Dienstag, 9. September 2014
Querbeet alles
Îch war ne Weile nicht hier. Schade eigentlich. Das liegt ein bißchen an der Arbeit, ein bißchen an der Verreiserei und dem Urlaub und ziemlich viel an der Fußballweltmeisterschaft. Ich weiß, die ist erfolgreich beendet. Ich hatte mir für dieses Mal aber vorgenommen, mir alle Spiele anzuschauen, die nur möglich sind anzuschauen. Ich habs geschafft. Am Ende waren es 56 von 64 Spielen von vorne bis hinten, die restlichen 8 als Zusammenfassung und es war wirklich nicht immer schön. Ein nächtliches 0-0 zwischen Nigeria und Iran mit nullkommanull Torszenen ist schon sehr, sehr mäßig, selbst als notorischer Iransympathisant. Ein deutsches 7-1 im Halbfinale gegen Brasilien ist dagegen einzigartig. Ich habe nie zuvor eine bessere Halbzeit einer deutschen Mannschaft jemals nieauchnieirgendüberhauptnicht überniemals je gesehen.



Ja. Und jetzt habe ich mir wieder mal was vorgenommen. Ich will nicht weniger als den längsten Beitrag schreiben, den es hier bei mir je gab. Ich probiere es einfach mal und lasse einfach alles raus mitsamt zig Fotos queerbeet, bis das Scrollrädchen an Ihrer Maus rotläuft.



Ehrlich gesagt: Ich habe das noch nie versucht und habe noch keinen blassen Schimmer, wie das am Ende aussehen wird. Ich mach jetzt einfach mal etwas, das ich hier noch nie gemacht hab: Ungefiltert alles, was hier grade aktuell ist, ganz ohne innere Zensur. Ich schreib denn mal los. Mal schauen, was dabei rauskommt.



Vielleicht fangen wir einfach mal in Jaipur an. Das ist die Stadt, in der mich die Inder am meisten überrascht haben. Weil ich ein TukTuk bestieg und der Fahrer zu mir sagte, dass ich heute sein erster Kunde sei und ich den Preis zu bestimmen hätte, das brächte ihm Glück für den Tag. Der hätte tatsächlich auch 10 Rupien akzeptiert.



Jaipur ist aber auch die Stadt, in der ich wirklich darüber nachgedacht habe, wie lange mein Glück eigentlich halten mag. Wo ich seit zig Jahren umherreise und mir nie etwas passiert ist. Dieses Mal ist etwas passiert: Bus überholt Traktor, es quietscht, ich sehe den Traktor links kurz abheben und dann rumst der Bus in diese Betonabsperrung. Wumm. Und hinten links hofft man, dass auf dem Traktor wirklich nur einer gesessen ist. Was dann kommt, das ist Konfliktlösung auf Indisch: Unter Beteiligung sämtlicher männlicher Buspassagiere und aller anwesenden Dorfbewohner wird diskutiert, dann der Busfahrer vom Traktorfahrer abgeführt und wie ich noch überlege, ob das nun bedenklich wird, telefonieren sie wie wild, bringen dann den Busfahrer wieder zurück und wahrscheinlich ist viel Geld geflossen. Der Bus sah mächtig lädiert aus mitsamt nicht mehr vorhandener Front und einem riesigen Loch an der Seite, aber fahren ging noch, ist ja Indien.



Nach Jaipur fährt man wegen der hübschen Altstadt, der Pink City. Ich hatte mir das ja tatsächlich ganz in pink vorgestellt, aber in Wirklichkeit ist das allermeiste eher orange. Vielleicht mag es am Wetter liegen oder den Abgasen. Keine Ahnung. Orange.....



...und da sind wir dann bei einer ganz tollen Überleitung: Holland!

Okay, so toll war die Überleitung nun auch nicht und sonderlich tiefsinnig auch nicht, aber ich war mal eben in Holland. Das ist nun nicht das ganz große Abenteuer wie Indien oder andere Länder und der größte Nervenkitzel besteht dann auch darin, wenige Gramm Marihuana über ohnehin unbewachte Grenzen zu bringen. Und die Niederlande standen auch wirklich lange nicht zur Wegfahrdisposition. Eigentlich erst dann als das Land im Halbfinale ausgeschieden ist. Für den Fall, dass Holland je Weltmeister werden würde: Ich würde nie im Leben mit einem deutschen Kennzeichen dort hinfahren.



