Mittwoch, 31. März 2010
Vilnius
Vilnius am Sonntag. Wann auch sonst? Weil Vilnius im Prinzip fast ausschließlich nur aus Kirchen besteht. Im Grunde ist Vilnius ein riesiges Kirchenfreilichtmuseum. Darum sonntags, weil dann in den Kirchen auch was los ist, obwohl....eventuell geht da auch unter der Woche der Punk ab, sind ja alle katholisch.





Wir können nun einen kleinen Exkurs wagen, weil es von Katholizismus momentan nicht weit ist zu Vergewaltigung und damit wären wir dann bei Drasius Kedys, mutmaßlicher Doppelmörder, unter anderem an einem Richter und bei der Wahl zu Litauens Person des Jahres 2009 ganz weit vorne gelandet.
Bei nicht wenigen Litauern gilt Drasius Kedys als Held. Die Vorgeschichte: Kedys Tochter wurde wohl ganz offensichtlich vergewaltigt. Kedys schickt nun monatelang Briefe, Videos, Material an alle möglichen Behörden, Ämter, Polizeistationen, erstattet Anzeige. Es passiert nichts. Kedys vermutet, dass von ganz oben gedeckelt wird. Daraufhin nimmt er das Recht in die eigene Hand und ermordet seine Schwägerin (die im Verdacht stand, die Kleine regelrecht verkauft zu haben) und den Richter (sehr tatverdächtig). Seither gilt er als Held Litauens und sowas wie der Mustervater. Er ist untergetaucht und Polen hat ihm angeblich bereits politisches Asyl angeboten.



Aber zurück zu den Kirchen und den Gottesdiensten. Ich fand ja, das Publikum wie die Priester sahen alle gleich aus, weshalb ich mich jetzt auf die wage These versteifen möchte, dass das alles immer dieselben Leute waren und die immer nur die Kirchen wechseln. Wenn sie fertig sind mit dem Gottesdienst, ziehen sie einfach weiter. Churchhopper quasi.
So wie ich. War ich an dem Tag auch. Ich hoppte allerdings weiter als der Mann mit dem Klingelbeutel auftauchte und nicht nach Beendigung des Gottesdienstes.



Die Litauer wissen über die fragile Freiheit die sie genießen. Es ist noch keine 20 Jahre her, da wurden 14 Menschen von sowjetischen Panzern überrollt oder erschossen. Weil sie sich schützend vor Parlament oder Fernsehturm gestellt hatten. Der Kommandeur der damaligen Truppen hieß übrigens Aslan Maschadow, später Präsident Tschetscheniens und von Russland als Terrorist mittlerweile erschossen. Nur mal nebenbei: In Riga passierte damals ähnliches: 5 Tote infolge von Demonstrationen für die Unabhängigkeit. Der dortige Kommandeur: Dschochar Dudajew, später Präsident Tschetscheniens und von Russland als Terrorist ermordet. Mit dem kleinen Unterschied, dass Dudajew in den baltischen Staaten einen kleinen Heldenstatus hat und nach ihm gar Straßen benannt wurden, weil er sich weigerte, seine Armee losmarschieren zu lassen und somit als Symbol für Unabhängigkeit herhalten muss.

Lange Rede: Hätte man mir, der ich das damals eher nebenbei in den Nachrichten sah, erzählt, dass man keine zwei Jahrzehnte später nicht mal mehr einen Pass braucht um dahinzukommen, hätte ich wohl empfohlen, einen guten Neurologen aufzusuchen.





Vilnius kann man aber wirklich mögen. Weil es versifft ist. Überall bröckelt es und ein guter Teil von Vilnius sieht wohl ein bißchen aus wie der Prenzlauer Berg vor der Wende. Es gibt ja Leute die meinen, eine Hauptstadt müsse glänzen und ausstrahlen. Das tut Vilnius ganz sicher nicht und Berlin tut das ganz sicher auch nicht. Ich sehe noch die entsetzten Gesichter, wie ich mit zwei Angolanern durch die Schönhauser Allee laufe und sie sehr zweifelnd fragen, ob das jetzt wirklich die Hauptstadt sei. Aber seis drum, es geht um Vilnius und den morbiden Charme des Verfalls.



Und damit wären wir bei der Republik Uzupio. Die gibt es inmitten von Vilnius, so wie es Christiania in Kopenhagen gibt, nur dass nicht ganz so viel Haschisch offen gehandelt wird.



Uzupio, benannt nach einem Engel, ist eine Künstlerecke und entwickelt sich grade zum "In-Viertel".





So. Und nun zeige ich Ihnen litauischen Humor. Direkt aus Vilnius. Litauischer Humor ist, wenn Sie als Römer verkleidete arme Schweine bei üblen Minustemperaturen mitsamt Speer und Schild vors Parlament stellen. Sonntags. Während dort keine Sau tagt oder parlamentiert. Lassen Sie nun noch Touris fotografieren und fertig. Ich glaube, darüber kann so ein Durchschnittslitauer durchaus lachen.





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