Freitag, 5. Dezember 2008
Halbdackel des Monats

Die Pfeiffe mit drei f


Herr Pfeiffer ist zuerst mal ein honoriger Herr. Eigentlich ziemlich verdienstvoll, was sich so im Laufe der Karriere angesammelt hat. Professor ist er, Minister war er und was die meisten nicht wissen: Er hat sich ziemliche Meriten dadurch erwirtschaftet, indem er im Jugendstrafrecht eine Reform miterstritt, die ziemlich bahnbrechend war.
Irgendwann mal war Herr Pfeiffer ganz oben angekommen. Und das ist manchmal nicht gut. Weil man dann nämlich viel angehört wird und im Anschluss viel von sich gibt und dabei zwangsläufig auch viel Mist drunter ist. Beispielsweise war der Herr Pfeiffer nicht ganz unbeteiligt daran, dass die Kleinstadt Sebnitz mittlerweile im Ruch steht, Skinheads hervorzubringen, die kleine Kinder ertränken.
Dann hat er einerseits die Krippenplätze der DDR für doch sehr doof befunden, konnte im Anschluss aber nicht erklären, weshalb er sie in der BRD befürwortet und weshalb eine Praxis in der DDR so übel gewesen sein soll, die in Frankreich gesellschaftlich nullkommanull infrage gestellt wird.
Als vorläufigen Schlusspunkt postulierte er dann die These, dass Videospiele zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft führten, war aber als Kriminologenprofessor auch hier nicht in der Lage, das mit dem Rückgang der Gewaltkriminalität insgesamt in Relation zu setzen, geschweige denn zu erklären, weshalb letztere unter Jugendlichen zwar stieg und das übrigens gewaltig und zwar gerade unter nicht unbedingt viedeospielsüchtigen Mädels und welche Rolle das Milieu dabei spielt. Es scheint, als müsse man nur hartnäckig genug irgendetwas in den Raum stellen und schon habe man am Ende ein neues Paradigma.

Nun sagt Herr Pfeiffer, dass man Jugendzentren schließen muss, weil die nämlich wahre Brutstätten der Gewalt seien.
Selbst wenn dem so sein sollte, was ja auch noch nicht wirklich klar ist: Lieber Herr Pfeiffer, ich kann Ihnen versichern, dass Krankenhäuser wahre Brutstätten an Krankheiten, Leid, Siechtum und Tod sind, würde aber darauf nun nicht unbedingt verzichten wollen. Und ich würde sogar noch weiter gehen und behaupten wollen, dass es Schulversager nur deshalb gibt, weil es Schulen gibt, glaube aber dennoch, dass es um eine nicht ganz sinnlose Institution handelt.
Im Übrigen, Herr Pfeiffer, könnte ich seitenweise Bücher über ihr "Alternativmodell" füllen: Die Ganztagsschule Alternative? (dass die meisten Jugendzentren dann doch eher gen Spätmittag und Abend aktiv werden, hat man dann vielleicht in Ihrem Alter doch schon wieder vergessen)

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Die Töpfchenthese stammte übrigens ursprünglich von dem ostdeutschen Psychiater und Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz. Gefühlsstau hieß das Buch.

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Töpfchenthese? Könnten Sie meine Bildungslücke eventuell stopfen?

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Maaz machte kurz nach der Wende eine Kollektivanalyse der DDRler, die zu dem Ergebnis kam, dass die kollektive DDR-Erziehung - wo die Kinder in den Krippen alle gemeinsam zu festgelegten Zeiten auf das Töpfchen gesetzt wurden - charakterdeformierende Auswirkungen hatte. Pfeiffer griff das später dann auf und führte darauf den Rechtsextremismus junger Ostdeutscher zurück.

Siehe auch den Artikel von Dieter Zimmer in der Zeit (1999):
Ein Kind ist schwer zu verderben sowie den Beitrag von
Kerstin Decker: Das Töpfchen und der Hass im Tagesspiegel (1999).

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Vielen Dank für die Aufklärung....das ist großartig! Dank Ihres Kommentars weiß ich nun endlich, weshalb ich ein so unerträglicher, renitenter, klugscheißender, heteronormativer, sexistischer Besserwisser bin:
Unter uns: Ich musste mich damals im Kindergarten (West) gegen meinen Willen anläßlich eines Kindergartenfests als "Wilder" verkleiden und doof auf einer Trommel rumhauen. Außerdem musste man die Erzieherinnen "Tante" nennen. Frühkindliche Traumata waren das.

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Und ich erst! Den Kindergarten habe ich nur das letzte halbe Jahr vor Schulbeginn aus Solidarität mit meiner Freundin besucht, weil die plötzlich hingehen musste und deshalb nicht mehr zu mir zum Spielen kommen konnte. Wir haben uns dort ziemlich gelangweilt (was ist ein Hof mit Rollsplit gegen einen 2000 Quadratmeter großen Garten?). Außerdem musste man sich ständig vor der Obertante in Acht nehmen, die zog einem nämlich die wackelnden Milchzähne mit einem Papiertaschentuch einfach aus dem Mund. Die wäre heute wahrscheinlich wegen Körperverletzung dran.

Einen Wilden musste ich nicht spielen, sondern eine Prinzessin. Das wäre ja noch ok gewesen, wenn der Prinz dazu nicht etwas lahm gewesen wäre. Meine ältere Schwester sagte mir hinterher, ich hätte den nicht so hinter mir herziehen dürfen, sondern hätte prinzessinnenhaft langsam schreiten müssen. Pfff.

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