Dabei habe ich ehrlich überhaupt nichts gegen Holland. Auch nicht gegen Holländer. Sympathisches Land mit sympathischen Menschen. Okay, mir etwas zu flach, aber das mag auch an mir liegen, der ich die sanften Hügel hier liebe. Ich mag Land, ich mag Leute, aber wenn es um Fußball geht, dann hat das für 90 oder auch 120 Minuten zu pausieren. Ich bin da Rijkaard-und-Koeman-sozialisiert, Fußballfragen diesbezüglich werden gerne in den Kommentaren beantwortet. Aber ansonsten liebe ich die Windmühlen, die Toleranz inmitten des Calvinismus, überhaupt sind die Holländer sehr erfreulich international, also ich mag sie wirklich. Weniger mag ich Frikandeln, aber das ist halt irgendwie nicht meins, dafür können sie Blumen und Gräser und zwar richtig. Nicht umsonst kam es ausgerechnet dort zur großen Tulpenbaisse, der ersten Spekulationsblase des Kapitalismus. Über die Gräser habn wir schon gesprochen.



Wenn wir aber über Holland reden, dann müssen wir jetzt auch mal über MH17 reden. Sehen Sie.....wir wissen, worüber wir reden. Ein paar Wochen davor bin ich auch genau da drüber geflogen mit genau der Flugnummer, die dann auch nur 20 Kilometer weiter war. Glück haben. Und auf einmal wird das alles präsent, wie ich vor einem mittlerweile geschlossenen Blumenladen in Volendam stand und kurz darüber sinnierte, dass Blumen eigentlich ins Geschäft gehören und nicht davor....sie hieß übrigens Neeltje und wollte Urlaub in Indonesien machen.



Hoppla. Island.



Wir machen jetzt trotzdem mal einen ganz harten Break, ganz ohne Überleitung und landen mal schnell in Island zwischen. Dort haben sie ganze andere Probleme. Nachdem sie mal eben den gepflegten Staatsbankrott refinanziert haben, widmet man sich dort der Frage, wie man Wasser kaltkriegt. Bei uns gehts eher um die Frage, wie man Wasser heiß kriegt.



......dort leiten sie das Wasser über 100 Kilometer nach Reykjavik, unterwegs kriegen Sie das für umme für Ihren ganz persönlichen Hotspot, danach werden die hauptstädtischen Haushalte erwärmt und danach die Bürgersteige im Winter und der Rest, der landet im Meer, was Reykjavik einen sommerlichen Badestrand ermöglicht.






Diese tollkühnen Helden der Lüfte Untiefe....



....das sind Papageitaucher....Wunderbare Tiere und überaus menschlich. Sie sollten mal so eine Kolonie Papageitaucher beobachten. Das ist echt lustig. Ich hab das gemacht und man kann echt nicht genug kriegen. Diese Viecher sind ja eigentlich Vögel und die sollten bis auf einige Ausnahmen ja fliegen können. Die Papageitaucher sind die Ausnahme. Die stellen sich beim Fliegen an wie Schimpansen drei Tage nach der Geburt beim aufrechten Gang. Da ist wirklich alles dabei: Mißglückte Landeanflüge, Landungen auf kreischenden Artgenossen, Beinhaheabstürze und der Start von der Klippe sieht wirklich suizidal aus.

Wenn die Viecher aber mal im Wasser sind, dann sind sie wahre Champions: Tauchen ziemlich schnell dutzende Meter tief und fangen dabei zig Fische.



Noch was positives über Island: Sie betreiben eine sehr nachhaltige Fischerei und das ist der beste Grund, nicht in der EU zu landen, wie sie mal vor hatten. Okay, irgendeinen Scheiß machen auch die Isländer und damit sind wir beim Walfang. Der läuft auch unter Nachhaltig.



In Island habe ich Wal gegessen. Ich versehentliche Umweltsau. Die ganzen Riesenfamilienpackungen Rind- und Lammfleisch kamen nicht in Frage, weil ich keine zweieinhalb Kilo Fleisch brauche um satt zu werden und der Mietwagen auch keine Tiefkühltruhe an Bord hatte. Daher griff ich nach "Hrevnusteik". Mein Isländisch ist eben schlecht. Sah aus wie Rind, schmeckte wie Rind. Gemerkt habe ich es erst eine Woche später als das Zeug angeboten wurde mit dem Hinweis, man möge doch mal Wal probieren. Papageitaucher und Pferdefohlen habe ich aber sein lassen.





Ja, mittendrin zwischen all die Islandfotos überlege ich mir jetzt mal, wohin ich das nächste Mal verreise. Weil: Das lässt nicht nach. Wenn man mal damit angefangen hat, dann will man immer weiter und ich wollte ja eigentlich schon eine ganze Weile mal in die Ukraine. Nein, ich bin kein Katastrophentourist, ich habe da schon lange was auf dem Schirm und das muss demnäxxt wirklich mal sein. Spätestens dann, wenn sich die russische Armee nicht mehr dorthin verirrt oder dort mit ihren Panzern Urlaub macht.

