Samstag, 7. Oktober 2006
Markt
Ich mag diese Atmosphäre auf Wochenmärkten. Speziell früh morgens. Ganz speziell in dieser Stadt, die scheinbar noch etwas später erwacht, als andere Städte. Selbst kurz nach 9 hat man trotz -oder gerade wegen- des tiefpietistischen Charakters die Stadt noch nahezu gänzlich für sich. Den Markt auch. Kaum ein Einheimischer ist auf den Beinen. Eigentlich überhaupt keiner. Nur Touristen, zugereistes Pack und Menschen aus dem Umland (wie ich eben). Aber so ein echter, waschechter....nein, der hat frühmorgens besseres zu tun.

Das Ambiente an sich ist schon relativ sensationell: Mittelalterliches Fachwerk wie anno dazumal und mittendrin dann stehen die Buden. Würde man dies als Film drehen, der Kitschfaktor wäre immens. Am allerbesten aber sind die Menschen hinter den Tresen selbst. Das sind keine der Plastikmenschen, die noch verschlafen nach der Nachttour heimwackeln, keine Wichtigtuer in Nadelstreifen, die nicht mehr wissen, was eine Goldparmäne ist. Diese Menschen stammen von dieser Scholle. Diese Menschen sind rau. Herzlich. Derb. Verschlagen. Grundehrlich. Verschmitzt. Schlicht Mensch geblieben. Engstirnig. Wie ihre Stadt.

Und die ist es sprichwörtlich: Allein die Enge ihrer Gassen muss schon als Blockade im Hirn wirken. Dazu PietCong, Armut, jahrhundertelange Knechterei und Militärdiktaturen. Lange Zeit sind diejenigen ausgewandert, denen es hier zu spießig war. Es war verdammt vielen zu spießig. Das alles hat sich auf das Gemüt und die Denkweise der daheimgebliebenen Verwandten ausgewirkt.

Und so stehen allwöchentlich einige dieser Nachfahren auf dem Marktplatz und bieten ihre Waren feil. Es ist eine besondere Spezies.

Sie sind sehr gerne bereit, dem treuen Stammkunden seit Jahren ins Gesicht zu lügen, er habe soeben Biogemüse gekauft, obwohl das Zeug unter Umständen direkt aus holländischer Gewächshausproduktion stammt. Diese Lüge geschieht aus zweierlei Gründen: Zum einen fühlen sich beide Beteiligte deutlich besser dabei (Käufer will verkaufen, Kunde will Biozeugs), zum anderen hat es der Kunde laut Verkäufer gar nicht anders verdient, wenn er Anfang Januar einen Kopfsalat und 2 Kilo Tomaten kaufen möchte.

Sie fühlen sich auch als Entertainer. Natürlich würden sie nie im Leben das Wort "Entertainment" auch nur entfernt in den Mund nehmen. Aber sie pflegen seit ewigen Zeiten eine innige Hassliebe zu allen, die für sie "Zugereiste" sind. Das ist in aller Regel jeder, der nicht mindestens ab dem 5. Lebensjahr hier gewohnt hat. Sie gehen noch einigermaßen gnädig mit denen um, die ihrer Ansicht nach den gleichen Dialekt sprechen. Mit dem Rest wird umgesprungen, wie mit Hunden und kleinen Kindern: Man weiß, dass es die halt gibt, aber man ist nicht bereit, sie als in allen Rechten und Pflichten vollkommen ebenbürtig zu betrachten.
Und das lässt man diese "Zugereisten" auch deutlich spüren: Ich stand schon neben einem dieser Marktschreier und hörte, wie er einem bleichen Jüngling entgegenschrie, dass es das Beste sei, wenn man ihm umgehend die Beine abschlage und ihn an den Haaren aus der Stadt schleife. Ein anderer ist dann sofort seinem Kollegen beigesprungen und hat dem armen, davonziehenden (weil ob der Dialektik überforderten) Delinquenten noch hinterhergeschrien, solche seines Kalibers gehörten allesamt in die Luft gesprengt.

Das alles sagen sie zwar so, meinen es aber nicht wirklich. Sie zucken und schreien. Beißen aber nie. Idealstenfalls begegnet man ihnen mit den gleichen Methoden.
Einer von ihnen hat es zu einigermaßen Berühmtheit gebracht, indem er politisch sehr aktiv wurde. Das aber ist eine andere Geschichte, die ich später einmal erzählen werde.


....so....und ich steh inmitten von ihnen. Dazugehören werde ich nie, die Atmosphäre genießen aber immer. Das Leben ist schön. Frühmorgens.

