Sonntag, 23. November 2014
Halbdackel des Monats
Es ist mal wieder an der Zeit. Es laufen so viele Halbdackel rum, Sie brauchen da nur Nachrichten schauen. Verdient hätten es viele, aber keiner wie der Sergej, der Lawrow. Das ist der russische Außenminister. Gut, sein Chef wäre unter einigen anderen auch ein Kandidat, alleine schon für rhetorische Glanzleistungen wie die Begründung, russische Soldaten hätten sich halt auf ukrainisches Territorium verlaufen und die Jungs mit den Panzern seien grade im Urlaub oder der Spruch, man unterstütze die da in der Ukraine keineswegs, aber eine Niederlage von denen werde man definitiv nicht akzeptieren.

Aber zurück zum Sergej, dem Lawrow. Der regt sich über die westlichen Sanktionen auf. Das darf er natürlich, sind ja schließlich nicht nett. So Sanktionen. Klar, kann man schon verstehen. Er sagt aber dann diesen Satz:

Was das Konzept hinter den Sanktionen betrifft, so zeigt der Westen, dass er nicht Russland zu einer Änderung seiner Politik bewegen will, sondern dass er einen Regimewechsel bewirken will


Das klingt schon ein ganz klein wenig paranoid. Oder aber stehen schon 2 Millionen auf dem Roten Platz und fordern Putins Abgang.
Was dann kommt zeigt viel Unverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge und noch mehr beleidigte Leberwurst: Bei Staaten wie Nordkorea oder dem Iran hätte man die Sanktionen so angelegt, dass deren Wirtschaft da keinen Schaden nehme.

Gut, über intimere Kenntnisse der nordkoreanischen Wirtschaft verfüge ich nicht. Aber ein bißchen was zum Iran kann ich wohl sagen. Dort wirken die Sanktionen durchaus und ziemlich heftig. Spürbar für jeden, selbst für den Touristen, der nur ein paar Wochen da ist: So wurde damals mein Aufenthalt täglich, wirklich täglich, billiger, weil die Währung völlig am absaufen war. Das hat dann zur Folge, dass damals die Zinsen durch die Decke gingen und der arme Hamid-Reza, kleiner Lebensmittelgroßhändler aus Arak, nicht wie ich 2,4% für einen Baukredit bezahlen würde sondern unglaubliche 25%.

Was aber wirklich hart trifft: Der Iran ist -im Gegensatz zu Russland- komplett vom internationalen Währungssystem abgeschnitten und da soll mir dann der Sergej, der Lawrow erzählen, weshalb das keine Auswirkungen auf die Wirtschaft hat.
Konkret heißt das: All das, was Sie sonst so im Urlaub kennen funktioniert nicht. Keine ec-Karte, keine Kreditkarte, Best-Western nicht, Reiseschecks nicht, Überweisungen sowieso nicht. Als Tourist kann man das mit Bargeld lösen, als Unternehmer ist das schon deutlich schwieriger.
Resultat: Mein damaliger Reisepartner Mo etwa hat im Laufe der Jahre alle iranischen Kunden verloren,ganz einfach deshalb, weil der deutsche Zoll jede Schraube kontrolliert und niemand weiß, wie man das Geld vom Iran nach Deutschland kriegt.

Mit dem neuen Präsidenten ist das etwas besser geworden. Da kann man dann schon mal einen Raketenofen in den Iran schicken, auch wenn der Zöllner hyperventiliert, wenn er das Wort auf der Ausfuhrbescheinigung liest. Und dann kommt der Mann mit dem Köfferchen. Wie im Film. Weil das mit den Überweisungen immer noch nicht geht.

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Welcome to the Parallelwelt....
Wie stets in solchen Fällen wird da ein heftiger Propagandakrieg geführt. Das kann dann schon mal dazu führen, dass die Absender solcher Botschaften irgendwann an den von ihnen selbst verzapften Mist glauben. Und jetzt, da auch noch RT deutsch am Werk ist, kommen solche Botschaften auch noch verstärkt aus Deutschland. Und wenn RT deutsch das sendet, dann muss ja doch was dran sein. Oder?

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Der Propagandakrieg wird von beiden Seiten geführt. Der Bullshit, der deutschen Medien trifft auf Bullshit von RT. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte.

