagen wollen/ sollen/ dürfen. Haben eine gewisse Tradition und einen sozialen Bezug, sozusagen Saturnalien der Jetztzeit! Da darf man ganz legal mal in eine andere Rolle schlüpfen. (Manche haben das wohl auch bitter nötig.)

Aber niemand muss mitmachen oder hingehen...!
(Nachtrag: Ich tu's auch nicht!)

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Wette
gewonnen. Waren Sie auch mal Max? Etwa strammer, nach den ersten 4 Bier?

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Bedauerlicherweise: Nein. Ich wäre allenfalls als George Clooney im Kinderformat durchgegangen, wahrlich kein Kompliment, kennense Clooney als Kind?, na sehense, aber das Dumme war: Damals kannte Clooney keine Sau. Immer zur falschen Zeit am falschen Ort.

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Wir können uns ja mal über House- sitting unterhalten.
Ich find solche Veranstaltungen grandios! =)

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Ich liege lieber...

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