Donnerstag, 14. Oktober 2010
Die Spätzle-Mafia
Wenn über längere Zeit hinweg immer dieselbe Partei regieren darf, dann entsteht irgendwie zwangsläufig Filz. Ein politisches Naturgesetz, ganz gleich welche Couleur die Partei haben mag.
Wenn eine Partei aber Jahrzehnte ohne Unterbrechung regieren darf.....

Wie eben hier in Baden-Württemberg, wo vor 20 Jahren eine "Jahrhundertidee" geboren wurde. Weil hier Politik und Wirtschaft sich schon immer etwas näher waren als anderswo und nicht ganz zu unrecht der Verdacht besteht, dass nicht selten Firmen mittels Steuergeldern gepusht wurden. Das wurde lange hingenommen, nicht zuletzt deshalb, weil auch die kleinen Leute etwas davon hatten. Irgendwann aber läuft jedes Fass über.

Erst mal vorab: Es wird jetzt kompliziert, aber das liegt nicht an mir sondern am Filz und den komprimiert zu beschreiben ist recht schwer. Gehen wir´s an.

Als da an Beteiligten wären:

Die üblichen Verdächtigen aus der Landes- und Bundespolitik. Teufel, Oettinger, Wissmann, Cleverle Späth, Mappus. Garniert mit Vertretern der SPD, idiotischtreu bis heute.

Aus der Wirtschaft dabei:
Heinz Dürr, ehemals Daimler, damals AEG-Sanierer, später Chef der Deutschen Bahn,
Hartmut Mehdorn, ehemals Daimler, damals Heidelbergdruck, später Chef der Deutschen Bahn und
Rüdiger Grube, Ex-Büroleiter Mehdorn, damals Daimler, derselbe der die supertolle Idee mit der Welt-AG hatte und für die Chryslerkrise verantwortlich zeichnet, heute Chef der Deutschen Bahn.

Spätestens jetzt frage ich mich, ob Teilnahme am elitären Zirkel Bedingung dafür ist, später Chef der Deutschen Bahn zu werden. Dem ist natürlich nicht so. Aber es gilt auch: Entsprechend ist der einzige NichtPro21er, der gleichzeitig dennoch Bahnchef war und das alles schon absagen wollte (Ludewig) natürlich auch nicht Mitglied des Spätzle-Clubs. Unter uns gesagt: Man könnte auch den Eindruck gewinnen, dass der erlesene Herrenclub seinen Einfluß hätte geltend gemacht haben können, wenn es um die Besetzung des DB-Chefs geht...
...man könnte auch auf böse Gedanken kommen, wenn man weiß, dass Ludewig nur wenige Wochen nach dem Vorabaus für S21 abberufen wurde, der Nachfolger Mehdorn hieß und die Stadt Stuttgart gleichzeitig in vorauseilendem Gehorsam der Bahn für eine halbe Milliarde Euro großzügig Gelände abgekauft hat, auf dem irgendwann einmal ein total tolles Neureichenviertel entstehen soll, für das es zu diesem Zeitpunkt aber weder Pläne noch Genehmigungen gab.

Dabei natürlich auch Martin Herrenknecht (Parteizugehörigkeit dürfen Sie raten), Tunnelbaufirma. Sie dürfen nun mal kurz zusätzlich raten, wer die Tunnel für S21 bauen wird. Ohne Ausschreibung, wie Oetti bereits versicherte. Sogar via Regierungserklärung. Wenig später kam dann eine "kleinere Summe" auf einem Parteikonto an. Dem Aufsichtsrat der Firma sitzt übrigens Lothar Späth vor.

Oder Rudi Häussler, Großprojekteerbauer, dank Oettingers Betreiben nun versorgt mit dem Bundesverdienstkreuz, dessen ehemaliger Firmenbeteiligter Rüdiger Grube, jetzt Bahnchef, heißt. Wer wettet dagegen, dass Häussler nicht irgendwas in Stuttgart bauen möchte? Irgendwie muss man ja aus der Insolvenz kommen.

Gut, es mag ein Zufall sein, dass 5 von 6 Bilfinger Berger-Vorständen aus der Region kommen und/oder mindestens hier studiert haben, aber die Frage, ob es nicht auch andere Bauunternehmen gibt und weshalb ausgerechnet der Bilfinger Berger-Vorstand im Unterstützerkreis S21 hockt, die ist erlaubt. Erneut dürfen Sie raten, an wen die Bauaufträge vergeben wurden.

Zufall mag auch sein, dass der stellvertretende Stuttgarter OB ausgerechnet die Firma berät, die den Nordflügel abgerissen hat. Die Tatsache, dass er das verschwiegen hat, mag seiner Vergesslichkeit geschuldet sein.

Profitieren wird auch mächtig die ECE. Die bauen gigantische Einkaufszentren in Überdimensionen. Das wollen sie auch in Stuttgart tun. Im Stiftungsrat und damit direkt zuständig für das Stuttgarter Einkaufszentrum: Die Lebensgefährtin von Oettinger, bis vor wenigen Tagen die Verkehrsministerin Gönner, bis vor kurzem auch OB Schuster und noch immer der S21-Architekt Ingenhoven.

Es braucht aber auch eine gute Presse. Da kommt dann ein klammer Großverlag der dringend Geld braucht grade recht. Vor allem dann, wenn der Großverlag einige der allerwichtigsten Zeitungen herausgibt. Da kann man schon mal einen Kredit über die LBBW vergeben, in deren Verwaltungsrat der Finanzminister, der Europaminister, wiederum Dürr, der Stuttgarter OB und der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag sitzen. Der Vorsitzende der Trägerversammlung? Mappus.
Da ist es dann wenig verwunderlich wie seltsam einseitig positiv die Presse in der Folge berichtet. Einer der Redakteure konstatiert, dass ohne das freundliche Zutun der Stuttgarter Zeitung S21 gar nicht möglich gewesen wäre. Ein anderer schreibt, dass es im Nachhinein ein Fehler gewesen sei, S21 zu StZ21 zu machen (StZ=Stuttgarter Zeitung).

Kommen Sie noch mit? Wenn nicht: Ich habe mich ja tatsächlich einmal hingesetzt und versucht, das irgendwie graphisch-übersichtlich zu gestalten, weil ich selbst irgendwann mal nicht mehr so recht durchgestiegen bin. Hier das Ergebnis (vereinfacht), klicken macht groß:



Sie alle sind mächtig miteinander verflochten und man sollte mal wirklich ernsthaft überlegen, ob die ganze Lobbyscheiße auch nur halbwegs zukunftsfähig sein kann. Lässt sich ein politisches Amt gleichzeitig vereinbaren mit einem Aufsichtsratsposten bei einem gewinnorientierten Unternehmen? Wie interpretiere ich beispielsweise die Zwischenrufe von Patrick Döring zu S21 im Bundestag, wenn ich gleichzeitig weiß, dass er bei der Deutschen Bahn eine nicht ganz kleine Nummer spielt?

   ... Stuttgart 21
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