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hm. ich komm grad vom bio-ökoschlunzen-edel-markt am kollwitzplatz und hatte vor, ne runde darüber abzulästern.... aber deine satire genügt mir. merci *zwinker

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...und hast dir "Bio"-Zeugs andrehen lassen? :-)))

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nee, ich hab nur thomas r*oth dabei zugeschaut :-))
mittlerweile kannste da austern und prosecco schlürfen. also nix gegen die feinkoststände da.

*standardsalat vom asialaden mapf*

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Öhm
Und was ist eine Goldparmäne...? *Staubkörnchen vom Nadelstreifenblazer schnips*

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Eine richtig leckere Apfelsorte

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Wo Sie sich so rumtreiben, Herr Schnitzel. ;)

In einer großen deutschen Wochenzeitung ist diese Woche zu lesen, dass das Nachtleben in diesem Städtchen bald gänzlich zum Erliegen kommen wird, viele Kneipen- und Clubbesitzer vor dem Aus stehen oder ihre Läden bereits dicht machen mussten.

Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht, dass es da jemals ein Nachtleben gab. Lesen bildet.

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Durchaus, Fräulein bluete, durchaus kommt das Nachtleben dort demnächst zum Erliegen....
Depot ist schon zu (und nu sagense nich, Sie kennen das Depot nich).
Foyer schließt dieses Wochenende (und nu sagense nich, Sie kennen das Foyer nich)
Tangente Night ist auch bankrott und der Zoo (der Zoo, bluete, der Zoo) macht im November dicht....

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Kennen schon, aber schätzen nicht. ;)

Das Tangente Night sieht ja schon länger so aus, als wäre es nicht mehr unter den Lebenden. Mich würden Sie da eh nicht reinkriegen.

Vielleicht habe ich einfach schon in zu vielen schönen und interessanten Städten mit lebhaftem Tag- und Nachtleben gewohnt - und bin dadurch sehr verwöhnt. Aber in dem von Ihnen erwähnten Städtchen werden doch schon immer ab 20 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt. ;)

Mich zieht es jedenfalls ab einer gewissen Uhrzeit nicht mehr in das ausgestorbene, leere "Zentrum", sondern eher Richtung Landeshauptstadt.

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Nun gut....Tangente Night (ich präferierte schon immer die Jour-Variante) ist das eine....aber Depot....das war schon groß...(und da sind auch Menschen aus der Landeshauptstadt hergefahren...)

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In der Jour-Variante trifft man bzw. traf man mich auch oft an. :)

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Irgendwann ham wir uns sicher mal.....ohne zu wissen....am Nachbartisch und so...(ich war dieser Wichtigtuer, der immer so dumm dahergeschwätzt hat...) :-)))

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Ach Gott, ja, ich erinner mich gut. Wobei es von der Sorte ja nicht gerade wenige in unserem netten Städtchen gibt. ;))

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Stimmt! (Die allerschlimmsten studieren Germanistik im 2. Semester und bedienen im Café)

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Die Erziehungswissenschaftler von nebenan sind auch nicht ohne. ;)

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Ungefähr da! *mit dem Finger drauf zeigend* werde ich nächste Woche um diese Zeit auch sein...

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Huch, Frau Cosmomente? Sie kommen zu uns? Wie schön! :)

Äh, meine Meinung zum Nachtleben dieser Stadt habe ich ja bereits kund getan. Ich finde es schon äußerst schwierig, dort tagsüber ein nettes, ansprechendes Café zu finden.

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Hach Frau Bluetenstaub, ich wohne ja um die Ecke sozusagen und bin in den nächsten zwei Jahren ab und an auf Stippvisite bei Ihnen (sofern alles klappt, wie ich mir das vorstelle)..Nett fand ich das Kaffee an dem Platz, wo auch das Rathaus steht - sozusagen schräg einmalüberdenPlatzgegenüber und ich mag den kleinen Schokoladenladen in der einen Strasse sehr gerne.

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Ja, niedliche kleine Läden zum Stöbern gibt's hier wie Sand am Meer. Mit (teuren) Wohnaccessoires, Antiquitäten, essbaren Leckereien und Kaffee kann man sich hier außerordentlich gut eindecken. Nur fehlt mir hier oft das Leben in der Stadt - vor allem im Winter.

