Montag, 15. Dezember 2008
Der Untergang provinzialisch
gorillaschnitzel, 16:59h
Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, in der es während der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts eine rege FKK-Kommune gab. Das war aus vielerlei Gründen suspekt: Zum einen des vorherrschenden Pietismus wegen, zum anderen weil FKK zu dieser Zeit und in dieser Gegend alles andere als "seriös" war (ist es bis heute noch nicht so richtig, wenn man das Aufsehen bedenkt, das die schwedischen Handballerinnen noch vor ein paar Jahren auslösten, als sie barbusig im örtlichen Schwimmbad lagen) und zum dritten war die Kommune sehr kommunistisch geprägt.
Später Prominente waren als häufige Gäste mit dabei: Friedrich Wolf (Vater des späteren DDR-Spionagechefs Markus Wolf) beispielsweise oder auch Johannes R. Becher, der später den Text für eine Nationalhymne verfasst hat, die nicht gesungen wurde. Und es hält sich hartnäckig das Gerücht die Mär, dass einst selbst Stalin die Kommune am Bach im engen Tal heimgesucht habe.
Nach der Machtübernahme der Nazis gab es dann auch noch etwas Widerstand und vermutlich war dies der Grund, weshalb die Nazis des Städtchens fanatischer waren als die in den Nachbargemeinden. Der Gauleitung demonstrieren, dass man die KPD und die Situation im Griff habe und so waren nicht wenige aus dem Städtchen die ersten "Bewohner" des KZ auf dem Heuberg, der bloße Verdacht reichte auch 1933 schon aus. Auch in der Folge konnte es reichen, in eine Todesanzeige für einen gefallenen Wehrmachtssoldaten die gängige Naziphrase "für Führer, Volk und Vaterland" durch die Formel "in soldatischer Pflichterfüllung" zu ersetzen.
Der 24. April 1945 war ein ungewöhnlich warmer Tag. Eigentlich zu warm für einen Spätapriltag. Man erwartete, dass die Amerikaner, die am Tag zuvor die nächstgrößere Stadt besetzt hatten, das Tal heraufziehen würden. Theoretisch hätte man das Städtchen vermutlich verteidigen können (und aus militärischer Sicht vielleicht sogar müssen: Es ist ein sehr enges Tal mit insgesamt 5 Anstiegen die Anhöhe hoch), aber die Wehrmacht hatte die Verteidigung aufgegeben, die Befehlshaber waren abgezogen, die hatten begriffen, dass das Unternehmen so sinn- wie aussichtslos war.
Es gab aber einige Entschlossene, die lieber mit Adolf untergingen als die Stadt kampflos zu übergeben und so errichtete man aus dem Volkssturm -Kinder und alte Männer- 5 Straßenblockaden a 20 Mann, hatte aber nicht damit gerechnet, dass darunter noch der ein oder andere Kommunist sein könnte und so waren binnen kurzer Zeit 4 der Blockaden wieder aufgelöst. Lediglich die fünfte Blockade -zu der war der Ortskommandeur geeilt- war noch von Bestand. Minuten später gab es auch die nicht mehr und der Ortskommandeur war hinterrücks erschossen worden. Von einem Volkssturmangehörigen. Vor 19 anderen. Der Täter wurde bis heute nie überführt, nie angeklagt und hat den Rest seines Lebens als freier Mann verbracht, gedeckt von der gesamten Generation und ich glaube bis heute, dass einige derer, denen ich seinerzeit als Zivildienstleistender das Essen gekocht hab, genau Bescheid wussten. Dann brachte man noch die Schnapsvorräte beiseite, was meinem Urgroßvater seinerzeit mehrere hundert Flaschen Hochprozentigen im Keller bescherte und lud den Voraustrupp der Amerikaner auf ein Bier ein.
Später Prominente waren als häufige Gäste mit dabei: Friedrich Wolf (Vater des späteren DDR-Spionagechefs Markus Wolf) beispielsweise oder auch Johannes R. Becher, der später den Text für eine Nationalhymne verfasst hat, die nicht gesungen wurde. Und es hält sich hartnäckig
Nach der Machtübernahme der Nazis gab es dann auch noch etwas Widerstand und vermutlich war dies der Grund, weshalb die Nazis des Städtchens fanatischer waren als die in den Nachbargemeinden. Der Gauleitung demonstrieren, dass man die KPD und die Situation im Griff habe und so waren nicht wenige aus dem Städtchen die ersten "Bewohner" des KZ auf dem Heuberg, der bloße Verdacht reichte auch 1933 schon aus. Auch in der Folge konnte es reichen, in eine Todesanzeige für einen gefallenen Wehrmachtssoldaten die gängige Naziphrase "für Führer, Volk und Vaterland" durch die Formel "in soldatischer Pflichterfüllung" zu ersetzen.
