Montag, 15. Juni 2009
Kreuzquer
Es gibt diese Gemischtwarenläden. Die gibt es auch hier, wenn ich wieder mal vom Hundertsten ins Allertausendeste komme und mich einfach so treiben lasse wohin mich meine Gedanken grade führen und das ist erstmal an den Bücherstrand, weil ich grade große Teile meiner Zeit lesend verbringe. Nein, nicht im Internet, nun gut, das auch, aber auch so richtig mit viel Papier, das man zu Büchern zusammengeklebt hat. Einfach wegen der Haptik. Nix gegen diese Elektroteile, die auch Buch sein können (wahrscheinlich hab ich selbst in weniger als 2 oder 3 Jahren eins), aber momentan geht mir noch nix über dieses millimeterweise Vortasten via Papier.
Und letztens habe ich mich millimeterweise vorgetastet bei Halldor Gudmundssons "Wir sind alle Isländer"



Ein großartiges Buch. So großartig, dass ich das Ding einmal von vorn bis hinten gelesen habe und das während eines Meetings mit meiner Badewanne und noch nicht mal das Wasser kalt wurde. Naja gut, das sagt auch etwas über den Umfang aus (186 Seiten). Eine Zusammenfassung der isländischen Finanzkrise und ihrer Dimensionen (mir grauste sehr; ein Isländer durfte damals sage und schreibe 110€ tauschen und das auch nur unter Vorlage eines gültigen Flugtickets gen Ausland) und dazu Portraits verschiedener Isländer und wie sie betroffen sind, mitsamt der Erkenntnis, dass selbst 5 Monate nach Beginn der Krise noch niemand zurückgetreten war, noch nicht mal der Finanzboss, was dann aber die Isländer selbst bewerkstelligten.
Sensationell auch der Spruch der mitregierenden Sozialdemokratin an 10.000 Demonstranten gerichtet: "Ihr seid nicht das Volk". Auf die Bundesrepublik herunter gerechnet würde das 2,6 Mio Demonstranten bedeuten.

Nicht das Volk.

Das Volk ist -man darf das vermuten- in Pakistan noch egaler, jaaaa, ich weiß, eine Steigerung von egal gibts nicht, bei mir hier aber manchmal doch und schon sind wir beim nächsten Buch und damit bei Mohammed Hanif, der mal Luftwaffenpilot der pakistanischen Luftwaffe war, dann nach England ging und heute wieder als BBC-Korrespondent in Pakistan lebt. Nebenbei schreibt der Mensch Bücher und zwar ziemlich gute, also mindestens eins ist ihm echt gut gelungen und zwar dieses:



Es geht um Zia ul-Haq, den Militärdespoten Pakistans in den Spätsiebzigern/80ern und dessen Tod via Flugzeugabsturz, der noch immer nicht geklärt ist. Rein fiktiv und seeeehhhr spekulativ. Und der Beweis dafür, dass Pakistaner vorzügliche Satire können. Erst halb durch und ich werf mich jetzt schon beiseite...Jetzt ganz durch: Lesenses...ist sehr gut....
Der hier findets sicher großartig....

So. Nun hab ich mich sehr diszipliniert, weil das mit den Büchern ja ordentlich sein sollte, nun kann ich mich austoben und das mach ich auch. Auch wenn Sie mir das nicht glauben mögen, aber ich will ja wirklich mal nach Nordkorea. Nein, nicht der Strände wegen und nein, ich bin auch echt politisch nicht so drauf und ja, ich weiß, dass das kein Urlaub im herkömmlichen Sinn würde. Aber mich interessiert das irgendwie. Museal, aber auch ansonsten. Weil es so völlig jenseits dieser Welt ist. Nordkorea ist für mich sowas wie der Mond.
Und in Nordkorea wohnt ja tatsächlich noch ein amerikanischer Überläufer. Private Dresnok plappert brav vom großen Führer und fühlt sich scheinbar wohl. Scheinbar.



"Führer" wäre jetzt das Adolf-Nazi-Stichwort, aber hey, so einfach folgen wir nun auch nicht Godwins Law und deshalb muss dieser Beitrag ausnahmeweise ohne Adolf und die Nazis auskommen.

Stattdessen muss jetzt Rudolf Diesel herhalten. Wofür der bekannt ist, dürfte qua Namen einigermaßen einleuchten und er ist ohnehin gänzlich unverdächtig, wenn es um Nazis geht. Was mir bis dato aber nicht bekannt war: Der arme Mensch ging im Ärmelkanal über Bord und verstarb. Todesursache ungeklärt. Wie bei Zia ul-Haq. Mord, Selbstmord, Unfall: Nobody knows.
Puuuh, Sie glauben ja gar nicht, wie froh ich bin, mal so nebenbei vom Führer auf Rudolf Diesel gekommen zu sein und die Überleitung nur mit ein paar Rucklern hingekriegt zu haben. Die gibts auch beim Radeln. Federico Bahamontes beispielsweise galt zu seiner Zeit als der allerbeste Bergfahrer. Zumindest hoch. Runter überhaupt nicht, da hatte er nämlich Angst, alleine runter zu fahren und so kam es, dass er beim Anstieg alle abhängte und teilweise Minuten herausfuhr, sich dann oben auch mal ein Eis kaufte und dann wartete, bis die Abgehängten oben ankamen, um dann mit ihnen gemeinsam runterzufahren.



Und das ist der Punkt, an dem man die Stichworte "Berge" und "Volk" verbinden kann und schon sind wir im Iran, wo ich ja auch schon immer mal hin möchte, nicht allein nur wegen des Elburs-Gebirges, wo aber gemessen an den Beispielen Island und Pakistan, das Volk am alleregalsten ist und ich noch immer weiß, dass "egal" keinen Superlativ kennt, ich den aber dennoch zu verwenden mir erlaube. Dort im Iran gärt es und zwar ganz gewaltig und das auch nicht erst seit heute oder gestern und da ist eine gefälschte Wahl auch nur der Anlass, aber nie der Grund. Ich glaube ja, die Mullahs werden das nicht mehr in den Griff kriegen. Vermutlich wird da nicht gleich morgen ein Umsturz erfolgen, aber der Iran hat eine der jüngsten Gesellschaften der Welt, was aus der sehr viel älter werdenden deutschen Gesellschaft heraus erstmal ganz gut klingt. Im Iran gibt es aber gleichzeitig eine große Masse an gut ausgebildeten Menschen, auch und vor allem Frauen, und all das zusammengommen gibt eine sehr explosive Mischung: Diese jungen, gut ausgebildeten Menschen möchten angemessene Arbeitsplätze haben und so weit ist das iranische Nuklearprogramm dann auch wieder nicht, als dass da 3 Millionen Arbeitsplätze herausspringen würden. Bisher haben es die Mullahs geschafft, dass die klügsten Köpfe irgendwann mal verschwunden sind, abgewandert nach Europa oder nach Amerika. Ein verschwenderischer Luxus. Marg bar velayat-e faqih.

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