Aber wenn ich das richtig lese, sind Sie nur tagsüber hier? Und fahren abends wieder nachhause? Dann lässt es sich gut aushalten, denke ich. ;)

Nachtrag: Das für eine Studentenstadt eher schwach ausgeprägte Nachtleben erklärt sich für mich unter anderem a) mit der Nähe zu anderen Städten, in denen deutlich mehr los ist und b) mit der hohen Zahl pendelnder Studenten, die nicht direkt am Studienort wohnen, sondern jeden Tag nach der Uni nachhause fahren.

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Ja, ich bin dann nur ganz selten mal für einen Tag oder ein paar Stunden dort...eine externe Sache, sozusagen :-)) kann mich mit Kaffee, Schokolade und Wohnaccessoires eindecken und dann wieder heimfahren in eine Stadt, in der zwar etwas mehr Leben aber nicht wirklich viel Abwechslung und Atmosphäre ist..

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@cosmo: Das Cafe direkt gegenüberm Rathaus oder das schräg (neben der Sparkasse)? Letzteres liegt zwar ganz nett , hat aber die bescheuertsten Bedienungen dieses Planeten (eben die Germanistik-Zweitsemester, die selbst kleinere Beträge nicht im Kopf rechnen können; sind ja auch Germanisten und keine Mathematiker, nich?). Dauerspruch: "Entschuldigung, ich arbeit´erst seit gestern hier"

Ach ja: Im Mokka bin ich auch Stammgast

Und wenn sich kein gescheites Cafe finden sollte: Ins "X" kann man immer. Das ist zwar kein Cafe, aber es eignet sich allerfeinst für allerlei Sozialstudien.


@bluete: Die Erziehungswuissenschaftler von nebenan habens auch durchaus in sich. Aber glücklicherweise schaffen die es oft nicht bis ins Jour sondern landen oft schon im Blauen Salon....

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Wie es heisst? hmmmm...keine Ahnung. Man geht Treppenstufen hoch und die Inneneinrichtung ist relativ modern, vorne dran sind nur etwas längere Bänke..? Ist es das neben der Sparkasse?

Wo ist denn das Mokka?

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Hier stand mal ein Kommentar, der gelöscht wurde. gorillaschnitzel

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Es ist also Spam. Bei mir hat sich der Knabe auch ausgelassen. Mit exakt den gleichen Worten.

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Beim Cabman stand auch sowas. Idioten gibts überall.

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Spam
Sehr richtig, die Kollegen referral und bufflon. Und weil der Kerl sich mit bluetenstaub auf dem Diskussionsweg auseinandersetzen soll, statt ihr wie feig hinterherzustellen, wird der Kommentar gelöscht...
Virtuelles Stalking ist hier unerwünscht.

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Ach,
hier war die Lusche auch... gähn... so wird das aber nix mit der Männeremanzipation.

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Ich wusste noch gar nicht, dass es Blog-Trolle gibt. Aber überraschend ist es nicht. In KBG gibts genug Futter.

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Ich vermisse bei Euch Bloggern INHALTLICHE Auseinandersetzungen
hat sich erledigt

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don't feed the trolls fällt mir dazu ein.

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Ich finde die Bevölkerungsentwicklung in KBD in letzter Zeit sowieso etwas... hm... durchmischt.

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Finde ich auch. Aber solang die Blogger nicht anfangen sich gegenseitig mit Absicht auf die Füsse zu treten, ist ja genug Platz für alle da.

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"feed the trolls" (aus soziologischer Sicht)
"don't feed the trolls" - sehr weise (im privatem Bereich). Ein "feed the trolls" kann trotzdem interessant sein (aus soziologischer Sicht).
:-)

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Lieber Freund,

ihr Kommentar war der erste in diesem Blog, den ich jemals gelöscht oder editiert habe.
Und dies hatte auch einen Grund: Ich sehe nicht ein, dieses Blog zum Zwecke des virtuellen Stalking instrumentalisieren zu lassen. Welche Probleme Sie mit bluetenstaub auch immer haben mögen, ist mir dabei herzlich egal. Ich verbitte mir aber ausdrücklich die Auseinandersetzung in diesem Blog und erst recht auf diesem Weg. .

EDITIERT

Danke für die Aufmerksamkeit.

EDITIERT

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"Rechtsfreie Zone" - "argumentatives auseinander zu setzen"
hat sich erledigt

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Wie gesagt...
...sehe ich hier keinen weiteren Diskussionsbedarf über die Causa...

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Zum Schluss: das generelle "auseinander setzen"
.
Ok, akzeptiert.


Ok, bis dann einmal ..........
(bei einem anderem Thema)

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Waren nicht die Marktschreier die allerältesten Entertainer überhaupt?

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...vermutlich....

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