Montag, 8. Oktober 2012
Kashan
Kashan liegt so auf halbem Weg zwischen Esfahan und Teheran und ist bekannt für kadscharische Herrschaftshäuser, einen uralten Garten und seine Teppiche.



Teppich ist nun mal ein Stichwort, weil Teppiche was wirklich originär iranisches sind und die in aller Regel auf dem Basar gehandelt werden. Dort haben sie mittlerweile ein Problem, weil sie ihre Teppiche nicht mehr loskriegen und das liegt vor allem an einem ganz immensen Imageproblem: Die Teppichbazaris haben sich nämlich mit dem Teufel eingelassen und das sind in dem Fall die Chinesen und die haben ihnen erst perfekt gefälschte Teppiche verkauft, die wiederum von den Bazaris als Originale weiterverkauft wurden und nun räumen die Chinesen gleich richtig den Markt auf und dumpen das gleich nochmal. Für die Bazaris ist das wirklich gefährlich und damit ist es das auch für das Regime, aber weshalb, da müssen Sie schon weiterlesen.



Aber mal zum Gartenbau. Ich geb es ehrlich zu: Ich hab es damit nicht so. Mir ist nur mein Feigenbaum heilig und das hat eher persönliche Gründe als die Liebe zu Pflanzen. Vielleicht ist daher meine Bewunderung für den iranischen Gartenbau eine ungleich andere. Immerhin ist das Klima doch sehr heiß, Wasser weit nicht so verfügbar wie hier und karg ist die Erde auch noch. Insgesamt widrige Bedingungen.

Aber die Iraner machen trotzdem was draus und Sie werden nun die Bilder eines Gartens sehen:





Bagh-e Fin heißt der Garten. Klar, der Garten wurde immer wieder neu angelegt, aber: Was glauben Sie, wie alt dieser Garten ist? 100 Jahre? 200 Jahre? 500 Jahre? Gar 1000 Jahre? Nö, alles falsch. Man nimmt an, dass der Garten vor etwa 7000 Jahren zum ersten Mal angelegt wurde. Da saßen die braven Germanen noch in ihren sumpfig-feuchten Wäldern und sollten noch 5000 Jahre lang auf die Römer warten.



Wie die Iraner das Wasser über zig Quellen und zig Kanäle über lange Wege dorthin transportieren und das in einem Land, in dem nur sehr wenige Flüsse ganzjährig Wasser führen, ist vermutlich eine eigene Doktorarbeit wert. Wie sie es schaffen, das so großzügig zu verteilen und dann alles zum Sprießen zu bekommen wohl auch.



Solche Gärten sind wirklich im Wortsinne Paradiese, weil sie entstehen, wo rundherum wirklich alles karg und öde ist. Aber auch im Paradies geschehen schreckliche Dinge, das wissen Sie seit Kain und Abel. Im Paradies Bagh-e Fin beispielsweise wurde Amir Kabir ermordet, der bis heute über alle Verwerfungen hinweg höchstes Ansehen genießt im Iran.



Wir müssen uns nun aber auch mal einem sehr ernsten Thema zuwenden und vielleicht interessiert Sie das auch hoffentlich einigermaßen brennend: Die Politik heutzutage. Darüber redet man im Iran nicht offen, beziehungsweise verhält man sich distanziert gegenüber Leuten, die man nicht kennt und diskutiert das alles allenfalls in der Familie. Ich traf ja ein paar von Mo's Cousins, die auch im Iran leben und dazu muss man sagen, dass Mo's Familie generell oppositionell eingestellt ist und einige durchaus dem Schah nachtrauern. Die Cousins von Mo waren mal in der Grünen Bewegung aktiv, damals vor drei Jahren.



Seither sind sie irgendwie desillusioniert. Und irgendwie auch lethargisch. Paralysiert. Sie wissen, dass sich was ändern muss und sie mögen es auch überhaupt nicht, dass ihnen das Regime alles blockiert, was halbwegs Spaß macht, von Beck's bis Youtube (Internet ist unendlich langsam und es ist alles geblockt von Youtube bis Facebook, die Iraner umgehen das trotzdem), aber sie verweisen eben auch darauf, dass das Regime brutaler ist als sie und sie genau wahrnähmen, was grade in Syrien passiert. Ihre Grüne Bewegung wurde schlicht niedergeschossen. Von außen wollen sie auch nix haben, iranische Angelegenheiten müssen Iraner klären. Sagen wir es mal so: Es ist mächtig kompliziert.



