Dienstag, 27. Januar 2009
Rituale



Das ist eine Mutschel, wenn auch ein eher mißlungenes Exemplar. Sie müssen nicht wissen, was eine Mutschel ist, das weiß man eventuell schon 30 Kilometer weiter nicht mehr, auch wenn das Ding schon eine etwas weitere Verbreitung gefunden hat als noch vor einer Dekade, was wiederum absurderweise ausgerechnet an den großen Backfabriken und deren Expansionstrieb liegt.
8 Zacken brauchts, dazu den Ring und obendrauf einen kleinen Turm, der aber in der obigen Mutschel eher eine Ruine ist. Alles Handarbeit und deshalb auch etwas teurer.
Nur einige wenige Wochen gibts das Zeug (so etwa von Dezember bis Januar) und vielleicht ist es genau deshalb etwas besonders geblieben. Über Jahrhundert schon, so sagt man. Genauer: 8 Jahrhunderte.
So lange gibt es angeblich den Mutscheltag und das ist dann der Anlass zu seltsamen Würfelspielen, die sich "langer Entenschiss" oder "Nacktes Luisle" nennen, um die Dinger zu zocken und sich dabei kollektiv zu betrinken.
Aber regionale Bräuche muss man pflegen. Auch und gerade in einer globalisierten Welt.

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es sieht wie ein briochegebäck aus, selber gebacken? mich interessiert auch , welche abbildungen in die mitte des gebäcks gestanzt werden, oder so...

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Es ist aus Weißmehl (wahrscheinlich Weizen, Type 405), Hefeteig. Selbst gemacht hab ichs nie und ich kenne auch niemanden, der das selbst backt, das wird üblicherweise beim Bäcker gekauft...gibts in allen Größen, das obige ist die "Ein-Mann-Portion" (ca. 15-Zentimeter Durchmesser), gibt es aber auch als Riesending in Familienpizzagröße (da ist es dann reichlich verzierter, der Ring beispielsweise ist dann ein Zopf).
Reingestanzt wird da nichts, eher ein "Turm" aufgesetzt (das ist in obigem Exemplar nicht so ganz gelungen)

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das war jetzt sehr ausführlich, danke! :-)

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Vielleicht ja auch
gegen eine zunehmende Vereinheitlichung?

Denn es birgt auch seine Gefahren. Mir fiel etwa seit den achtziger, neunziger Jahren auf, daß sogar im zentralistischen Frankreich langsam wieder zugelassen wurde, was zuvor streng untersagt war, beispielsweise die okzitanische Sprache. Überhaupt erhielten die Regionen mehr Beachtung. Zwar bezog sich das in erster Linie auf Europa, doch dann brach auch noch die Welt über Frankreich herein. Mich beschleicht dabei immer das Gefühl des Zuckerbrots, mit dem von der Global-Peitsche abgelenkt werden soll.

Und auch in Deutschland leben Dialekte und Bräuche (siehe oben) wieder vermehrt auf, seit die Welt zunehmend rundgemacht wird. Was durch das föderale System erleichtert wird und deshalb hier nicht so auffällt. Aber es muß darauf geachtet werden, daß daraus keine besänftigenden, folkloristischen Augenwischereien entstehen. Ich halte regionale Bräuche für wichtig, um damit kulturelle Identitäten zu vertiefen.

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Sie haben Recht, Herr stubenzweig,
und auch wenn ich nicht der große Frankreich-Experte bin, kann ich doch feststellen, dass auch der stark zentralistische französische Staat es nicht geschafft hat, einigen Völkchen seine Eigenarten zu nehmen: Nicht den Korsen, den Bretonen schon gar nicht, die Südfranzosen sollen auch nicht ganz stromlinienförmig sein und einige Basken gar Separationsträume hegen. Und die Elsässer sind sowieso etwas speziell.

Als alter Dialektiker, der versucht, das Fähnchen hochzuhalten: Ich mag mich irren, aber ich würde eher die Abnahme an Dialekten (oder wenigstens ein Verwischen mit der Hochsprache) konstatieren. Einerseits vielleicht tatsächlich mit durch Wanderbewegungen und Zuzüge aus anderen Bundesländern, aber auch der Nachwuchs an sich beherrscht den Dialekt nicht mehr so, wie ich das tue und ich nicht, wie meine Großmutter das tat. Und selbst wenn Sprache natürlich einer steten Wandlung unterworfen ist: Es gehen dialektische Worte verloren und die werden (meiner Ansicht nach: Leider) ersetzt durch die Hochsprache. Und das innerhalb weniger Generationen.
Beispiel? Meine Großmutter noch ging "Bräschdleng brogga", ich hingegen nutze das Wort "Bräschdleng" nicht regelmäßig, sondern spreche manchmal auch von Erdbeeren, die ich aber nicht "brogga" würde, sondern pflücken. Nach mir ist das schon so gut wie unbekannt. Und selbst das wunderbare Wort "Gsälz" (=Gesalzenes), das wie kein anderes für dialektische Absurditäten steht und das ich noch hochhalte wird mittlerweile doch tatsächlich durch "Marmelade" ersetzt.

