Donnerstag, 28. September 2006
Sealand
Dies ist eine kuriose Geschichte. Kuriose Geschichten sind meistens wahr. Weil eben die kuriosesten Dinge passieren.

Diese Geschichte ist auch so eine kuriose, wahre Geschichte.

Es ist die Geschichte von Sealand.

Und es ist die Geschichte eines Spleens. Engländer haben oft -so das Klischee- einen Spleen. Einer hat definitiv einen: Paddy Roy Bates. Der gute Mr. Bates war in den 60ern ein Rundfunkbetreiber, dem man einfach mal so -gemeinerweise- die Lizenz entzog. Das hat ihn gestört und er hat beschlossen, sich das nicht gefallen zu lassen. Da kam er dann wohl auf die grandiose Idee eines "L´etat, c´est moi", nur eben in die heutige Zeit versetzt:

Im Handstreich nimmet er Rough Tower ein. Rough Tower ist nur eine schnöde Verteidigungsanlage gegen die Nazis und ein Überbleibsel des 2. Weltkriegs. Rough Tower besteht eigentlich nur aus 2 Betonsäulen und einem Hubschrauberlandeplatz. Alles in allem etwas um die 600 m².
Die Idee ist nicht schlecht: Rough Tower liegt außerhalb der 3-Meilenzone und unterliegt damit -weil damals in internationalen Gewässern- nicht dem Recht Ihrer Majestät.

Und so gründet Mr. Bates das Fürstentum Sealand, ernennt sich selbst zu Prince Roy I. of Sealand und seine Frau zur Princess.
Leider versteht die englische Marine etwas weniger Spaß -was in erster Linie daran liegt, dass Roy of Sealand im ehemaligen Mutterland wegen diverser Vergehen und Steuerschulden gesucht wird.
Aber die junge Monarchie ist wehrhaft. Heldenhaft wehrt er den Angriff (auch gegen einen weiteren Konkurrenten) ab. Die Obrigkeit gibt nach einigen Warnschüssen nach, weil man um die Sicherheit der Soldaten fürchtet.

Nun beginnt Roy of Sealand, aus Sealand einen Staat zu machen mit allem, was dazugehört: Briefmarken, Währung, Nationalhymne, Flagge, Wappen, Verfassung, Pässe.


Wer an dieser Stelle bereits "kurios" denkt....es geht noch kurioser....:

Mit der Zeit findet Sealand peu a peu Neubürger, die begierig die sealandische Staatsbürgerschaft annehmen.
Darunter auch einige Deutsche und Holländer. Einer von ihnen: Alexander Achenbach. Der wollte sich schon gerichtlich aus seiner deutschen Staatsbürgerschaft hinausklagen, unterlag jedoch mit seinem Ansinnen vor bundesdeutschen Gerichten und hat somit so etwas wie eine doppelte Staatsbürgerschaft. Vielleicht imponierte Prince Roy so viel Engagement....in jedem Fall ernannte er den Mann zum Regierungschef auf Lebenszeit, sowie zum Außenminister.

Und weil so ein Prinz auch mal wichtigen Staatsaufgaben nachkommen muss, begab er sich auf große Reise.
Das war die Gelegenheit für den Regierungschef. Auch wenn es wirklich absurd klingt, aber es kam zum Putsch gegen Prince Roy. Dieser wurde für abgesetzt erklärt und sein Sohn (und Thronfolger) Michael kurzhand als politischer Häftling festgesetzt.


Kurios? Absurd? Es geht noch besser!

Damit fingen die Probleme nämlich erst an. Prince Roy mag sich nicht einfach so absetzen lassen und schon gar nicht durch den putschenden Deutschen Regierungschef. So sammelt er die Getreuen, die ihm geblieben sind, um sich und startet mit einem Hubschrauber zur Konterrevolution gen Sealand.
Tatsächlich gelingt ihm, was den beiden anderen Invasoren verwehrt geblieben ist: Er nimmt den Haufen Schrott und Beton wieder ein und erklärt nun wiederum selbst die Putschisten für verhaftet und als Kriegsgefangene.

Nun muss sich die Diplomatie einschalten. Dieses mal die richtig hochoffizielle, von anderen Staaten durchaus anerkannte: Unterhändler aus Deutschland und den Niederlanden werden entsandt, um ihre Staatsbürger zu retten. Allein diese Geste wertet Roy of Sealand schon als de-facto-Anerkennung seines Staats. Auch deshalb, weil sich die britische Regierung heraushalten will (und das auch tut).
Aber Prince Roy of Sealand ist ein großmütiger Monarch: Er entlässt die Niederländer und verweist auf die Genfer Konvention.
Nur um Alexander Achenbach begann das diplomatische Tauziehen zwischen Konsularbeamten einerseits und Roy of Sealand andererseits. Achenbach hatte ja neben der deutschen immerhin auch die sealandische Staatsbürgerschaft und war nebenbei zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Nach wochenlangem Hin und Her wird der Häftling dann doch begnadigt und errichtet im fernen Deutschland eine Exilregierung (und legt gleich damit los, indem er eine der vielen "Komissarischen Reichsregierungen" anerkennt. Das aber ist eine andere Geschichte).


Roy of Sealand hat sich mittlerweile gänzlich zurückgezogen und seine Amtsgeschäfte an Michael I. of Sealand übergeben, der auch prompt allerlei Investoren anziehen will. Eine Internetfirma beispielsweise...


Sealand bei wikipedia

sealand.gov

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