Aber der Verfall der Währung hat auch Folgen. Als ich abflog waren es ja noch 29500:1, am Montag waren es 40000:1, Dienstag 45000:1. Am Mittwoch machten dann die Bazaris ihre Läden dicht, was ziemlich gefährlich ist für das Regime, weil die Bazaris traditionell konservativ sind und eher dem Regime anhängen. Und dann machten wiederum die Basij die Wexxelstuben dicht. Genau da, wo ich noch vor ein paar Wochen gewohnt habe und entlanggelaufen bin. Das sah dann auf einmal etwas anders aus, am und südlich des Ferdowsi-Platz.

Teheran letzten Mittwoch:



"Marg bar diktator" entstammt der Grünen Bewegung und man wünscht dem Diktatoren den Tod. Danach schreien sie, dass man Syrien sich selbst überlassen solle und es um den Iran ginge (und meinen damit die Hilfen für das Assad-Regime). Es gab auch Steine, brennende Mülleimer, Verhaftungen und Schlägereien mit der Polizei.



Wie Sie sicher bemerkt haben, springe ich grade lustig hin und her zwischen lustigen Gartenthemen und knallharter Realität. Das ist eben, was Sie erleben, wenn Sie im Iran sind: Unendlich schöne Dinge und Erlebnisse und mit einem Schlag steht dann da so ein Arschloch-Basij.



Wie bei unserer Zugfahrt. Ich, Mo, 3 Durchschnittsiraner und ein ehrenamtlicher Basij. Diese sind immer eher sehr zurückhaltend, beobachten eher und daher verzog sich der Basij gleich nach oben in die zweite Etage. Iraner reden ja immer und ständig miteinander. Permanent. Hier auch. Irgendwann mal merkte ich, dass es etwas hitziger wurde und der Basij runterglotzte und alles was ich in meinem Rudimentär-Farsi begriffen habe, war, dass es um "Zug" und "spät" ging. Der Zug hatte 2 Stunden Verspätung.



Mo sagte dann, dass der eine Mitpassagier fragte, weshalb der Zug so viel zu spät ist. Die Antwort von Mo war: "Weil in diesem Land nichts, überhaupt nichts, funktioniert". Da schaute der Basij dann entgeistert und ging raus zwecks Berichterstattung. Ich fand zwar, dass die Iraner das ohnehin wissen, weil sie da leben und das gar nicht nötig gewesen ist, aber Mo bestand darauf, dass es einen Mutigen braucht, der das auch ausspricht, während er gleichzeitig fand, dass ein paar "Codewords" (Chamenei, Khomeini, Israel, West, USA, Mossad etc.) doch jetzt besser unterbleiben sollten. Er hatte Schiß bekommen, die anderen und ich auch. Ein Klima der Angst, nichts anderes. Keine Ahnung, was der Basij berichtet hat, aber sie ließen uns alle unkontrolliert aus dem abgeschlossenen Zug, der sich nur von außen öffnen lässt. So funktioniert Diktatur.



Aber noch mehr Sprünge und jetzt sind wir bei den Kadscharenhäusern. Die Kadscharen waren eine eigene Dynastie und eher nicht so arg angesehen, weil das eher so eine Zeit des Niedergangs Irans war, aber hallo, großartige Häuser haben sie trotzdem gebaut. Die kann man heute besichtigen.



Vielleicht bringe ich Ihnen nun einfach etwas Farsi bei, und das als jemand, der allenfalls die Höflichkeitsfloskeln beherrscht, aber wir machen das jetzt trotzdem.



Sie sahen nun grade eben das Khaneh Ameri-ha. Khaneh bedeutet Haus, Ameri ist der Familienname und bei den Iranern bezieht sich der Familienname auch immer auf den Ort, woraus die Familie entstammt -die Arakis stammen aus Arak, die Teheranis aus Teheran usw., die Ameris demnach also aus Amer- und das -ha ist der Plural.



In dem Fall heißt Khaneh Ameri-ha schlicht: Haus der Ameris. Geht doch oder? Khaneh Borudjerdi-ha? Haus der Borudjerdis. Masjed-e Imam? Moschee des Imam. Sehense? So schwer ist Farsi gar nicht. Und so könnten wir weitermachen. Tun wir aber nicht. Wir schauen uns jetzt noch mal schnell das Khaneh Borudjerdi-ha an.



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