Der 24. April 1945 war ein ungewöhnlich warmer Tag. Eigentlich zu warm für einen Spätapriltag. Man erwartete, dass die Amerikaner, die am Tag zuvor die nächstgrößere Stadt besetzt hatten, das Tal heraufziehen würden. Theoretisch hätte man das Städtchen vermutlich verteidigen können (und aus militärischer Sicht vielleicht sogar müssen: Es ist ein sehr enges Tal mit insgesamt 5 Anstiegen die Anhöhe hoch), aber die Wehrmacht hatte die Verteidigung aufgegeben, die Befehlshaber waren abgezogen, die hatten begriffen, dass das Unternehmen so sinn- wie aussichtslos war.
Es gab aber einige Entschlossene, die lieber mit Adolf untergingen als die Stadt kampflos zu übergeben und so errichtete man aus dem Volkssturm -Kinder und alte Männer- 5 Straßenblockaden a 20 Mann, hatte aber nicht damit gerechnet, dass darunter noch der ein oder andere Kommunist sein könnte und so waren binnen kurzer Zeit 4 der Blockaden wieder aufgelöst. Lediglich die fünfte Blockade -zu der war der Ortskommandeur geeilt- war noch von Bestand. Minuten später gab es auch die nicht mehr und der Ortskommandeur war hinterrücks erschossen worden. Von einem Volkssturmangehörigen. Vor 19 anderen. Der Täter wurde bis heute nie überführt, nie angeklagt und hat den Rest seines Lebens als freier Mann verbracht, gedeckt von der gesamten Generation und ich glaube bis heute, dass einige derer, denen ich seinerzeit als Zivildienstleistender das Essen gekocht hab, genau Bescheid wussten. Dann brachte man noch die Schnapsvorräte beiseite, was meinem Urgroßvater seinerzeit mehrere hundert Flaschen Hochprozentigen im Keller bescherte und lud den Voraustrupp der Amerikaner auf ein Bier ein.
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croco,
Mittwoch, 17. Dezember 2008, 21:53
Mit denen von der Alb und der Kante davor hatte man es immer schwer.
Man konnte ihnen nicht beikommen.
Ich weiß das, meine Mutter kommt von da.
Sie erzählt auch solche Geschichten.
Als der Ortsgruppenleiter zwar den Volkssturm zusammenstellte, aber sich selbst verdrücken wollte. Meine Oma und die anderen Frauen des Dorfes haben sich mit Mistgabeln bewaffnet und haben das Haus des Ortsgruppenleiters umstellt. "Wenn unsere Männer gehen, gehst du mit!!!!" Er hat seine Fluchtvorbereitungen eingestellt und ist mit den anderen Männern zur Verteidigung der Universitätsstadt aufgebrochen.
Das meine Oma auch noch einen Verfolgten versteckt hat, hab ich ja schon erzählt.
Wenn ich untertauchen müsste, würde ich das nur im Schwabenland tun.
Man konnte ihnen nicht beikommen.
Ich weiß das, meine Mutter kommt von da.
Sie erzählt auch solche Geschichten.
Als der Ortsgruppenleiter zwar den Volkssturm zusammenstellte, aber sich selbst verdrücken wollte. Meine Oma und die anderen Frauen des Dorfes haben sich mit Mistgabeln bewaffnet und haben das Haus des Ortsgruppenleiters umstellt. "Wenn unsere Männer gehen, gehst du mit!!!!" Er hat seine Fluchtvorbereitungen eingestellt und ist mit den anderen Männern zur Verteidigung der Universitätsstadt aufgebrochen.
Das meine Oma auch noch einen Verfolgten versteckt hat, hab ich ja schon erzählt.
Wenn ich untertauchen müsste, würde ich das nur im Schwabenland tun.
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gorillaschnitzel,
Donnerstag, 18. Dezember 2008, 00:04
Also ich würde Ihnen Asyl geben...Uropa der alte Sozi ist mit ein paar anderen aufs Rathaus marschiert und hat wohl dafür gesorgt, dass ein paar Leute während des Kriegs nicht verhaftet wurden. Pure Erpressung: Der Nazibürgermeister hatte ein paar Soldatenfrauen zuviel verführt gehabt...
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