Freitag, 23. Mai 2014
Delhi
Indien. Vielleicht fang ich einfach mal so an: Es war nicht das erste Mal, dass ich verreist bin und auch nicht das erste Mal in ein Land, das nicht unbedingt mit dem hiesigen vergleichbar ist. Von daher hielt ich mich für einigermaßen gewappnet. Aber irgendwie kriegt man nach spätestens drei Stunden in Indien dann doch den leisen Verdacht, dass einen nichts, aber wirklich überhaupt gar nichts auf Indien vorbereiten kann.



Oder besser gesagt: Nicht auf Delhi vorbereiten kann. Oder noch detaillierter: Auf Paharganj.



Es ist ein Frontalangriff auf alle Sinne und zwar einer von der brutalen Sorte. Ein zuviel an allem: Gerüche, Farben, Lärm, alles. Eine konstante Lärmkulisse rund um die Uhr, etwa 10 Streits täglich mit Indern um ein paar Rupien und das alles inmitten des Querschnitts des Geruchs Indiens nach Abgasen, Bidis (indische Zigaretten), billigen Currygerichten und Pisse.



Delhi ist ein Moloch. Zuviele Menschen, zuviel Verkehr, zuviel Dreck, zu viel alles. Und Paharganj ist der Teil von Delhi, der da noch ein bißchen mehr heraussticht. Sagen wir es mal so: Paharganj ist mehr oder weniger ein Slum. Selbst für indische Verhältnisse geht es hier noch etwas brutaler und rücksichtsloser zu und das will was heißen. Die Drogenszene ist ziemlich offen erkennbar und es wäre mir leicht gefallen, an alle möglichen Drogen zu kommen, mit Ausnahme von Alkohol, das ist schon etwas schwieriger.



Alkohol ist konspirativ und in Liquor Stores erhältlich. Wenn Sie in Paharganj in den Liquor Store gehen, dann werden Sie erstmal blöd angeschaut, weil Sie erstens der einzige Nichtinder in dem Laden sind, der sich zweitens auch noch gegen die Indermeute ellbogentechnisch durchgesetzt hat und drittens nur Bier kaufen will und nicht wie die anderen Kombattanten drumrum ausschließlich Schnaps.



Wenn Sie also mal so richtig kulturschocken wollen, dann fliegen Sie nach Indien und setzen sich ein paar Tage nach Paharganj. Danach kann und wird es nur noch besser werden. Aber so zum Abhärten ist das genau richtig.



Und so haben Sie schon recht schnell gelernt, im Hotel nochmal schnell tief Luft zu holen, eine dicke Schwade Klimaanlagenluft zu inhalieren, ehe es dann raus geht in die Hitze, den Gestank und den Wust all derer, die den bleichen Europäer attackieren werden.



Raus ins Verkehrsgewusel. In Paharganj gibt es so etwas wie Bürgersteige nicht oder sie werden belagert von drogensüchtigen Taubstummen oder jämmerlichen Gestalten. In jedem Fall wollen Sie da nicht laufen, weshalb Sie automatisch Teil des Verkehrsgeschehens werden und das wiederum heißt, dass Sie sich nun gemeinsam mit den anderen Verkehrsteilnehmern die Straße teilen und das sind Autos, Busse, Lastwagen, Autorikschas, Fahrradrikschas, Fahrräder, Hunde, Ziegen, Kühe, Pferde, Mulis, Kamele, Schweine und die selbst gezimmerten Karren der Kulis.



Ich war ja mal rein interessemässig bei McDonalds. Einfach weil ich mal wissen wollte, was es da so gibt in einem Land, in dem so eine Kuh einen Status hat, wie hier die Schoßhündchen von blondierten Püppchen mit Jogginghose. Prompt prangte da ein Schild: No beef, no boeuf. Damit wollten sie -wie aus den Untertiteln ersichtlich- sagen, dass es hier weder Rind noch Schwein gibt. Ja, während Sie dann noch drüber nachdenken, was die wohl auf den Burger schmeißen, fällt Ihnen schlagartig ein, dass Sie in ganz Delhi auch nach drei Tagen keine einzige Katze gesehen haben -und Sie haben allerlei Getier gesehen- und das ist dann der Punkt an dem Sie derartige Überlegungen doch besser sein lassen.



Es gibt aber auch das andere Delhi. Das Delhi der Moguln und der Bauwerke, die diese hinterließen. Moguln klingt für mich schön, weil das persisch inspiriert war und man sich deshalb phasenweise wie im Iran fühlt. Erst recht, wenn man etwas darauf achtet und sprachliche wie architektonische Parallelen bestehen. Das wiederum versöhnt dann wieder mit Delhi. Selbst mit Paharganj.







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