Ich will Ihnen abschließend noch gerne Recht geben: Gebräuche ja, aber bitte keine Folklore. Reicht ja schon, dass Marianne und Michael als "Volksmusikkünstler" durchgehen und die halbe Welt denkt, in Bayern trage man tagein, tagaus Lederhosen und jodle jeden Abend, nicht?

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Ich sehe durchaus
eine verstärkte Zuwendung hin zu Dialekten et cetera. Statt Kirche Volkshochschule? Und darin liegt möglicherweise die von mir erwähnte Gefahr – daß es an der Oberfläche bleibt und sich am Ende verschleift. Und damit meine ich nichtmal die sogenannten Volks(musik)künstler. Die einschlägig bekannten sind ohnehin nur Abziehbilder.

Die zentralistischen Kräfte gegen die regionalen Elemente waren in Frankreich sehr ausgeprägt. Der Widerstand war enorm. Doch nun wird das alles nicht nur zugelassen, sondern teilweise sogar gefördert. Das bringt mich alten Skeptiker eben ins Grübeln, da ich an Einsichten zweifle. Ich rieche da überall ein Sedativum. Aber vielleicht leide ich unter Verfolgungswahn.

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Ich würde mich außerordentlich freuen, wenn Sie recht behielten...wirklich....also ich bin dabei....

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Da man darum spielt und sich betrinkt, vermute ich, dass es eher herzhaft oder salzig schmeckt, jedenfalls nicht süß oder täusche ich mich da?

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Ja, in der Tat nicht süß, passt aber trotzdem zum Kaffee....es soll angeblich süße Exemplare geben (mit Zuckerguss), aber die hab ich ehrlich gesagt noch nie gesehen...

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Ich stelle fest: Ich weiß nicht, was eine Mutschel ist. ;)

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....wenn Sie wüssten, dass ich die Dinger neulich in einer Universitätsstadt entdeckt habe, die sich ja sonst den Gebräuchen benachbarter Städte eher verschließt (sei es die Mutschelei östlich, sei es die Fasnet westlich)...aber vermutlich hielt man es dort für eine Sortimentserweiterung....

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Sie haben leider nicht erzählt, weshalb dieser Mutscheltag gefeiert wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Tag ausschliesslich als ein Feiertag für seltsame Würfelspiel erfunden wurde. Gibt es da einen historischen oder religiösen Anlass?

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Da fragen Sie mich aber Sachen....angeblich gibt es das schon beinahe 800 Jahre und die Herkunft ist nicht ganz genau geklärt (angeblich hieß ein Bäcker "Mutschler", in einer anderen Theorie heißt es, es würden die 8 Zünfte gefeiert (daher auch die 8 Zacken und der Turm obendruff ist die "Achel" <--was die "Achel" ist, dürfte Frau mama wissen....;-)....(der "Hausberg" mitsamt Ruine obendruff))).
Letztlich weiß mans nicht genau....

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Diese regionalen Gebäcksorten sollte man wirklich nicht untergehen lassen. Aber wegen der Arbeitsplatz-Wanderungsbewegung sind auch die hiesigen Spezialitäten wie Kratzkuchen, Neujahrspuppen, Totenweck und Schulbrezel kaum mehr bekannt. Nur noch unser handwerklich arbeitender Bäcker gegenüber macht sie zu ihrer traditionellen Zeit - solange noch Kunden danach fragen.
"Guats Mehl" wird zur Mutschel genommen - obwohl heute natürlich jeder weiß, dass nicht das hochausgemahlene Mehl das gesündeste ist. Aber in früheren Zeiten waren solche Feingebäcke eben was ganz besonderes.

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Ich merke: Sie kennen sich da wesentlich besser aus als ich....
Aber immerhin sind die Wanderbewegungen auch dafür verantwortlich, dass die Brezel mittlerweile bundesweite Verbreitung gefunden hat. Ich meine mich noch an Zeiten zu erinnern, da dies nicht so flächendeckend der Fall war...

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Das trifft auf die Laugenbrezel inzwischen zu - aber so gut wie bei der Oma ist sie hier nirgends, denn sie muss dünne Ärmchen und einen dicken Bauch haben.

Süße Brezeln gab es allerdings auch im Norden und in der Mitte schon immer. Die Schulbrezel hier ist groß und süß!

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Sie reden mir aus der Seele: Knackige, aber nicht zu knackige Ärmchen und einen dicken Bauch mit wenig Salz....nicht wie diese bayrischen Pseudomöchtegernteile mit den verfetteten Ärmchen und dem Laugemangel...

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ich weiß, ich weiß
was eine Mutschel ist. Und wie man sie isst. Und dass einem nachher ganz schön schlecht sein kann.
Wenn es in der Unistadt schon welche gibt, wird sie es auch über den Main hier ins Rheinland schaffen. Der Brezel ist es auch gelungen. Bei chicen events gibt es sogar Butterbrezeln.
Derweil sie bei der Aktionärsversammlung beim Daimler halbiert werden.Sag man.

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So eine habe ich kürzlich gegessen, zusammen mit 1/8 Glas Rotwein. Mehr war nicht drin, weil ich fahren mußte.
Vom Namen her fällt mir noch das Mutschelmehl meiner Oma ein, zu dem ich jedoch Weckmehl sage.

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Weckmehl ist in meinen Breitengraden aber Paniermehl/Semmelbrösel....ist das dasselbe?

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ein Wort, zwei Bedeutungen

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