Sonntag, 20. April 2008
Rotkreuz
In regelmäßigen Abständen muss ich zum Rotkreuzauffrischungskurs. Ich bin mir der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit dessen zwar bewusst, aber nach dem vierten oder fünften Mal ist es irgendwann auch nur ein Pflichttermin. Das lag vor allem daran, dass das immer derselbe Mensch gemacht hat und der etwas langatmig und näselig daherkam und mir die Vorstellung von Erbrochenem und abgerissenen Gliedmaßen noch vor dem Frühstück immer etwas befremdlich erschien.

Dieses Mal aber war Peter da. Ich nenn ihn Peter, damit ihr alle denkt, er hieße eigentlich ganz anders und keiner merkt, dass er wirklich Peter heißt.
Nun muss ich zuerst feststellen, dass es in meinem Landstrich zweierlei Menschen gibt: Die einen, das sind die Bescheidenen. Zurückhaltend und das eigene Licht eher unter den Scheffel stellend. Die anderen, das sind die Großkotze, die in ihrem armen Leben dauerhaft auf der Suche nach Anerkennung sind und die das vermutlich so lange machen, bis ihnen der Darmausgang zuschnappt. Bei denen wird in einen einzigen Satz alles reingepackt, was ihrer Ansicht nach Status erzeugen könnte.

Vorneweg: Peter war der Prototyp der zweiten Spezies und nach acht Stunden mit Peter hatte man so ziemlich das gesamte Petersche Leben intus. Ich wette ja mindestens 100 Öcken, dass Peters Frau Friseurin ist, weil er die weniger werdenden Haare hochtoupiert trug und dann hinten schön lang mit einem breiten orange und rot gefärbten Pornobalken neben den Ohren. Er sah aus wie ein alternder Provinzpseudomofarocker in der Endpubertät und vermutlich ist er neben Günther Netzer der einzige Mensch in diesem Land, der seit 30 Jahren diesselbe Frisur trägt.

Und so schwadronierte Peter von seinem Jeep, seinen 34 Reanimationen, dass in seinen Kursen immer was los sei ("bis zum Kieferbruch"), er in seinen Garten eindringenden Hunden gerne mal die Erschießung mit der 38er androhe (bzw. deren Halter), vom zweijährigen Krankenhausaufenthalt mitsamt der Wiederauferstehung von den Toten ("mit dem Motorrad mit 130 gegen die Scheibe des Autos: Genickbruch, Lendenwirbelbruch") und dass er überhaupt sowas wie der nachbarschaftliche Superstar sei. Im besten Fall unterhält das eine Weile, wird dann aber nervig und am Ende langweilts dann nur noch immens.

Aber immerhin war er so richtig pflichtbewusst. Nach einer Übung witzelt ein Teilnehmer, er habe davon glatt eine Blase davongetragen, was Peter zum Anlass nimmt, sich dieser lebensbedrohlichen Verletzung zu widmen. Man kennt das ja: Erst ists ne kleine Blase, dann kommt da Dreck rein und am Ende krepiert man an einer Blutvergiftung.
Peter also kommt mit Ersthilfekoffer und verarztet den Mann zuerst mal gute zwei Minuten lang.
Die Krönung des Ganzen kommt dann, als eine Teilnehmerin mal kurz den Saal verlässt und nicht nach 2 Minuten wieder zurückkehrt. Da geht Peter nachschauen und findet sie außen sitzend vor. Auf Nachfrage, was denn sei, macht sie einen kapitalen Fehler: Sie sagt, ihr sei grad nicht so gut. Mehr nicht. Aber das reicht, damit Peter den Rettungsdienst holen lässt und ich staunend sehe, dass sich etwa 50 Meter weiter tatsächlich ein Krankenwagen in Bewegung setzt.

   ... Personality goes a long way
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