Lauter Verrückte. Wie der Blatter von der Fifa. Der ist zwar längst im Rentenalter, will aber ums verrecken nochmal ran, weil es ja schließlich um die WM in Katar geht, die er mitverbrochen hat und die 2022 stattfinden soll und bis dahin ist der Mann 86 Jahre alt.





Fazit: Island? Gehnse hin. Ich kenne niemanden, der davon nicht begeistert war.





Zwischendurch habe ich mal ein Foto von hier eingeschmuggelt. Weil ich mal wieder Lust habe etwas zu machen, das ich das letzte Mal vor 10 Jahren gemacht habe: Schnaps. Der Quittenbaum musste dem Wohnzimmer weichen, der Zwetschgenbaum der Zufahrt, aber es gibt noch den Birnbaum. Der hat Bestandsschutz weil daran meine Hängematte hängt (wobei: Birnenholz, uralt und ein bolzgerader Stamm mindestens zwei Meter hoch ohne Äste, einmeterfünfzig Durchmesser.....). Die Birnen haben mich bisher nicht sonderlich interessiert. Das sind Mostbirnen, zum Verzehr komplett ungeeignet. Ich hab sie bisher verschenkt. Bisher hat die Generation vor mir daraus gemacht, was in dieser Generation fester Bestandteil des abendlichen Vespers ist: Most. Aber mit 120 Liter Most im Keller kann ich nichts anfangen. Mehr als zwei Liter pro Jahr bräuchte ich nicht.



Gut, Schnaps bräuchte ich auch keinen, ich hab noch die Hälfte vom letzten Mal von vor zehn Jahren. 8 Liter hochprozentig und unverdünnt, so grob 60 Umdrehungen. Ich mach das eher des Events wegen und das ist einfach großartig und geht so: Sie schließen sich mit 2 oder 3 anderen zusammen, melden den Brand ganz ordnungsgemäß beim Zoll an und an einem kalten Samstagmorgen um 7 geht es dann los. Erstmal eine Stunde anfeuern. Kurz vor 8 kommt dann der Nachbar mit Butterbrezeln und Bier und dann haben Sie ab 8 Uhr ganz exakt zwei Stunden Zeit für Ihren Brand. Schreibt der Zoll so vor und kommt durchaus auch schon mal zur Kontrolle vorbei. Dann zwei Stunden der nächste Brand undsoweiter.

Und zwischendurch haben Sie allerlei Zeit, das Zeugs direkt zu probieren und zu planen, wie man den eigenen Brand ein klein wenig hochpusht (es sind 120 Liter Maische, aber der Kessel fasst 140 Liter) oder auch einen Brand mal unangemeldet "dazwischenschiebt" (aus 4 Brände á 2 Stunden mach 5 á 1,5). Und gegen 17 Uhr spätestens sind Sie dann endgültig durch. Kann man alle 10 Jahre mal machen....

Wenn Sie möchten, können wir auch ein kleines Ratespiel einfügen. Wo wurde denn das folgende Foto aufgenommen?



Es wird Zeit, mal über Belgien zu reden. Wenn man die Belgier fragt, gibt es Belgien gar nicht so richtig, naja, Belgien vielleicht schon, aber keine Belgier. Der Minimalkonsens auf den die sich einigen können, besteht vermutlich in Fußball, Pommes, Bier und Pralinen.



Dabei ist das irgendwie auch Klagen auf ziemlich hohem Niveau: Ein Land, das auch dann noch super funktioniert, wenn es mal zwei Jahre lang keine ordentliche Regierung hat, das kann nur ein glückliches Land sein. So eine Art anarchistisches Modell. Hierzulande sind wir sogar noch einen Schritt weiter: Wenn es mal gelingen sollte, die CSU vollends aus der Regierung zu kegeln, haben wir den belgischen Nichtregierungszustand quasi gar mit einer gewählten Regierung erreicht, zumindest gefühlt.



Aber zurück zu Belgien: Ich bin neuerdings ein riesengroßer Fan von Belgien. Einerseits wegen der Pommes Fritten. Die wollen die Belgier erfunden haben und man glaubt es ihnen sofort unbenommen. Die Dinger sind das Brot Belgiens und vermutlich gibt es außer Belgien kein Land auf diesem Planeten, in dem Fritten und wirklich nur Fritten zu den Muscheln in Weißweinsauce serviert werden anstatt von Weißbrot und das flächendeckend überall.



Dann gibt es noch das belgische Bier. Die vielen Biere. Ein Paradies.



Und dann die belgischen Städte. Die sind zumindest in Flandern immer traumhaft schön. Richtig schöne Altstädte mit schönen Plätzen und prächtigen Bauten aus der Gotik oder der Renaissance. Häufig stellt man sich so Italien vor, wird in Italien dann aber manchmal ziemlich enttäuscht. Nicht in Belgien. Antwerpen, Brüssel, Gent, Brügge, Leuven....egal wo Sie hinfahren: Immer schöne Altstädte.



