Sonntag, 23. September 2012
Yazd
So. Wir fahren jetzt mal nach Yazd. Wir können das auch gerne mal gemeinsam machen, dann sehen Sie auch, was für eine überaus entspannte Zugfahrt das war. Die ging nämlich 6 Stunden und startete für unsere Verhältnisse viel zu früh. Mo und ich hatten uns einen Tagesablauf zugelegt, der irgendwie nicht so recht mit iranischen Zugplänen korrespondierte: Nachmittags ein Schläfchen, weil es ohnehin viel zu heiß und smogig ist und dann abends raus bis nachts um 2. Wenn so ein Zug dann um halb 6 morgens geht und verlangt wird, eine Stunde vorher am Bahnhof zu sein, dann leidet der Schlaf selbst wenn es ein Nachmittagsnickerchen gibt.



Aber zurück zu unser aller gemeinsamen Zugfahrt: Die war deshalb so entspannend, weil man sich getrost weglegen konnte und Schlaf nachholen, weil man ohnehin nichts verpasst. So etwa 5einhalb von 6 Stunden fahren Sie nämlich an der Dasht-e Kavir entlang, eine der beiden großen Wüsten des Iran und das ist dann doch eher, naja, eintönig. Aber sehen Sie doch selbst und glauben Sie bitte nicht, dass am Ende doch noch ein Gag kommt.



Yazd selbst liegt auch in der Wüste und das merken Sie spätestens dann, wenn Sie den Zug verlassen, weil es noch ein bißchen heißer und noch trockener ist, als Sie das bislang kannten. Was Sie als zweites merken ist, dass der "Man-fällt-nicht-weiter-auf"-Nimbus futsch ist und man sowohl mich als auch Mo umgehend als Touristen erkennt. Die Klamotten, die diese Yazdis tragen, die gibt es bei uns gar nicht zu kaufen.



Dann fällt auf, dass die Tschador-Quote exorbitant angestiegen ist. Von Teheran mit geschätzt 5% bis Yazd mit geschätzt 95%. Will heißen: Eine deutlich konservativere Stadt. Heißt auch: Diejenigen, die eine Satellitenschüssel auf das Dach gestellt haben und damit Zugang zu BBC Farsi haben, ist enorm gesunken und spätestens jetzt wären wir bei iranischen Medien. Die nämlich zeigen entweder arabische Mullahgesänge (sehr zum Missfallen sehr vieler Iraner: Wenn schon Rotz, dann auf Farsi, damit man es versteht) oder Propaganda. Man kann das schon nicht mal mehr Desinformation nennen, das ist Nichtinformation.



Entsprechend "informierte" Menschen lernen Sie dann kennen. Da gibt es allen Ernstes Leute, denen nicht auszureden ist, dass bei der Geburt des Propheten Mohammed das Schwarze Meer bis Yazd gegangen sein soll, ganz egal, dass da zwei riesige Gebirge dazwischen stehen und eine riesige Entfernung noch dazu. Oder der Typ, der eigentlich eher die Upperclass repräsentierte und nicht ganz blöde oder realitätsfremd war, aber trotzdem steif und fest behauptete, Drogensuchhunde seien selbst süchtig gespritzt worden, sonst würden sie doch nix finden.



Yazd ist aber auch so eine Art Hauptstadt der Zoroastrier. Zahrathustra. Kennen Sie sicher. Nietzsche und so. Oder Strauss. Hier lebt eine verhältnismäßig große Gemeinde und hat hier ihre Feuertempel. Eins der Feuer brennt angeblich ununterbrochen schon seit 2500 Jahren. Heißt es.



Eine sehr iranische Religion. Der Zoroastrismus ist eigentlich ganz sympathisch und deshalb zeige ich Ihnen jetzt mal einen Faravahar.



Faravahars sind allgegenwärtig und ständig zu sehen. Ein Faravahar ist DAS Symbol des Zoroastrismus und symbolisiert den Glauben überhaupt: Kein Anfang, kein Ende, ein ewiger Kampf zwischen Gut und Böse, versuche aber gut zu denken, gut zu reden und gut zu handeln. Damit könnte ich mich wirklich anfreunden.



Viele Iraner flüchten wieder in Richtung Zahrathustra. Am Anfang hielt ich es ja für Folklore, aber dann haben mich viel zu viele drauf angesprochen, gab es zu viele Anhänger um den Hals, Autoaufkleber und Tattoos. Sie meinen es ernst. Sie sagen, dass die Mullahs korrupt sind und haben damit recht. Sie sagen dann, dass den Islam die Araber gebracht haben und haben auch damit recht. Und ich würde nun behaupten wollen: Wenn dieses Mullahregime stürzen sollte -und das wird es über kurz oder eher lang-, dann werden die Iraner ziemlich nationalistisch werden. Patrioten sind sie alle ohnehin.



Neben den Feuertempeln gibt es dann noch alte Begräbnisstätten. Die Zoroastrier bestatten ihre Toten nicht in der Erde (würde die Erde verunreinigen) und verbrennen sie auch nicht (würde die Luft verunreinigen), stattdessen wurde in den "Türmen der Stille" auf dem Berg bestattet und die Überreste den Geiern überlassen. Heute haben sie Betongräber.



Türen wie diese sehen Sie immer wieder im gesamten Iran. Zweierlei Türklopfer. Zweierlei Sounds. Links klopfen Männer, rechts klopfen Frauen. Der Sinn bestand (und besteht) darin, dass die drinnen wissen, welches Geschlecht draußen steht. Je nachdem muss man sich das Kopftuch überziehen oder auch nicht.

Nun zeige ich Ihnen noch schnell einen Badgir.



Sieht etwas seltsam aus, Yazd ist aber voll mit den Dingern. Zwar gibt es das auch andernorts, aber die Yazdis haben es in dieser Disziplin zur Perfektion gebracht. Vermutlich aus einem simplen Grund: Es ist dort schweineheiß. Die Dinger dienen nämlich als Klimaanlage. Oben wird Wind eingefangen und nach unten geleitet. Funktioniert übrigens bestens: Wenn Sie sich drunter stellen, spüren Sie tatsächlich einen kühlen Luftzug. Zumindest solange es etwas windet.



Sehr lustig sind übrigens auch Begegnungen mit Kindern. Sobald die nämlich den Farangi (Ausländer) erblicken, wollen sie ganz cool sein und begrüßen einen dann immer mit "Hi". Sie sollten dann per "Salam" zurückgrüßen, die freuen sich wirklich.



Selbstnatürlich habe ich auch noch ein bißchen verfassungsfeindliche Symbolik mitgebracht. Direkt aus der Moschee. Hakenkreuz plus zwei Mal "Es"....



Etwas sehr iranisches sind auch die Zurkhaneh-ha. "Zur" heißt Kraft, "Khaneh" bedeutet Haus und damit ist auch schon ziemlich klar, was drinnen stattfindet: So eine Art Kraftsport. Wenn man sich das mal etwas länger anschaut, sieht man, wie trainiert die sind, auch wenn sie nicht immer danach aussehen.



Zum Schluss hätte ich noch eine Henna-Mühle für Sie. Da fand ich einfach die Lichtverhältnisse toll.

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