Donnerstag, 7. Oktober 2010
Sprachlos.
Irgendwann mal muss der Alltag auch in einem Land weitergehen, in dem der nie ausgerufene Dauerausnahmezustand herrscht. Unter uns: Ich lebe auch ein Leben jenseits von Pfefferspray und Demo, wenngleich das Thema mittlerweile bei mir einen Stellenwert besitzt, den ich noch vor einem Vierteljahr für absolut unmöglich gehalten hätte. Beispielsweise lege ich jetzt mal schnell einen Sauerbraten ein für Sonntag.
Wenn Sie das auch möchten, brauchen Sie ein Kilo Hirschfleisch, eine Flasche Rotwein, ein Viertelliter Rotweinessig, etwas Stangensellerie, ne Karotte, Zwiebeln, Knoblauch, Wacholder, Lorbeer, Pfefferkörner, Thymian, Senfkörner und eine Nelke. Die größeren Zutaten schneiden sie würflig, das Fleisch lassense bitte heil. Jetzt brauchen Sie nur noch ein ordentliches Gefäß und schmeißen alles zusammen rein. Das lassen wir jetzt gekühlt bis zum Wochenende stehen und dann verrat´ ich Ihnen, was wir dann machen. Sie sollten aber noch Äpfel, Ahornsirup (oder ersatzweise Honig), säuerliches Gelee (Johannisbeer oder Quitte) und Tomatenmark bereithalten.

Aber ganz ehrlich gesagt: So ganz zur Normalform übergehen geht einfach nicht. Nicht nach dem, was man da so in Stuttgart gesehen hat. Die Bezeichnung "gespenstisch" wäre noch freundlich. Wut trifft es besser.

Natürlich haben wir hier auch 20 Jahre Einheit gefeiert. Gemeinsam mit zig Robocops, die Plätze besetzen, Personalien aufnehmen und kontrollierenkontrollierenkontrollieren. Wir haben jetzt ein paar neue Schlagworte und "Polizeistaat" ist noch eins der freundlicheren. Eigentlich hatte ich ja noch vor, noch ein paar verregnete Baikalbilder zu bringen, nur: Mir ist nicht wirklich danach, das muss warten. Später.

Hannes Wader hat mal davon gesungen, dass sich Furcht in Widerstand verwandle. Bei mir transformiert sich das gleich weiter in Satire und Humor. Vielleicht kann man manche Zustände so besser ertragen. Darum präsentiere ich Ihnen nun die aktuellen Pressemeldungen von heute:

Stuttgart - Ministerpräsident Mappus erklärte, dass er weiter entschieden hinter Stuttgart 21 stehe. Von ein paar gemeingefährlichen Kastanienwerfern die Polizisten ernsthaft verletzen wollten lasse man sich nicht aus dem Konzept bringen. Der nun errichtete Zaun im Park sei ein antibürgerlicher Schutzwall und er dementierte entschieden, dass hier eine Mauer gebaut werden solle. Niemand habe die Absicht eine Mauer zu bauen. Auch werde wahrscheinlich auf Selbstschussanlagen verzichtet. Man vertraue auf die Vernunft der Bürger und dass bereits gelegte Tretminen ausreichten.

Stuttgart - Innenminister Rech bestätigte erneut, dass am letzten Donnerstag lediglich Sprühregen durch Wasserwerfer stattgefunden habe. Dabei habe es sich um eine dringend notwendige Bewässerung des Rasens gehandelt. Rech sagte auch, dass die Besetzung von Polizeifahrzeugen durch Schüler ihn zutiefst erschüttert habe. Eine solche staatsgefährdende Aktion sei durch nichts zu rechtfertigen. Dem könne nur durch größtmögliche Intervention entgegengewirkt werden. Er verwies darauf, dass es der Straßenverkehrsordnung widerspreche, Personen auf dem Dach von Lastkraftwagen zu transportieren, insbesondere dann, wenn diese nicht angeschnallt seien.

Stuttgart - Polizeipräsident Stumpf sagte den Medien, dass die bayrische Staatspolizei in sehr besonnenem Maße reagiert hätte. Er verwieß darauf, dass der Tag in Starnberg nahezu friedlich und überaus harmonisch verlaufen sei und die dortige Polizei lediglich von einem leichten Verkehrsunfall berichte.

Stuttgart - Letzten Montag hat erneut eine Großdemonstration gegen Stuttgart21 stattgefunden. Während die Gegner von 4,3 Millionen Teilnehmern sprachen, berichtete die Polizei von 14 extrem gewaltbereiten Teilnehmern.

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