Sonntag, 17. Oktober 2010
my motivation
Disclaimer: Ich habe wahrlich nicht vor, dieses Blog zu einem Anti-S21-Blog zu machen. Da gibt es einerseits bessere und andererseits hab ich auch noch anderes zu tun als nur zu demonstrieren. Und ehrlich gesagt: The media overkill....der kriegt auch mich irgendwann. So ein bißchen bin ich Teil geworden und das nicht wirklich unfreiwillig. Eitel bin ich sowieso und große Teile meines Lebens nimmt es sowieso ein. Aber es gibt auch bei mir ein Leben jenseits von S21 und irgendwann mal ist auch jede Geschichte toterzählt und deshalb beenden wir jetzt mal die hochoffiziellen Anti-S21-Wochen mit einem Anti-S21-Beitrag, der mal halt so auf Halde lag, den ich aber nicht vorenthalten will. Ein Mal müssen Sie noch durch. Bald wieder normal. Versprochen.Es sei denn, Heribert gedenkt mal wieder Schüler verprügeln zu lassen

Vielleicht muss ich irgendwann mal meine Motivation erklären, weshalb ich eigentlich -mittlerweile sehr vehement- gegen ein superdupertolles Projekt bin, das reichen Segen und unendlichen Fortschritt über diese darbende, rückständige Region, verlassen am Rande Europas, bringen wird und das von allen Befürwortern selbstlos erdacht und geplant wurde.

Zuerst einmal muss ich gestehen: Ich bin furchtbar undankbar. Ich hätte nämlich durchaus einen Vorteil von einer Umsetzung des Projekts. Die Fahrzeit würde sich in meinem Fall um sensationelle drei Minuten verringern. Noch mal in Zahlen: 3. Minuten. Das macht bei einer Gesamtfahrzeit von so grob einer Dreiviertelstunde ja schon einiges aus, aber gleichzeitig fahre ich nicht so häufig Bahn, durchschnittlich so etwa ein Mal im Jahr. Heißt also: Von 525.600 Minuten die ich jährlich zur Verschwendung zur Verfügung habe, schenkt mir die Bahn exakt drei zur neuerlichen Verplemperung und ich undankbarer Depp weiß nichts damit anzufangen.

Okay, da gäbe es auch noch ein paar andere Umstände. Wie etwa die Kostenfrage. Ja, okay, es kostet nicht ganz so viel, wie eine durchschnittliche Landesbank mal an einem durchschnittlichen Vormittag an Subventionen durch den Steuerzahler benötigt. Dennoch hätte sich das ganze Projekt ziemlich schnell erledigt, wenn es rein nach Kategorien wie Wirtschaftlichkeit ginge. Die Grenze lag dabei laut Bahn bei 4,5 Milliarden an Baukosten.
Lag. Seit neuestem liegt sie bei 4,8 und das hat verdammt gute Gründe:
Die Kosten galoppieren davon. Die letzte Schätzung der Bahn (!) endete bei 4,9 (plus 0,4 Risikorücklagen) und das war gar nicht gut. Also wurde wieder runtergerechnet auf 4,1 (plus 0,4 Risikorücklagen). Möglich war das durch Einsparungen, zum Beispiel durch dünnere Tunnelwände und Grundwasserabsenkung (erinnert sich vielleicht jetzt jemand zufällig an das Kölner Stadtarchiv?) und das obwohl die Tunnelröhre genau neben einem Tunnel verlaufen soll, der heute schon permanent nachgebessert (ca. 4-5 Vollsperrungen pro Jahr/ über mehrere Tage/ Nächte hinweg) werden muss.
Der Bundesrechnungshof liegt bei 5,3 Milliarden und konstatiert gleichzeitig, dass 100% Kostensteigerung bei so nem Projekt locker fällig seien, ein renommiertes Institut, das bereits den Transrapid erlegte kommt auf 7,1, manche landen auch bei 9 oder 10. Wir reden hier übrigens immer noch von Milliarden.

Aber gut. Geht man wegen zig abstrakten Nullen auf die Straße? Da wären ja auch noch andere Themen mit ebensovielen Nullen. Schließlich ertragen wir die Spätzlemafia bereits seit 6 Jahrzehnten und mal ehrlich: Lange hatten wir alle was davon.

Irgendwann kamen dann noch ein paar grausige Details raus. Beispielsweise ein Gutachten einer Schweizer Firma namens sma. Die sind Weltmarktführer in Sachen Eisenbahnkonzeptionsentwurf und Fahrpläne. Das Gutachten wurde von der Landesregierung in Auftrag gegeben und umgehend weggeschlossen. Weil es konstatierte, dass dieses Projekt mitnichten der große Schritt in die Zukunft sei sondern quasi schon per Planung es zu Verspätungen und Engpässen kommen muss und die ICEs hinter S-Bahn herzuckelten. Schnell erklärte die Landesregierung das Gutachten für veraltet, vergaß dabei aber, ein aktuelleres Gutachten zu präsentieren.

Was aber am schwersten wiegt: Die Mär von dem völlig demokratisch legitimierten Projekt, das durch alle Institutionen gegangen sei und gegen das sich erst mit Baubeginn Protest geregt habe, welcher viel zu spät komme.
Erstens entstand der Protest zeitgleich mit der ersten Präsentation. Die Bürgerinitiative gründete sich bereits 1994. Zweitens stand bereits die OB-Wahl von 1996 unter dem Zeichen von S21 und es ist der SPD zu verdanken, dass der CDU-Kandidat Schuster die Wahl gewann und nicht der Grüne Schlauch. Über die Jahre hinweg gab es etwa 10.000 Einsprüche, zig Forderungen nach mehr Teilnahme und ein Bürgerbegehren, das man mal schnell unter den Tisch hat fallen lassen.

Meine Motivation ist schon lange kein Bahnhof mehr. Meine Motivation ist, in was für einem Land wir eigentlich leben wollen und wie einige denken, wie sie mit anderen umgehen können.

Über dieses Projekt wie es sich heute darstellt und das immer teurer wurde, mittlerweile mehr als das Doppelte kostet als im Rahmenplan vereinbart -und das ist noch die schönste aller Rechnungen- sowie wichtige Gesichtspunkte und Gutachten unterschlagen hat, darüber hat nie ein Parlament und nie ein Volksvertreter abgestimmt. Und mal ehrlich: Über die demokratische Legitimation eines Projekts braucht man sich spätestens dann nicht mehr zu unterhalten, wenn man weiß, dass die Protagonisten es als rechtmäßig und angemessen empfinden, Großmütter und Schüler zu verprügeln und das, um etwas durchzusetzen, das gar nicht legal gewesen ist.

   ... Stuttgart 21
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