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Najaa....mit dem Unterschied, dass der deutsche Bullshit sehr wohl kritisch hinterfragt wird, auch durch die Medien selbst. Das kann man von RT nun nicht behaupten.

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Die Sanktionen sind ja völlig unterschiedlich, das kann man so nicht vergleichen.
Man kann Russlands Wirtschaft nicht einfach abriegeln, denn dann trifft das die EU und besonders Deutschland sehr heftig. Wir beziehen ja nicht nur Gas, sondern auch 40% Stahl aus Russland. Desweiteren ist Deutschland vom Export abhängig und da darf Russland als Kunde nicht wegfallen.
Die Sanktionen treffen also nicht die gesamte Wirtschaft, sondern man hat nur einzelne, einflussreiche Personen bestraft, darunter auch Unternehmer und Bankiers.

Wenn diese Sanktionen den liberalen Flügel der russischen Regierung bestärken, dass man Russland wieder für den amerikanischen/europäischen Markt öffnet, dann könnte man das schon als Regimewechsel bezeichnen.

In den Medien wird immer so getan, als ob Putin der Alleinherrscher ist, aber das er zwischen Nationalisten und Liberalen ein Gleichgewicht halten muss, damit das Land nicht zerfällt, schreibt niemand. (Na gut! Die das schreiben werden ja als Putinversteher in eine Ecke gestellt.)

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Was du sagst, widerspricht Lawrow ja diametral. Lawrow beschwert sich darüber, dass man Russland nur wirtschaftlich belaste, während Iran und Nordkorea weiter "prosperieren" dürfen. Und das ist eben, wie richtig angeführt, nicht so.

Und sorry: Nee, Regimewexxel heißt nicht, dass der liberale Flügel mitreden darf. Regimewexxel heißt, dass Putin geht.

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Ja tut mir Leid, ich habe den Text mit Lawrow erst später durchgelesen. Mein Kommentar bezog sich nur auf das kleine Zitat.
Aber dann machen die Aussagen ja auch irgendwie keinen Sinn. Der Iran wird ja eindeutig wirtschaftlich geschwächt.
In Russland will man die Eliten beeinflussen. Und was denkst du denn, was eine Öffnung des Marktes, Privatisierung usw. bedeutet? Natürlich muss dann Putin vorher gehen, denn dessen Politik steht genau für das Gegenteil.

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Kein Problem....

Mal zynisch zugespitzt gesagt: Wenn man in Sachen Russland wirklich die treffen will, die das System Putin nachhaltig verteidigen und aufrechterhalten, dann müsste man erstmal dem Gas-Gerd die Konten lahm legen und alles wegpfänden, was aus Russland so fließt.

Aber mal im Ernst: Was ist denn bisher in Russland an "Öffnung des Marktes" passiert? Eigentlich nur, dass sich einige Oligarchen zu den reichsten Leuten der Welt gemacht haben und neben ein paar Scheichs den europäischen Fußball mitgestalten. Die eine Hälfte wurde geschasst, weil sie in Putins Augen zu weit gingen, die andere Hälfte hat sich brav mit Putin arrangiert. Ich war zwei Mal in Russland und würde sagen wollen: Je weiter du dich gen Osten bewegst, desto weniger kommt vom eigentlichen Rohstoffreichtum an. Spätestens am Grenzübergang Nalchik/ Suchebataar in die Mongolei weißt du dann, dass die Sowjetunion nie untergegangen ist. Dann betritt Ivan Drago den Zug und brüllt alle aus den Abteilen.
Ich bin nicht so sicher, was Putins Politik eigentlich ist. Letzten Endes ist das eher Gerumeiere und Verharren auf einem Supermachtstatus, den es in der Realität gar nicht mehr gibt. Was außer Rohstoffen hat denn Russland zu bieten? Okay eine enorm niedrige Lebenserwartung für Männer, aber sonst? Da bleiben dann die Girkins übrig, die irgendwie aus dem 18. Jahrhundert zu stammen scheinen und auch exakt so auftreten und das bei weitem nicht nur optisch. Mich erinnert das an das Osmanische Reich vor etwa 100 Jahren. Der kranke Mann vom Bosporus, äh, der Wolga. Russland ist nicht wirklich zukunftsfähig, da schlägt die Demographie deutlich unerbittlicher zu als hier.

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Acht Jahre her. Ich fand, ich sollte diesen Thread mal wieder hervorkramen.

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