Wir schwenken nun wieder nach Jaipur oder besser gleich wieder weg davon, weil Sie Jaipur im Wesentlichen nach drei Tagen gesehen haben. Und wenn Sie dann etwas Zeit über haben, dann fahren Sie mal kurz nach Pushkar. Weil das nicht soooo weit weg ist und mir das irgendwoher bekannt vorkam. Nett dort, vor allem weil ich endlich mal aus diesen Großstädten rauskam. Andererseits sitzt man in einer Hippiestadt mit Prohibition auf Alkohol, Eier und Fleisch und das gemeinsam mit Leuten, die so hippiemäßig ein wenig aus der Zeit gefallen scheinen und hier ihren Yogi suchen. Egal. Wenn Sie mal dort sein sollten: Ich sag Ihnen, wo Sie schlafen sollten.







Irgendwann ging es dann nach Kerala. Ein bißchen Entspannung am Meer, in den Backwaters und in Kochi. Von Jaipur aus geht das in so circa 30 Stunden mit dem Zug oder aber in 4 Stunden Flug mit umsteigen in Mumbai. Letzteres schien angenehmer, war es aber nicht. Wir sind wieder beim Thema Glück und wann das mal aufgebraucht sein könnte.



Landeanflug auf Trivandrum. Der Flieger geht runter und beginnt zu kreisen, immer schön in einer großen Linkskurve. Der Bildschirm vor mir zeigt eine Viertelstunde lang an, dass wir auf 5000 Metern fliegen. Stau kommt nicht infrage, das ist ein totaler Provinzflughafen mit so grob einer Landung die Stunde. Unter uns eine einzige graue Suppe. Wenn dann die Durchsage kommt "cabin crew prepare for landing" und Sie hin und wieder mal geflogen sind, dann wissen Sie, dass das ein ziemlich ungemütlicher Anflug werden wird, weil sich das Kabinenpersonal sonst nicht bereits auf 5000 Metern hinsetzen müsste.



Dann ging es runter und es begann ordentlich zu ruckeln. Etwas mehr als üblich. Bei 1000 Metern die erste mächtige Bö von rechts, der Flieger rumst nach links und dann merken Sie das erste Mal, dass da vorne kein Computer fliegt sondern ganz manuell ein Mensch. Noch etwas weiter tiefer dann die nächste Bö, der Flieger schmiert wieder weg. Ich war dann froh, unter mir endlich die Landebahn zu sehen. Und genau in dem Moment wird der Schubhebel voll umgelegt, die Nase steil nach oben gezogen und der Flieger startet durch. Wieder hoch auf 5000 Meter. Wollen Sie wissen, was in so einem Moment in einem Flugzeug los ist? Nichts. Null. Nada. Totenstille. Nichts außer den Motoren. Wenigstens laufen die und machen Krach. 10 lange Minuten später dann die Durchsage, dass wir es nun von der anderen Seite probieren, was nicht wirklich beruhigt, weil dann die Böen eben nicht mehr von rechts kommen sondern von links und Sie 10 Minuten lang Zeit hatten, sich Gedanken zu machen.



Aber egal: Es hat sich gelohnt. Wegen Kerala. Kerala war der entspannende Teil. Okay, es ist immer noch Indien, aber Kerala ist wirklich schön. Es lohnt sich herzukommen und die Menschen sind sympatisch und entspannt. Nichts aufdringliches, nichts das mich geärgert hätte.



Dabei gibt es in Kerala die bösen Kommunisten. Die regieren nämlich den Landstrich immer wieder mal und wenn grade Wahlkampf ist, dann sieht man dort immer noch Hammer und Sichel. Es war grade Wahlkampf. Die Plakate dort sind lustig: Zuerst denken Sie, dass da immer derselbe schnauzbärtige Kandidat für alle Parteien antritt, ehe Sie dann merken, dass es sich um unterschiedliche Kandidaten handelt, die halt alle den typisch indischen Schnauzer tragen. Das zweite sind dann Parteisymbole: Die einen haben einen Pflug (naja...brauch ich nicht), die anderen eine erhobene Hand (häh?), die näxxten einen Ventilator (joah, für Indien brauchbar, aber eine richtige Klimaanlage ist dann doch besser) und andere haben einen Besen (Putzen? Nee). Mit Abstand am tollsten fand ich den Kandidaten mit dem Fernseher. So einem richtigen alten Röhrenfernseher. Das sah so 80er aus, das fand ich toll, weil ich mich da gleich wieder jung gefühlt habe.



Und enden tun wir jetzt mit Kochi. Das ist ein gutes Ende, war auch ein gutes Ende in Indien. Weil Kochi so entspannt ist. No hustle. Alles locker und entspannt. So sind wir jetzt auch.....

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