Dienstag, 18. November 2008
In den Hinterhöfen des Internet (Part I)
Es gibt Zeug, das so richtig süchtig macht. Also neben den üblichen Verdächtigen wie Bier, Schnaps, Zigaretten und Koks jetzt. Ebay zum Beispiel. Kann süchtig machen. Vor allem dann, wenn man sieht, wie sich die Jungs und Mädels um Dinge prügeln, die man nicht im allerentferntesten über die eigene Schwelle lassen würde. Ebay aber ist oldschool.
Da gibts schon ganz andere Geschäftsmodelle und auf die wurde ich neulich freundlicherweise aufmerksam gemacht (an dieser Stelle -ich weiß, er liest mit- ein riesengroßes Dankeschön an Herrn Wabura. Wenn mal der große Verleger das zwischen Buchdeckel presst, kriegste eine Widmung).

Mittlerweile bin ich ein- und abgetaucht in die tiefe weite Welt der alternativen Auktionshausmodelle und die ist mal richtig phantastisch. Was sich dort tummelt, findet man sonst nur in den Psychiatriepraxen dieser Welt und mal ehrlich: Niemand betritt freiwillig eine Psychiatriepraxis, vermutlich nicht mal die Psychiater selbst. Allein schon von daher sind diese Auktionshäuser -eine wilde Sammelgrube von Zockern, Spielsüchtigen und völlig Verwirrten und damit- eine Besichtigung wert. Es ist eigentlich eine Riesenspielwiese für alle, die am Automaten daddeln wollen, sich aber nicht vor die Tür trauen. Agoraphobe Spieljunkies quasi.

Aber von vorne:

Zum einen hätten wir da Sw#oo*po. Das Geschäftsmodell funktioniert so: Setz ein Gebot, das du dir vorher für 50 Cent gekauft hast und treib damit den Kaufpreis um 10 Cent nach oben. Solltest du der oder die Glückliche sein, die zuletzt bietet: You got it.
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde das alles saubillig über den Tisch gehen. Kameras für 250 statt 700 Öcken, Flatscreens für 300 statt 1000 undsoweiter. Nur: Um von 10 Cent auf 200 Euro zu kommen, brauchts 2000 Gebote und die kosten ja jeweils 50 Cent und damit wären wir dann bei 1000 Euro für Swupo plus den Verkaufspreis von 200 und damit hat dann Swoooopoh eine Kamera, die im Laden 700 kostet, für 1200 verkauft. Ein vermeintlich Glücklicher kriecht das Ding (zahlt aber natürlich neben den 200 seine eigenen Gebote), der Rest geht leer aus.
Um ganz ehrlich zu sein: Dieses Geschäftsmodell hätte ich gerne selbst erfunden.

Stundenlang kann man da zugucken.





Aber nehmen wir doch mal eine solche Auktion auseinander. Da hätten wir beispielsweise eine Auktion, bei der man "Freigebote" ersteigern kann. Das ist besonders toll, weil die Firma dafür nicht mal ein Produkt rausrücken muss. Stattdessen ersteigern die reichlich logik- und merkbefreiten Bieter lediglich einen weiteren Zockgutschein zum Weiterbieten.
Das ist in etwa wie der Dealer, der seinen Junkies Berechtigungsscheine für Koks verkauft und wenn sie denn zufällig das Höchstgebot abgegeben haben sollten: The winner takes it all, Nase voll mit Pulver, der Rest geht leer aus.





Hier ging es um 300 "Gebote". Real kostet das 150 Euro. Es endete bei absurden 584,20 € und hat mich (und nicht nur mich) einige Stunden gekostet.
Natürlich muss niemand 584,20 zahlen, der "Endpreis ist geschenkt", will heißen: Wurscht, was da am Ende steht, man zahlt nur die eigenen Gebote. Aber: Insgesamt waren das nun 5842 Gebote und das wiederum heißt: 2921 Euro im Swoubo-Säckel und das alleinig dafür, dass nun ein paar Fastverrückte 300 Mal den Bieten-Button drücken dürfen darf. Der "Sieger" hat 40 Euro liegen lassen, zig andere 2881 Euro für nix und wieder nix. Keine Gegenleistung, kein Produkt verlässt die heiligen Svuppo-Hallen, niemand erhält irgendwas (von einem "Bietgutschein" mal abgesehen).

Noch besser wird es, wenn da einige ihre bisher eingezahlte Kohle nicht verlieren möchten und damit dann den Preis so hoch treiben, dass er über Ladenniveau ist.
Der arme Oogaigq226 hat nicht nur einen unaussprechlichen Eskimonamen. Nein, er ist auch bereit für ein Handy 735 Euro zu zahlen, das er im Laden für 699 bekommen hätte. Der Umsatz der Auktionisten liegt übrigens bei 2696,50 €.





Wir hätten da auch noch beispielsweise einen Goldbarren. Gold ist immer gut, vor allem in Zeiten von Finanzkrisen, weil ja Gold immer Gold ist und sowas von sicher ist. Hier wurde ein Barren von 5 Gramm angeboten. 5 Gramm klingt nach nix, aber bei den heutigen Goldpreisen vielleicht doch ein lohnendes Geschäft. Firma sagt: Barren ist 139 Öcken wert. Ein Blick gen London jedoch sagt: So etwa 585 Euro die Unze.
Niedergerechnet auf 5 Gramm macht das einen realen Wert von grob 94 Euronen.
Endpreis des Ersteigerers: 154,80 € und damit satte 60 Euro (oder: 63% zuviel) über dem tatsächlichen Wert. Umsatz der Firma: 695 € (730% des Realwert).





So funktioniert Dreckkapitalismus in seiner schlimmsten Prägung.
In der Karibik könnt ich hocken, verdammich...

....eigentlich sollte daraus nur ein Beitrag werden. Weil es aber so viele dreckige Hinterhöfe im Internetauktionsbusiness gibt, folgt in den nächsten Tagen Part II

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