Mittwoch, 12. September 2012
Teheran


Vorneweg muss ich erstmal sagen: Von Teheran Kriegen Sie wenig Bilder zu sehen. Das liegt zum einen daran, dass Teheran ziemlich verhalten schön ist, um nicht zu sagen, es ist potthäßlich und eine Beleidigung für eine Kultur, deren größter sichtbarer Beitrag zur globalen Kunst die Architektur der Vergangenheit ist.



Zum anderen aber liegt das auch daran, dass ganz exakt in der Zeit als ich da war, das Regime ganz groß zum Treffen der Blockfreien Staaten geladen hatte und deshalb sicherheitstechnisch alles aufgefahren hatte, was möglich war und das ist wirklich enorm: Straßensperren, Sicherheitskräfte an jeder Straßenkreuzung (und das schloss Sackgassen mit ein) und entlang von Hauptstraßen alle 50 Meter ein Polizist. Es müssen Zehntausende gewesen sein. Die Teheranis meinten, man habe Soldaten in Polizeiuniformen gesteckt, was nicht ganz unwahrscheinlich klingt. Aber immerhin hieß mich das Regime per SMS als Teilnehmer der Konferenz willkommen.



Unzählige Straßensperren durch die wir durch mussten und einmal dachte ich ja wirklich, dass sie uns drankriegen: Mo's Schwager war viel zu schnell unterwegs, ich hatte keine Papiere dabei weil das Hotel den Pass zur Registrierung einbehielt und auf der Rückbank saßen 5 statt 3 Menschen. Sie beließen es dann aber bei einer Ermahnung.
Das waren aber auch normale Polizisten und die sind für gewöhnlich eher harmlos und meist freundlich. Meistens ignorieren sie sämtliche Verkehrsvergehen einfach.
Weniger lustig sind die Basij. Das sind die treuesten der Treuen und diejenigen, die am liebsten Botschaften stürmen, wenn befohlen. Davon gibt es dreierlei Varianten:
- Jugendliche, die sich wichtig fühlen und per Walkie-Talkie gaaaanz wichtige Sachen weitermelden, beispielsweise vorbeischlendernde Ausländer.
- Die in Uniformen. Die sind wirklich schlimm. Verhaften willkürlich und sind so umgänglich wie SS-Schergen.
- Die Freiwilligen. Einfach zu erkennen, weil sie aussehen wie Ahmadinedschad: Schlecht gestutzter Bart, Buntfaltenhose und raushängendes 70er-Jahre-Hemd (ordentliche Iraner tragen ihr Hemd in der Hose), fetter Ring an der Hand. Soweit der iranische Kleidercode. Diese Jungs sind extrem zurückhaltend, weil sie wissen, dass sie in der Minderheit sind.



Dauernd im Straßenbild präsent sind die Plakate mit den Märtyrern. Definitiv hat das Land viel zu viele Schahids. Jede zweite Straße ist nach einem Märtyrer benannt, jede zweite Metrostation auch und Plätze heißen auch so. Revolutionsrhetorik pur. Dazu dann noch die Verlautbarungen von Khomeini und Chamenei. So als hätten nur diese beiden jemals bedeutsames von sich gegeben und als gäbe es nicht einen reichen Schatz persischer Literatur.



Teheran selbst ist einfach erklärt: 15 Millionen Einwohner, gefühlt ebenso viele Autos und der daraus resultierende Lärm und Gestank. Die soziale Situation ist daher allein an der Adresse leicht erkennbar: im Süden, wo es heiß und staubig ist, sitzen die Armen und mit jedem Höhenmeter den Alborz hoch wird es kühler, die Luft besser und der Geldbeutel dicker.



A pro pos Geldbeutel: Die sind immer dick und das liegt an der Währung. Es sind komplizierte Zustände. Da wäre erstmal der Zustand derselben und der ist gelinde gesagt desaströs. Gegen die iranische Währung sind griechische Staatsanleihen seriös und stabil. Vor ein paar Monaten noch stand 1 € bei 15.000 Rial, als ich losflog waren es 25.000 Rial, zur Halbzeit 27.500 Rial, letzten Donnerstag 28.800 Rial und am Flughafen bei Abflug dann 29.500 Rial.
Das bedeutet: Mit jedem Tag wird der Urlaub billiger, was für einen Reisenden ziemlich schön ist. Für die Iraner ist das weniger schön, weil alles immer teurer wird, zumindest das, was importiert wird und das ist nicht wenig.
Und dann wäre da die Währung als solche. Da gibt es Toman, Rial und Parsi. Die Preise lauten meist auf Toman, einer Währung, die es gar nicht mehr gibt und nur noch virtuell existiert. Offiziell sind Rial und das ist dann Toman mal 10, wobei der höxxte Rialschein 100.000 Rial sind und das sind wiederum 3Euronochwas, was wiederum heißt, dass Sie häufig fette Geldbündel rumtragen. Ja, und dann wäre da noch der frisch eingeführte Parsi, bei dem man 4 Nullen gestrichen hat oder auf Deutsch: 10 Parsi sind 10.000 Toman sind 100.000 Rial, entspricht etwa 3 Euro.
Verwirrend, oder? Kommen Sie noch mit? Ganz ehrlich unter uns: Ich habe lange gebraucht, das zu verstehen und wollte mich schon mit einem Kioskverkäufer anlegen, bis ich bemerkt habe, dass ich Toman und Rial verwexxelt habe.



Konkret bedeutet das: Die Sanktionen wirken durchaus und das spürt jeder Iraner bis in den Alltag hinein. Mittlerweile ist das Regime gar dazu übergegangen, Benzin subventioniert abzugeben und das bei Preisen von grade mal 15 Cent pro Liter. Sehr interessant ist übrigens, wie das Regime damit umgeht: Nach außen geben sie zu, dass die Sanktionen durchaus schmerzlich sind, nach innen geben sie eine Erfolgsmeldung nach der anderen durch.



Erstaunlicherweise ging ich mindestens in Teheran sogar als Iraner durch, zumindest solange ich nicht angefangen habe zu sprechen. Und wenn man dann noch drei Brocken Farsi zusammenkratzt, kann man die Iraner auch noch überraschen: So vergaßen ein paar Polizisten die Taschenkontrolle in der Metro, weil ich ihre beiden auf Englisch gestellten Fragen (Where are you from? How old are you?) auf Farsi beantwortet habe. Mo meinte aber, ich sollte es nicht zu weit treiben. Dem Taxifahrer den Satz zu sagen, dass ich nicht persisch könne, sollte ich besser radebrechen, weil man nicht aussehen könne wie ein Iraner und reden wie ein Iraner und dem armen Kerl gleichzeitig erklären, dass man kein Farsi könne. Der sei ganz verwirrt gewesen.

   ... On the road
  ... link [14 Kommentare]   ... comment